Freitag, 03. November 2023

Neue Kosten für Arbeitgeber bei Meldungen zur Sozialversicherung

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Kostensteigerungen sind für Unternehmen eine permanente Herausforderung. Manche sind leicht nachzuvollziehen, bei anderen fällt das schon schwerer. Richtig ärgerlich sind Kosten, die wenig transparent aufgrund einer gesetzlichen Pflicht Unternehmern auferlegt werden, auch wenn die absolute Höhe im Einzelfall gering ist. Ein Beispiel dafür ist die Berichtspflicht der Arbeitgeber im Bereich des Sozialversicherungsrechts. Rund 550.000 Arbeitgeber nutzen derzeit noch das sv.net, um Meldungen, Beitragsnachweise, Bescheinigungen und Anträge zur Sozialversicherung auf elektronischem Weg zu erstellen.

Nach 23 Jahren wird diese Ausfüllhilfe zum Jahresende durch das SV-Meldeportal ersetzt (das seit dem 4. Oktober bereits genutzt werden kann). Bisher wurde sv.net von den Krankenkassen kostenfrei angeboten. Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 95a SGB IV stellen nun die Sozialversicherungsträger zum elektronischen Datenaustausch für Meldungen, Beitragsnachweise, Bescheinigungen und Anträge den Arbeitgebern das allgemein zugängliche SV-Meldeportal zur Verfügung. Es umfasst ein Internet-Portal mit umfangreichen Informationen und die neue Ausfüllhilfe zum Austausch elektronischer Meldungen mit den Sozialversicherungsträgern.

Anders als das bisherige sv.net ist das neue SV-Meldeportal zunächst nur in diesem und im kommenden Jahr kostenfrei, sofern sich Arbeitgeber und deren Dienstleistungspartner bis zum 31.3.2024 als Nutzer registrieren. Danach wird eine Nutzungsgebühr in Höhe von einem Euro (netto) pro Monat in der 'Single-Mandanten-Variante' für 36 Monate im Voraus erhoben. Grundlage für die Nutzungsgebühr ist § 95a Abs. 6 S. 3 SGB IV i. d. F. vom 17.7.2023, wonach die Nutzer der Ausfüllhilfe in angemessenem Umfang an den Kosten der Datenübermittlung beteiligt werden können.

Auf den ersten Blick ist man geneigt, eine Gebühr von einem Euro pro Monat als angemessen und letztlich auch vernachlässigbar zu betrachten. Aber das gilt nur, solange man nur auf den einzelnen Anwender schaut: Bei 550.000 Anwendern werden die Unternehmen für die ersten drei Jahre um rund 19,8 Millionen Euro erleichtert, somit um 6,6 Millionen Euro pro Jahr. In § 95a Abs. 6 S. 3 SGB IV ist jedoch wörtlich die Rede davon, die „Nutzer der Ausfüllhilfe können in angemessener Umfang an den Kosten der Datenübermittlung beteiligt werden“. Ob diese Relation noch eine angemessene Beteiligung ist, ist aus unserer Sicht fraglich. Zumal die Sozialversicherungsträger die Investitionskosten der Ausfüllhilfe und des Online-Datenspeichers selbst zu tragen haben – dies ist in § 95a Abs. 7 SGB IV geregelt. Nur die reinen Kosten der Datenübermittlung können anteilig den Nutzern auferlegt werden.

Betreiber des neuen Portals ist die Informationstechnische Servicestelle der gesetzlichen Krankenversicherung (ITSG GmbH). Von ihr wollten wir wissen: ● Aus welchen Gründen wird das bisherige System eingestellt und durch ein neues Meldeportal ersetzt? ● Wie errechnet sich der Betrag von 36 Euro pro Nutzer? ● Aufgrund welcher Rechtsgrundlage wird die Gebühr für 36 Monate im Voraus erhoben? ● Wird die Gebühr zurückerstattet, wenn keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt werden? ● Wie hoch sind die Gesamtkosten des Systems sind und in welchem Umfang beteiligen sich die Träger der Sozialversicherung hieran?

Die ITSG GmbH verwies uns zur Beantwortung der Fragen an den GKV Spitzenverband. Der ließ uns zunächst wissen, die Fragen bezögen sich „auf interne Entscheidungen“, zu denen es keine weiteren Informationen gebe. Wie eine Frage nach der Zusammensetzung von Kosten, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts erhebt, eine interne Entscheidung sein soll, erschließt sich uns nicht. Wir haben daher nachgehakt und eine ausführliche Antwort erhalten, in der jedoch die entscheidenden Fragen nach den konkreten Kosten und der Beteiligung der Arbeitgeber hieran weitestgehend unbeantwortet blieben. Erst auf nochmalige Nachfrage wurde uns dann mitgeteilt, das neue System sei notwendig, weil sv.net nach 20 Jahren habe überarbeitet werden müssen. Die Vorauszahlung der Gebühren wird mit Erhebungskosten begründet. Sprachlos macht uns, dass zur Vermeidung von Verwaltungskosten keine Rückerstattung der Gebühren erfolgt, falls jemand zukünftig keine Meldungen mehr einzureichen hat.

Den Anteil der Arbeitgeber an den Betriebskosten beziffert der GKV Spitzenverband für die Jahre 2024 bis 2027 aufgrund der erwarteten Gebühren (bei von ihm unterstellten 300.000 Nutzern) auf ca. 11 Millionen Euro. Dem stünden Kosten von 36 Millionen Euro gegenüber. Damit würden die Arbeitgeber also rechnerisch 30 Prozent der Betriebskosten tragen. Zukünftige Preiserhöhungen seien aber möglich.

Auf der Homepage des Meldeportals ist dagegen von derzeit rund 550.000 Arbeitgebern die Rede, die sv.net nutzen. Warum diese deutlich höhere Zahl aktueller Nutzer in der Berechnung 'unterschlagen' werden, scheint auf der Hand zu liegen: Die vereinnahmten Nutzungsgebühren lägen dann nämlich bei mehr als 20 Millionen Euro und deutlich über der Hälfte der laufenden Betriebskosten. Ob dies noch angemessen i. S. d. § 95a SGB IV ist, darf bezweifelt werden. Nach einer gewissen Laufzeit wird man einmal nachhaken müssen, wie sich Kosten und Arbeitgeberbeiträge tatsächlich entwickelt haben. Rechtlich bedenklich ist unabhängig davon, dass vorausbezahlte Gebühren nicht erstattet werden, falls das Meldeportal zukünftig nicht mehr genutzt wird. Wegen der überschaubaren Beträge werden die meisten Nutzer dies jedoch voraussichtlich akzeptieren.

Dieser Text ist zuerst in unserer 'steuerberater intern'-Ausgabe Nr. 21-2023 erschienen. Weitere Informationen finden Sie hier.


Verfasst von: Günter J. Stolz | Kommentare (1)

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#1 Skandal
von konrad, 10.04.2024 20:10

Es ist ein Skandal, dass wir die Arbeit für die Beamten erledigen müssen und dafür noch zahlen sollen.

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