Mittwoch, 23. Juni 2021

Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2022 sieht 99,7 Milliarden neue Schulden vor – Welchen Kassensturz braucht Markus Söder noch nach der Bundestagswahl?

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Dr. Markus Söder hatte bei der Vorstellung des Wahlprogramms der Union angekündigt, man werde nach der Bundestagswahl einen Kassensturz machen, um entscheiden zu können, welche Vorhaben des Wahlprogramms finanziert werden könnten. Mit der Vorlage des heute vom Kabinett, nicht vom Bundesfinanzminister, beschlossenen Entwurfs des Bundeshaushalts 2022 ist klar: Um zu erkennen, dass die Vorhaben der Union nicht finanzierbar sind, braucht es keinen Kassensturz nach der Wahl.

Am 24. März 2020 hatte die Bundesregierung als Eckwerte für den Haushalt 2022 eine Nettokreditaufnahme von 81,5 Milliarden Euro beschlossen (bei Ausgaben von 419,8 Milliarden Euro). Fünfzehn Monate später stehen plötzlich Ausgaben von 443,0 Milliarden Euro im Entwurf und eine Nettokreditaufnahme von 99,7 Milliarden Euro. Die Ausgaben steigen also schon ohne die Spendierhosen der Union um 5,5 Prozent, die Schuldenaufnahme legt dagegen bereits um 22,3 Prozent zu. Und dabei sind in dem jetzigen Plan schon höhere Steuereinnahmen berücksichtigt. Im 2020 beschlossenen Haushaltsentwurf waren für 2022 Steuereinnahmen von 308,2 Milliarden Euro angesetzt. Im jetzt beschlossenen Entwurf stehen 315,2 Milliarden Euro.

Doch wie erklärt die Bundesregierung die stark ansteigende Neuverschuldung gegenüber dem Planansatz des vergangenen Jahres? Klar, „weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise“. So weit, so erwartbar. Es gibt aber auch andere Baustellen, die Sozialversicherungen etwa. Zwar haben sowohl Bundesfinanzminister Olaf Scholz wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier die Rentenreformpläne des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie abgelehnt, aber die Realität lässt sich halt nicht ablehnen. Und deshalb erklärt die Bundesregierung, es brauche mehr Mittel zur „Stabilisierung der Beiträge zu den durch die Corona-Pandemie erheblich belasteten Sozialversicherungen“. Doch die Sozialversicherungen werden nicht nur durch Corona belastet, sondern auch durch politische ‘Rentengeschenke’. Und dennoch möchte die CSU die Mütterrente ausbauen! Die Bundesregierung erklärt dagegen recht nüchtern: „Im Jahr 2020 waren die Ausgaben der Allgemeinen Rentenversicherung höher als die Einnahmen. Dadurch verringerte sich die Nachhaltigkeitsrücklage um rund 3,4 Milliarden Euro und betrug am Jahresende 2020 rund 37,1 Milliarden Euro.“

Es gibt noch einen weiteren Kostenfaktor, der die kommenden Haushalte massiv belasten wird. Mit den Worten der Bundesregierung: „Neben wieder gestiegenen Zinsen führt auch die pandemiebedingt stark erhöhte Kreditaufnahme des Bundes zu höheren Zinsausgabenbelastungen des Bundes in den kommenden Jahren.“ Womit die Katze aus dem Sack wäre. Denn die aktuelle Projektion geht auch von einem mittel- bis langfristigen  Anstieg der Zinssätze aus. Jeder kann sich ausrechen, was aus den massiv steigenden Zinsbelastungen wird, wenn der kommende Bundesfinanzminister nicht mehr mit der Schuldenaufnahme Geld verdient, sondern Zinsen dafür zahlen muss. Wörtlich heißt es in den Erläuterungen der Bundesregierung zur Finanzplanung:

„Die Zinsausgaben sind im vorliegenden Regierungsentwurf mit knapp 14 Mrd. € veranschlagt und damit fast doppelt so hoch wie das Ist des Jahres 2020 (+7,5 Mrd. €). Im Finanzplanungszeitraum ist mit einem weiteren moderaten Anstieg der Zinsausgaben zu rechnen. Der Zinsausgabenanstieg zeigt sich auch deutlich im Vergleich der kumulierten Zinsausgaben der laufenden Legislaturperiode (2018 bis 2021) und der kommenden (2022 bis 2025). Die Zinsausgaben des Bundes steigen in dieser Abgrenzung von rund 45,5 Mrd. € auf voraussichtlich rund 59 Mrd. €.“ Nur steht diese Rechnung unter dem Vorbehalt, dass sich die Zinssätze tatsächlich nur marginal (wie von der Bundesregierung projiziert) und nicht etwa stärker nach oben bewegen.

Doch wäre diese Regierung nicht diese Regierung, würde sie nicht zugleich auch wieder finanzpolitischen Optimismus verströmen: Derzeit ist vorgesehen, dass die reguläre Anwendung der Defizit- und Schuldenregeln ab dem Jahr 2023 wieder einsetzen soll. Parallel dazu wird auch der Bund ab dem Jahr 2023 die Regelgrenze für die Kreditaufnahme nach der Schuldenregel wieder einhalten. Das ist – wie bereits in den Eckwerten für die Finanzplanung bis 2025 aufgezeigt – nur unter der Maßgabe eines finanzpolitischen Handlungsbedarfs darstellbar. Dieser beträgt im neuen Finanzplan rund 6,2 Mrd. € im Jahr 2025 und konnte damit mittlerweile bereits deutlich unter den in den Eckwerten ausgewiesenen Handlungsbedarf in Höhe von insgesamt 20,1 Mrd. € gesenkt werden. Gut, insoweit warten wir dann doch noch mal auf den angekündigten Kassensturz der Union nach der Bundestagswahl. Wir wetten, diese Projektion wird dann schnell eingesackt.

Und speziell für Markus Söder und seinen Bayernplan sei noch folgender Hinweis der Bundesregierung gestattet: Ab 2023 schlagen „zum ersten Mal die Tilgungsverpflichtungen zu Buche“, die sich aus der „Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung für außergewöhnliche Notsituationen im Jahr 2020“ ergeben. Sie betragen zwei Milliarden jährlich bis 2042. Es kommen  allerdings weitere hinzu, weil leider die Schuldenbremse auch 2022 nicht eingehalten wird. Wozu das führt, erläutert die Bundesregierung so: „Die Tilgungsverpflichtungen steigen ab dem Jahr 2026 auf voraussichtlich insgesamt rund 20,5 Mrd. € an. Dann treten die Tilgungsverpflichtungen aus den im laufenden Haushaltsjahr aufgenommenen übermäßigen Krediten und aus der für das Haushaltsjahr 2022 erforderlichen überschießenden Kreditaufnahme hinzu. Die endgültige Höhe der Tilgungsverpflichtungen wird nach Abschluss des jeweiligen Haushaltsjahres auf der Basis einer Ist-Abrechnung ermittelt.“

Zum Abschluss nur noch eine Bemerkung: Das Maastricht-Kriterium, wonach die Schulden höchsten 60 Prozent des BIP betragen sollen, hat Deutschland 2019 erstmals seit 2002 eingehalten (59,7 %). Damit ist es jetzt wieder vorbei. Für 2022 erwartet die Bundesregierung 74,5 %. Bis 2025 soll der Wert auf 69,25 % sinken.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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