Mittwoch, 21. April 2021

BRH rügt BMWi erneut wegen mangelhaften Managements der Energiewende

Blogeintrag | Kommentare (0)

Als Journalist verzweifelt man gelegentlich daran, dass selbst mehrfach vorgetragene Kritik an Sachverhalten von denjenigen, die Abhilfe schaffen könnten, ignoriert wird. Dann hilft nur die Erkenntnis, selbst keine Entscheidungsbefugnis über die Dinge zu haben, die man aufgrund eigener Recherchen kritisiert. Trost spendet da gelegentlich die Tatsache, dass selbst Bundesbehörden mit ihrer Kritik bei manchen Politikern gegen Wände laufen. Einen solchen Fall hat gerade der Bundesrechnungshof (BRH) publik gemacht. Sein Präsident, Kay Scheller, hat anlässlich der Vorlage des Berichts zur Umsetzung der Energiewende im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit bei Elektrizität an den Deutschen Bundestag festgestellt: „Seit unserer letzten Bilanz in 2018 hat sich zu wenig getan, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten. Das ist ernüchternd. Die Bundesregierung steuert den Transformationsprozess weiterhin unzureichend. Das gefährdet eine sichere und bezahlbare Stromversorgung. Mehr noch: Die Energiewende droht Privathaushalte und Unternehmen finanziell zu überfordern.“

Bereits die Bilanz aus dem September 2018 des BRH fiel erschütternd aus. Damals freute sich Scheller im Redaktionsgespräch mit 'markt intern' noch über eine enorme Resonanz auf die Kritik „von Bürgern, aus der Politik und auch von vielen Universitäten“. Er fügte hinzu: „Jetzt haben die Abgeordneten des Bundestages Gelegenheit, mit unseren Erkenntnissen zu arbeiten, Debatten zu führen und der Bundesregierung Fragen zu stellen. Das kann die Öffentlichkeit übrigens auch. Dass Sie da so wachsam sind, freut mich sehr“ (vgl. Mi 25/18). Uns hatte dieses Lob gefreut, allerdings waren wir sehr pessimistisch, was der Bericht von 2018 oder unsere Kritik bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bewirken werde. Anlass für die aktuell erneute Prüfung des BRH waren die aus seiner Sicht „bedeutenden Entwicklungen, die sich auf das Angebot und die Nachfrage von Elektrizität auswirken“. Konkret nennt der BRH das im Oktober 2019 beschlos­sene Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung und die ­Gesetze zur Beendigung der Kohleverstromung vom August 2020. Was also stellt der BRH zum Management der Energiewende gut zwei Jahre später fest? Hat die Kritik gefruchtet?

„Die Bezahlbarkeit ist noch immer nicht messbar bestimmt; die Versorgungssicherheit lückenhaft erfasst. Ob Bürger und Wirtschaft künftig verlässlich mit Strom versorgt werden, unterliegt Risiken, die die Bundesregierung nicht vollständig im Blick hat. Bedenklich stimmen mich die hohen Strompreise für Privathaushalte und für kleinere und mittlere Unternehmen. Das setzt die Akzeptanz des Generationenprojektes aufs Spiel. Und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Hier besteht Handlungsbedarf: Wir schlagen vor, das System der staatlichen Umlagen und Entgelte grundlegend zu reformieren“, lautet Schellers Kritik heute. Konkret lauten die Vorwürfe im Bericht selbst:

Es sei Aufgabe des BMWi, die sichere Versorgung mit Strom anhand von Indikatoren und Schwellenwerten zu messen und zu bewerten. Sein Monitoring sei aber lückenhaft: Aspekte zur Versorgungszuverlässigkeit und Systemsicherheit wie Netzausbau und Speicher, Netzwartung, Netzstabilität oder Versorgungsausfälle decke es nicht oder nur unzureichend durch Indikatoren ab. Zahlreiche andere Aspekte wirkten sich erheblich auf die zukünftige Versorgung mit Strom aus. Das Monitoring müsse daher auch Szenarien untersuchen, die aktuelle Entwicklungen und bestehende Risiken zuverlässig und realistisch erfassen und abbilden, konkret:

„• So hat die Bundesregierung den geplanten Kohleausstieg bislang nicht richtig berücksichtigt. Das hinterlässt eine Kapazitätslücke von bis zu 4,5 Gigawatt – die Leistung von vier großen konventionellen Kraftwerken • Gleichzeitig verursachen die neuen Pläne zur Wasserstoffgewinnung einen erheblichen Strommehrbedarf. Dieser muss gedeckt werden • Außerdem haben der stockende Netzausbau und eingeschränkte grenz­überschreitende Austauschkapazitäten Einfluss auf eine ­sichere Versorgung • Zudem muss das BMWi für seine Berechnungen auch Jahre mit extremem Klima berücksichtigen, in denen Wind und Sonne erheblich weniger Strom erzeugen.“

Doch damit nicht genug. Dem Bericht ist auch zu entnehmen, das BMWi habe in seiner Bewertung kein 'Worst-Case'-­Szenario untersucht. Ein solcher Stresstest, in dem mehrere Risikofaktoren zusammentreffen, ist nach Ansicht des BRH unbedingt notwendig für eine realistische Erfassung und Bewertung der Versorgungssicherheit. „Das BMWi beugt diesen realen Gefahren für eine sichere Stromversorgung nicht wirksam vor“, kritisiert Scheller. „Es muss sein Monitoring dringend vervollständigen.“ Müsste es, wird es unter diesem Wirtschaftminister aber nicht mehr tun. Schließlich rügt der BRH, die staatlich geregelten Preisbestandteile mit Umlagen, Steuern und Netzentgelten machten bereits 75 Prozent der Strompreise aus und trügen daher wesentlich zu dem hohen Preisniveau bei, vor allem durch die EEG-Umlage.

Als Konsequenz lägen die Preise für private Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland europaweit an der Spitze. Dieser Trend werde sich weiter verstärken: „Wasserstoffstrategie und Einbeziehung von Verkehr (z. B. Förderung der Elektromobilität) und Wärme (wie der Ersatz von Öl und Gasheizungen durch »klimafreundliche Anlagen« oder »erneuerbare Wärme«) in die Energiewende generieren zusätzliche Nachfrage nach Strom. Auch die Kosten für den weiteren Netzausbau und den Ausbau erneuerbarer Energien werden auf den Strompreis noch aufgeschlagen. Beides treibt den Strompreis absehbar weiter in die Höhe.“ Letztlich mangelt es hier an einer Grundvoraussetzung, denn das BMWi, so der BRH, habe „nach wie vor nicht bestimmt, was es unter einer preisgünstigen und effizienten Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität versteht. So gibt es keine Zielwerte, die festlegen, bis zu welchem Niveau Strom als preisgünstig gilt.“

Schellers Fazit ist erneut ein Armutszeugnis für Altmaier: „Unsere Prüfungsergebnisse zeigen deutlich: Mit Blick auf die gesetzlichen Ziele einer sicheren und preisgünstigen Versorgung mit Strom steuert das BMWi die Energiewende weiterhin unzureichend. Das gefährdet den Erfolg der an sich notwendigen Energiewende.“


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

Zurück zum Blog

Kommentare

Kommentare sind für diesen Beitrag deaktiviert.