Dienstag, 07. November 2023

Streit unter den IHKn in NRW eskaliert: IHK Köln tritt aus IHK NRW aus

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Mit Missständen bei IHKn haben wir uns in der Vergangenheit häufig beschäftigt. Vom grundsätzlichen Problem der schwer nachzuvollziehenden Pflichtmitgliedschaft, der Missachtung höchstrichterliche Urteile zur unzulässigen Ausübung eines allgemeinpolitischen Mandats oder beispielsweise der unzulässigen Vermögensbildung der Kammern, bis hin zu persönlichen Verfehlungen von IHK-Spitzenfunktionären, reichte dabei die Themenpalette. Speziell die IHK Köln gehörte in den letzten Jahren dabei häufiger zu den Kammern, mit denen wir uns intensiver beschäftigten mussten (weitere Nachweise beispielsweise hier). Höhepunkt der eigensinnigen Außendarstellung der aktuellen Geschäftsführung der IHK Köln ist der Austritt aus dem Dachverband der nordrhein-westfälischen IHKn: der IHK NRW.

Dies hat zu dem wohl einzigartigen Vorgang geführt, dass die IHK NRW die IHK Köln öffentlich zur Mäßigung aufruft. In einer Pressmitteilung vom 2. November heißt es einleitend, mit Bedauern hätten „die 15 Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen die außerordentliche Kündigung der Mitgliedschaft der IHK zu Köln in der IHK NRW zur Kenntnis genommen“. Die IHK zu Köln sei im Jahr 1946 Gründungsmitglied der IHK NRW gewesen „und folglich seit fast 80 Jahren Mitglied in der nordrhein-westfälischen Kammervereinigung“ teilt die IHK NRW betrübt mit. Gemeinsam habe man seit Jahrzehnten die Interessen der nordrhein-westfälischen Wirtschaft gegenüber der Landesregierung  NRW vertreten. Dies habe insbesondere in schwierigen Zeiten gegolten, „wie in der Rezession 1966/67, in den Ölkrisen der 70er- und 80er-Jahren, in Stagnation der 90er-Jahre, nach dem Platzen der Internetblase 2002/2003, in der Finanzkrise 2008, in der nachfolgenden Eurokrise und in der Corona Pandemie. In all diesen kritischen Phasen haben die IHKs in NRW gemeinsam an einem Strang gezogen und die Interessen der NRW-Wirtschaft im besonderen Maße vertreten.“

Ob man dies alles als Rechtfertigung für die Pflichtmitgliedschaft in einer IHK oder als Rechtfertigung für die Bildung eines landesweiten Dachverbands der IHKn anerkennt, fällt, je nach Blickwinkel des Betrachters, sicher unterschiedlich aus. Dass die Kündigung der IHK Köln aber aus Sicht der nordrhein-westfälischen IHKn einen einzigartigen Affront gegenüber der Gesamtorganisation darstellt („die außerordentliche Kündigung der Mitgliedschaft sorgt daher landesübergreifend in den 15 IHKs und ihren Mitgliedsunternehmen für starke Irritationen“), dürfte kaum jemanden überraschen. Denn ein solches Verhalten legt letztlich die Axt an das gesamte System. Wer die Ineffizienz eines Spitzengremiums zur Durchsetzung der Interessen der Mitglieder hinterfragt, liefert die Vorlage das gesamte System zu hinterfragen.

Die IHK NRW und ihre Mitgliedskammern befürchten laut Pressemitteilung, „die Interessen der über 150.000 Mitglieder der Kölner IHK“ könnten „zukünftig nicht mehr hinreichend gegenüber dem Land NRW vertreten werden“. Zugleich widerspricht IHK NRW „dem in der Sache unangemessenen Kündigungsschreiben und fordert die IHK zu Köln auf, wieder zu einer konsensorientierten Sachlichkeit zurückzufinden. Darüber hinaus sieht IHK NRW keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung gegeben und wird diesen Sachverhalt daher ausführlich prüfen.“

Derartiges in einer Pressemitteilung eines IHK-Spitzenverbands über ein Mitglied zu lesen, hat schon einen hohen Unterhaltungswert. Allerdings ist dies nicht unbedingt gesetzliche Aufgabe einer IHK. Aber es kommt noch „doller“. Denn IHK NRW greift die Führung der IHK Köln offen an: „Die Führung der IHK zu Köln positioniert sich seit längerem politisch ausgesprochen einseitig gegenüber Landes- und Bundesregierung, dies gilt insbesondere für den ausgehandelten Kohleausstieg 2030 im Rheinischen Revier. Damit politisiert die Kölner IHK einen im demokratischen Prozess erarbeiteten Konsens und gefährdet damit den Erfolg des grundlegenden Strukturwandels im Rheinland und in NRW.“

Für Außenstehend kurz zur Erläuterung, was sich dahinter verbirgt: Im Mai dieses Jahres hatte sich die IHK Köln als einzige IHK in NRW geweigert, den ‘Reviervertrag 2.0’ zum Kohleausstieg 2030 in NRW mit der Landesregierung zu unterzeichnen. Im September hatte die IHK Köln angekündigt, aus der ‘IHK-Initiative Rheinland’ auszutreten, weil es inzwischen eine Monopolregion Rheinland gebe und es insoweit keines weiteren Zusammenschlusses bedürfe. Zugleich kritisierten die anderen Kammern das Bild, das die IHK Köln, speziell deren Geschäftsführung unter Hauptgeschäftsführer Uwe Vetterlein und Präsidentin Nicole Grünewald, abgebe. Dies wiederum nimmt Bezug auf eine den beiden anonym nachgesagte Affäre. Am Ende forderte die IHK NRW Grünewald auf, ihr Amt als Vizepräsident von IHK NRW aufzugeben. Darauf reagierten Grünewald und Vetterlein mit der außerordentlichen Kündigung der Mitgliedschaft in IHK NRW.

Dies wiederum hat das Fass bei IHK NRW überlaufen lassen. Anders ist die öffentliche Demontage der Führung der IHK Köln nicht zu erklären. Denn abschließend heißt es in der Pressemitteilung: „Das Kammerwesen in Deutschland ist dank der Prinzipien von Solidarität und Kosens stark. Besonders in kritischen Zeiten bedarf es der Teamarbeit und nicht Solisten, denn nur so können wir gemeinsam das Gesamtinteresse der durch die Industrie- und Handelskammern repräsentierten NRW-Wirtschaft angemessen nach innen und nach außen vertreten. In diesem Sinn steht IHK NRW auch zukünftig einem sachlichen Dialogprozess offen gegenüber. IHK NRW bedauert den Austritt der Kölner IHK. Die Tür für eine Rückkehr steht offen.“

Sagen wir mal so: Eher trinkt Thomas Tuchel mit Lothar Matthäus ein Bier, als dass die Kontrahenten dieses Streits noch zueinander finden werden. Die Rechtsaufsicht der Kammern in NRW sollte diesen Vorgang zum Anlass nehmen, sich selbst einmal kritisch zu hinterfragen, wie ihr Aufsichtstätigkeit in der Praxis eigentlich aussieht und Konsequenzen aus diesem Befund ziehen. Und der Gesetzgeber hat Gelegenheit noch einmal darüber nachzudenken, wie segensreich eigentlich eine Pflichtmitgliedschat in einer IHK ist. Die Mitglieder der IHK Köln sind nämlich bisher bei diesem Streit gänzlich außen vor. Er wird jedoch mit ihren Beiträgen ausgetragen.

Ach ja, für den 13. November sind die Mitglieder der Vollversammlung der IHK Köln zu einer außerordentlichen Sitzung eingeladen, um über die Vorgänge informiert zu werden. Warum eigentlich nicht am 11. November? Würde doch viel besser passen.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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