Dienstag, 21. März 2023

OVG Münster erklärt Rückforderungsbescheide der Corona-Soforthilfen durch NRW für rechtswidrig

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Erst letzte Woche hatte die nordrhein-westfälische Landesregierung in einem Kabinettsbeschluss zwar einerseits die Frist zur Rückzahlung zu Unrecht erhaltene Corona-Soforthilfen bis Ende November verlängert, zugleich aber darauf bestanden, an bestandkräftigen Bescheiden zur Rückforderung festzuhalten. Wir hatten dies als „unerfreulichen Akt“ bezeichnet, weil es Urteile dreier Verwaltungsgerichte in NRW gibt (Düsseldorf, Gelsenkirchen und Köln), die das Vorgehen als rechtswidrig bezeichnet haben. Freitag vergangener Woche hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster (OVG Münster) drei entsprechende Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf bestätigt.

In der Pressemitteilung des Gerichts dazu heißt es, das Land habe sich bei der Rückforderung „nicht an die bindenden Vorgaben aus den Bewilligungsbescheiden gehalten, wonach die Mittel ausschließlich dazu dienten, eine finanzielle Notlage abzumildern, insbesondere Finanzierungsengpässe zu überbrücken“. Zugleich stellt das OVG fest, das Land dürfe neue Schlussbescheide erlassen und überzahlte Mittel zurückfordern, sofern Zuwendungsempfänger die Corona-Soforthilfen in dem dreimonatigen Bewilligungszeitraum im Frühjahr 2020 nicht oder nur teilweise zu diesen Zwecken benötigt hätten.

Das OVG Münster hat die vom Land eingelegte Berufung gegen die drei Urteile des Verwaltungsgerichts Düsseldorf jeweils zurückgewiesen. Die jeweiligen Schlussbescheide seien rechtswidrig, weil das Land „die Vorgaben der Bewilligungsbescheide nicht beachtet hat, die für die endgültige Festsetzung bindend sind“. Die Soforthilfe habe „ausschließlich zur Milderung pandemiebedingter finanzieller Notlagen, insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen“, gedient. Das später vom Land geforderte Rückmeldeverfahren findet in den Bewilligungsbescheiden keine Grundlage. Die vom Land von den Zuwendungsempfängern verlangten Angaben innerhalb des Rückmeldeverfahrens seien ungeeignet gewesen, „um die letztlich jeweils zu belassende Fördersumme unter Berücksichtigung der bindenden Festsetzungen der Bewilligungsbescheide zu bestimmen“.

Die Möglichkeit, die den Empfängern letztlich zustehende Soforthilfe in Form neu zu erlassender „Schlussbescheiden“ endgültig festzusetzen und die überzahlten Beträge zurückzufordern, begründet das OVG damit, trotz missverständlicher Formulierungen in den Bewilligungsbescheiden habe die Bewilligung „angesichts der noch unbekannten Entwicklung und Dauer der pandemiebedingten Beschränkungen der Wirtschaft von Anfang an noch klar erkennbar zumindest unter dem Vorbehalt, ob und in welchem Umfang die bewilligten Finanzmittel für den ausschließlichen Zuwendungszweck benötigt würden“, gestanden. Objektiven Empfängern der Bewilligungsbescheide habe sich aufdrängen müssen, „dass die Soforthilfe vollumfänglich nur zur Kompensation der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe genutzt werden durfte“.

Umfang und Zweck der Soforthilfe, so das OVG Münster, seien in Teilen unklar geblieben. Zweifel gingen zulasten des Landes. Von einem Liquiditätsengpass in Gestalt vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten hätten die Zuwendungsempfänger jedenfalls ausgehen können, „sobald sie bis zum Ablauf bestehender Zahlungsfristen neben den verbliebenen laufenden Überschüssen keine ausreichenden eigenen Einnahmen – auch nicht aus weiterhin möglichen und tatsächlich abgeschlossenen Kompensationsgeschäften – hätten erzielen können, um Zahlungsverpflichtungen ohne Rückgriff auf Rücklagen im Rahmen des Cashflow auch ohne staatliche Fördermittel noch rechtzeitig ausgleichen zu können“.

Sofern das Existenzminimum des Selbstständigen nicht durch Sozialleistungen abgedeckt worden war, hätten bis zum 1. April 2020, 13:30 Uhr, bewilligte Mittel auch dann eingesetzt werden dürfen, „wenn die Umsätze des geförderten Betriebs nicht einmal mehr ausreichten, um dieses Existenzminimum finanzieren zu können“. Für spätere Bewilligungen sei klargestellt worden, „dass der Lebensunterhalt einschließlich der Bedarfe für Ernährung, Kleidung, Hausrat etc. sowie der Kosten für Unterkunft und Heizung nicht durch die Soforthilfe, sondern durch Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II abgesichert werden sollte“.

Aufgrund dieser Entscheidung sollte das Land seine rein formale Haltung aufgeben, bestandskräftige Bescheide einfach bestehen zu lassen. Das OVG hat dem Land den Weg geöffnet, neue Bescheide zu erlassen, die zu korrekten Rückforderungsbescheiden führen. Zugegeben, dies wird das Land Geld kosten. Aber alles andere muss auf die Empfänger der Soforthilfe wie Hohn wirken. Das kann nicht im Interesse des Landes sein.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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