Freitag, 01. April 2022

Die Herausforderung der Grünen durch die Wirklichkeit

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Die von Bundeskanzler Olaf Scholz bekannte und danach viel zitierte „Zeitenwende“ fordert vielen vieles ab. Politisch gilt dies in besonderer Weise für Bündnis 90/Die Grünen. Deren Kernthemen, Energiewende, Klimaschutz und Pazifismus, durchleben schwere Zeiten. Dass die Partei jetzt als Vertreter der Ampelregierung wesentliche Teile dieser Programmatik im Sinne der Basis praktisch ‘verkauft’, würde bei anderen Parteien wahrscheinlich für mehr Aufruhr sorgen als es bei den Grünen der Fall ist. Bezeichnend dafür war die Positionierung, die Mona Neubaur, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in NRW und dortige Spitzenkandidatin der Partei für die Landtagswahl am 15. Mai, beim virtuellen Dialog mit dem nordrhein-westfälischen Handwerk bei der Veranstaltungsreihe ‘Handwerk um Zwölf’ vornahm.

So erklärte sie beispielsweise, die Grünen in NRW, die aus ökologischen Gründen strikt gegen Flüssiggas zur Stromerzeugung seien, hielten es dennoch für richtig, sich aktuell verstärkt um Flüssiggas-Lieferanten zu kümmern, um damit die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu minimieren. Gleiches gelte für die voraussichtliche Verlängerung der Laufzeiten der Kohlekraftwerke (statt sie wie eigentlich geplant übergangsweise durch moderne Gaskraftwerke zu ersetzen) oder das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Stärkung der Bundeswehr. Dies seien „schmerzhafte Erfahrungen“ für die Partei, die diskutiert, im Ergebnis aber akzeptiert würden. Dies liegt durchaus in der Tradition der Partei, die auch in der Vergangenheit schon häufiger eigene Positionen im Regierungshandeln über Bord geworfen hat. Man denke da nur an die Beteiligung Deutschlands am Kosovokrieg, die Joschka Fischer auf dem legendären Parteitag in Bielefeld 1999 eine Farbbeutel-Attacke einbrachte.

Insoweit unterschieden sich die Grünen damit auch nicht von der FDP, der immer vorgehalten wird, die eigenen Positionen und Wähler zu verraten, nur um an die Macht zu kommen oder dort zu bleiben. Fairerweise sollte dann aber auch gesagt werden, dass dies im Grundsatz auf alle Parteien zutrifft, denn letztlich ist es Ziel der Politik, Regierungsmacht zu erreichen. Ansonsten bliebe immer jede Theorie grau. Die Frage ist wohl eher, wie weit die Aufgabe eigener Grundsätze gehen kann und darf, ohne sich quasi selbst zu verleugnen. Man darf den Grünen dabei durchaus zugutehalten, dass sie da möglicherweise bereit sind, weiter zu gehen als andere. Insofern ist auch nicht verwunderlich, dass viele Grüne-Spitzenvertreter große Sympathie für Angela Merkel empfanden, die eherne Grundsätze der CDU mit leichter Hand hinwegfegte. Für Merkel war das Realpolitik, die letztlich in ihrer kuriosen Aussage gipfelte, die CDU sei eine Partei, der sie nahestehe.

Kommen wir noch einmal zurück zu den Positionen, die Neubaur als Ziele einer Grünen-Regierungsbeteiligung in NRW gegenüber dem Handwerk erwähnte. Kernpunkt ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Dafür sollen beispielsweise auch unterschiedlich rechtliche Anforderungen in unterschiedlichen Erlassen vereinheitlicht werden, um Klagemöglichkeiten gegen Windräder einzuschränken. Es dürfe nicht mehr fünf, sondern maximal drei Jahre dauern, bis ein Windrad geplant und errichtet werde. Um die Energiewende zu stemmen (Stichworte Photovoltaik und Wärmepumpe) bedarf es aber nicht nur Geld, sondern auch Manpower, sprich Handwerker, die dies praktisch umsetzen. Und die fehlen, nicht nur in NRW! Die Grünen wollen daher durch unterschiedlichste Maßnahmen die Akzeptanz der beruflichen Ausbildung verbessern. Ziel müsse sein, die berufliche der akademischen Ausbildung gesellschaftlich geleichzustellen. Neubaur kann da aus eigener Erfahrung reden. Als in Bayern geborene Tochter eines Schmiedemeisters hat sie in Düsseldorf Pädagogik, Psychologie und Soziologie studiert und dort ihren Abschluss gemacht.

Nicht fehlen durfte der Hinweis auf Maßnahmen zur Entbürokratisierung. Da können wir den Grünen allerdings nicht den Hinweis ersparen, dass sie in der Vergangenheit selbst vielfach zu bürokratischen Regelungen beigetragen haben. Wie glaubwürdig daher ein Entbürokratisierungsvorstoß ist, bleibt dem jeweiligen Betrachter überlassen. Jedenfalls bedarf es nicht nur einer wirklichen (und nicht nur angekündigten) Entbürokratisierung, sondern auch einer umfangreichen Digitalisierung. Während nämlich derzeit ukrainische Schulkinder von der Ukraine aus digital in halb Europa beschult werden, während das Land sich im Krieg befindet (!), braucht beispielsweise die Stadt Köln acht Wochen, um eine Geburtsurkunde auszustellen. Und bei der Stadt Düsseldorf, kann ein Parkausweis nicht digital geändert werden, sondern bedarf der persönlichen Vorsprache, worauf der Satiriker Dieter Nuhr genüsslich hingewiesen hat. Nur zur Klarstellung: Beides haben nicht die Grünen zu vertreten, bleibt aber dennoch ein Armutszeugnis!

 


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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