Donnerstag, 04. April 2024

Manifest für Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland

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Über eine tiefgreifende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) in Deutschland wird schon lange gestritten. Lange Zeit versuchten die Bestandswahrer des ÖRR Kritiker gerne in eine „rechte Ecke“ zu stellen. Weil speziell die AfD massiv Kritik am ÖRR übte und übt, wurde und wird nahezu jedem Kritiker vorgeworfen, sich mit der AfD gemein zu machen. Das erging beispielsweise auch der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) nicht anders, die eine Reform des ÖRR zum Thema gemacht und sich damit in der CDU/CSU durchgesetzt hat. Nachdem allerdings selbst WDR-Intendant Tom Buhrow im November 2022 in einer Rede vor dem Übersee-Club eine innere Reform des ÖRR angemahnt hatte, nahm die Diskussion weiter Fahrt auf.

Seitdem sind die Stimmen – auch innerhalb des ÖRR – nicht mehr verstummt, die eine spürbare Reform des ÖRR hin zu mehr Meinungspluralismus fordern. Aktuell sorgt das ‘Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland’ für Aufsehen, das von „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie weiteren Unterzeichnenden“ verfasst und veröffentlicht wurde. Die Verfasser betonen, sie schätzten „einen starken unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland als wesentliche Säule unserer Demokratie, der gesellschaftlichen Kommunikation und Kultur“. Sie seien von seinen im Medienstaatsvertrag festgelegten Grundsätzen und dem Programmauftrag „überzeugt“. Beides sehen sie aber in Gefahr. „Das Vertrauen der Menschen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nimmt immer stärker ab“, heißt es dort. Zweifel an der Ausgewogenheit des Programms wüchsen. „Die zunehmende Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung nehmen wir seit vielen Jahren wahr“, betonen die Verfasser. Sie hätten „dieses Manifest verfasst, damit unsere Stimme und Expertise zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im gesellschaftlichen Diskurs gehört werden“.

Kernforderungen für einen neuen ÖRR sind laut dem Manifest: • Meinungs- und Informationsvielfalt • Ausgewogenheit und Fairness • Transparenz und Unabhängigkeit • Förderung von Kultur und Bildung • Bürgerbeteiligung sowie eine • Beitragsfinanzierung. Als größtes Problem der derzeitigen Verfassung des ÖRR wird in dem Manifest die „Eingrenzung des Debattenraums anstelle einer Erweiterung der Perspektive“ genannt. Das zielt eindeutig auf die gerne auch als Linkslastigkeit des ÖRR bezeichnete Auswahl der Themen und Gesprächspartner der Sender. Dies gipfele, so das Manifest, in den sogenannten Faktenchecks, die „oft durch ihre Machart, Überschrift und Formulierungen eine vermeintlich absolute Wahrheit, die selten existiert“, suggerierten. Der freie gesellschaftliche Diskurs werde dadurch „schmerzhaft beschnitten“.

So weit, so gut, so berechtigt, kann man dazu sagen. Problematischer ist da die Forderung der Autoren nach einer stärkeren Partizipation der Beitragszahler „bei medienpolitischen, finanziellen und personellen Entscheidungen“. Auch die ist durchaus berechtigt, in der Praxis aber schwer durchzusetzen, ohne dass dies zu einer Schieflage anderer Art führt. Die Lösung des Manifestes zeigt, wo hier die Probleme liegen: „Den Beitragszahlern gehört der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk. Ihre mehrheitliche Einbindung in den Kontrollgremien ist daher selbstverständlich. Diese Arbeit wird angemessen honoriert. Sie schließt die Wahrnehmung eines weiteren Amts, welches Interessenkonflikte birgt, aus. Die repräsentative Zusammensetzung der Kontrollgremien könnte beispielsweise nach dem Vorbild der Besetzung von Bürgerräten erfolgen. Direkte Wahl, Rotationsprinzip oder Losverfahren sind Möglichkeiten, um die Gesellschaft repräsentativ abzubilden.“

Im Ergebnis, so das Manifest, werde diese Umgestaltung dazu führen, dass der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk als Vierte Säule der Demokratie fungieren werde, der im Auftrag der Bevölkerung wichtige Kontrollaufgaben gegenüber den Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative“ übernehme. Damit er diesen Auftrag erfüllen könne, sei „seine Unabhängigkeit von Staat, Wirtschaft und Lobbygruppen“ zu garantieren. Das klingt gut, steht mit ähnlichen Worten aber auch bereits in den Statuten der Sender des bestehenden ÖRR. So heißt es beispielsweise im Staatsvertrag für das ZDF in § 5 (ebenso in der Satzung des ZDF in § 3): „In den Angeboten des ZDF soll ein objektiver Überblick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit vermittelt werden. Die Angebote sollen eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung fördern.“

Und im Gesetz über den WDR heißt es entsprechend in § 4: „Der WDR veranstaltet und verbreitet seine Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung und als Sache der Allgemeinheit. Die im Sendegebiet bedeutsamen politischen, religiösen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen gewährleisten die eigenverantwortliche Erfüllung seiner Aufgaben. Der WDR hat in seinen Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben.“

Ebenso ließen sich auch weitere Forderungen des Manifestes bereits unter Geltung der bisherigen Vorschriften über den ÖRR so umsetzen. Sie haben sich in der Praxis jedoch anders entwickelt. Insofern ist fraglich, ob es überhaupt möglich ist, die Ziele des Manifestes mit einer Änderung der Rechtsgrundlagen zu erreichen. Es bedürfte wohl eher eines völligen Austausches vieler Mitarbeiter in den Sendern, um quasi neu anzufangen. Das erscheint allerdings eher unrealistisch. Gleichwohl ist dem Manifest zu wünschen, dass es die Mitarbeiter in den Sendern anregt, selbstkritisch zu hinterfragen, ob die Forderungen, soweit sie geteilt werden, sich in der eigenen Arbeit widerspiegeln. Falls nein, könnten die Mitarbeiter es schon heute ändern.

Und was ist mit den Mitarbeitern, die die Forderungen des Manifestes weit von sich weisen? Bei denen müssten sich die Personalverantwortlichen in den Sendern fragen, ob deren Haltung eigentlich den bestehenden gesetzlichen Regelungen der Sender entspricht. Falls nicht, müsste ihnen dann gekündigt werden. Aber auch das ist wohl eher eine Illusion.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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