Mittwoch, 29. März 2023

bffk-Kammerbericht 2022: Unverändert viel Schatten, aber auch Licht

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Vergangene Woche hat der Bundesverband für freie Kammern (bffk) seinen Jahresbericht 2022 vorgelegt, den inzwischen elften. Viele kritische Anmerkungen zum Zustand der Pflichtkammern wiederholen sich, leider, muss man sagen. Es gibt aber auch positive Entwicklungen im Laufe der Zeit. Thematischer Schwerpunkt des Kammerberichtes 2022 ist eine Untersuchung zur Effektivität der Arbeit der Industrie- und Handelskammern (IHKn). Bereits 2015 hatte der bffk ein kritisches Auge auf den Personaleinsatz der Kammern geworfen. In diesem Jahr wurde zusätzlich untersucht, wie hoch die IHK-Beiträge bezogen auf das Gesamtgewerbesteueraufkommen im jeweiligen IHK-Bezirk ausfallen und wie intensiv sowie effektiv dort das Personal eingesetzt wird. Gehört es doch zum Selbstverständnis der IHKn, die Nähe und Verbundenheit zu ihren Mitgliedsunternehmen zu betonen. „Die vielgerühmte Effizienz der IHKn und die vermeintliche Nähe der IHK-Bürokratie zur Mitgliedschaft wird in etlichen IHK-Bezirken als Märchen entlarvt“, fasst bffk-Vorsitzender Frank Lasinski die Ergebnisse der entsprechenden bffk-Untersuchung zusammen.

So stellt sich der bffk die Frage, warum die IHK Dortmund vier Prozent des Gesamtgewerbesteueraufkommens abschöpfen muss, um ihre Arbeit zu finanzieren, während die IHK Potsdam dafür nur 0,24 Prozent benötigt. Sachlich sei dies nach Meinung des bffk nicht zu rechtfertigen. Dass dann allerdings die IHK Dortmund von allen untersuchten IHKn den höchsten Gehaltsdurchschnitt (111.271,59 Euro) – weit vor IHK-Bezirken in teuren Lagen wie München (89.013,87 Euro), Hamburg (87.960,14 Euro) oder Berlin (80.023,14 Euro) – aufweist, sei wahrscheinlich konsequent und logisch. bffk-Bundesgeschäftsführer Kai Boeddinghaus sieht hierin eine Verletzung der gesetzlichen Verpflichtung der Kammern zu einem wirtschaftlichen und sparsamen Handeln.

Wie unterschiedlich die IHKn arbeiten, zeigt auch der Blick auf deren Personalausstattung. Während sich etwa die IHK zu Coburg eine Vollzeitstelle pro 241 Mitglieder leistet, benötigt Berlin nur eine Stelle je 1.060 Mitgliedern (Münster 1 zu 952; München 1 zu 850). Dummerweise ist die IHK zu Coburg zugleich Schlusslicht bei der Zahl der Unternehmensbesuche. Gerade einmal 20 Besuche kommen auf je 1.000 Mitglieder (zum Vergleich: Hamburg 132; Aschaffenburg 102). Dies wirft aus Sicht des bffk ein Schlaglicht auf den ungesunden Mix aus Bürokratie und Entfremdung von der Mitgliedschaft, der in vielen IHKn anzutreffen ist. Natürlich gebe es immer auch regionale Unterschiede zu beachten, betont der Jahresbericht. „Dass aber von einem Mitarbeiter der IHK Ostwürttemberg im Jahr 2019 im Durchschnitt gerade einmal knapp fünf Unternehmensbesuche absolviert wurden, während die Kollegen in der IHK Nordwestfalen im gleichen Jahr durchschnittlich mehr als 30 Betriebe besuchten, dürfte wohl eher mit einer ausgeprägten schwäbischen Bequemlichkeit zu erklären sein“, schlussfolgert der bffk.

Besonders ärgerlich ist zudem, dass laut dem Jahresbericht die Pensionsrückstellungen einen neuen Spitzenwert erreicht haben. Mehr als 1,3  Milliarden Euro sind für die Versorgung der IHK-Pensionäre vorgesehen. Weitere Rücklagen, die das Zinsänderungsrisiko abdecken, kommen hinzu. Unverändert bestehen erheblich regionale Unterschiede in der Beitragsgestaltung der Kammern, die kaum zu erklären sind. „Zwangsmitgliedschaft mit Zwangsbeiträgen für IHKn, die obendrein noch durch Gebietsschutz vor Konkurrenz geschützt werden, sind und bleiben Hemmnisse für Effizienz und Leistungsfähigkeit in den Kammern“, zieht bffk-Vorsitzender Lasinski sein Fazit zu dieser unerfreulichen Praxis.

Zu den Erfolgen, die der bffk im Laufe der Jahre für die Zwangsmitglieder erzielt hat, gehört der zwischen 2013 und 2020 festgestellte Vermögensabbau bei den IHKn um etwas mehr als 500 Millionen Euro. Über die mehrfach obergerichtlich untersagte Praxis vieler Kammern, rechtswidrig zulasten der Mitglieder Vermögen zu bilden, hatten wir immer wieder berichtet (zuletzt im Dezember 2022). Denn diese unzulässige Vermögensbildung führt zwangsweise zu rechtswidrig erhöhten Beiträgen. Inzwischen zeigen sich erste Früchte dieser Arbeit. „Im Jahr 2009“, so Boeddinghaus, „hat der bffk in einer Pressemitteilung die Absenkung des IHK-Vermögens um ‘mindestens 500 Millionen Euro’ gefordert“. Die mit dem aktuellen Kammerbericht festgestellten Zahlen zum Vermögensabbau belegen, dass der bffk seinerzeit nicht übertrieben hatte. „Genauso wichtig ist es, jetzt nicht locker zu lassen, denn wir wissen, dass die IHKn tatsächlich weiterhin im dreistelligen Millionenbereich rechtswidrige Rücklagen horten“, macht Boeddinghaus zugleich deutlich. Negativ falle dabei auf, dass etliche IHKn mittlerweile bei den Jahresabschlüssen dazu übergegangen seien, auf der Passivseite nur noch aggregiert ein „Sonstiges Eigenkapital“ auszuweisen wird, um die rechtswidrige Vermögens- und Rücklagenbildung zu verschleiern.

Trotz dieser generell erfreulichen Entwicklung praktizierten unverändert etliche IHKn eine unzulässige Vermögensbildung und erhöben unverändert überhöhte Beiträge. Hunderte solcher Verfahren betreue der bffk, wie Lasinski in seinem Vorwort zum Kammerbericht feststellt. Dies sei ein Beleg, „dass es viele engagierte und mutige Menschen sowie Unternehmen gibt, die eine rechtswidrige Beitragsveranlagung nicht klaglos hinzunehmen bereit sind. Die Skrupellosigkeit vieler IHKn, selbst für Beitragsjahre, in denen sie rechtskräftig verurteilt wurden, weiterhin rückwirkende Beitragsbescheide an unwissende IHK-Mitglieder zu verschicken, ist beispiellos“, echauffiert sich Lasinski berechtigterweise. Warum dies nicht die Rechtsaufsicht gegenüber den Kammern auf den Plan ruft, können wir uns seit Jahren nicht erklären. Oder anders formuliert: Unsere Vermutung, woran es liegen könnte, können wir nicht beweisen.

Den vollständigen 16-seitigen Kammerbericht 2022 können Sie bei Interesse hier downloaden


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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