Mittwoch, 09. Juni 2021

Altmaier wischt Rentenreformpläne via Twitter vom Tisch

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Gestern hatten wir über die Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWiberichtet. Dabei hatten wir schon vorausgesagt, die Vorschläge, deren finanzielle Sinnhaftigkeit ernsthaft kaum bestritten werden kann, würden politisch wenig Zuspruch finden. Und das, obwohl an anderer Stelle derzeit von genau jenen Kritikern der Vorschläge des Beirats gefordert wird, den Stimmen der Wissenschaft zu folgen. Aber es kommt halt immer darauf an, ob einem die Vorschläge der Wissenschaft gefallen.

Insofern kann es nicht überraschen, dass sich die üblichen Verdächtigen speziell auf den Vorschlag der Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 68 Jahre im Jahr 2042 (!) sofort eingeschossen haben. Die weiteren, mindestens ebenso wichtigen, wenn nicht sogar wichtigeren Vorschläge, wurden dagegen kaum thematisiert. Dass die neue Parteivorsitzende der LinkenSusanne Henning-Wellsow, die Vorschläge insgesamt als „asozialen Oberhammer“ bezeichnet hat, war ebenso zu erwarten wie völlig sinnfrei. Asozial ist allenfalls der Kommentar. Und das die kleinste Volkspartei Deutschlands, die SPD, in Person ihres Bundesarbeitsministers Hubertus Heil ebenso flott mit der Aussage zur Stelle war, er halte eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters „für den falschen Weg“, kann auch nicht wirklich überraschen. Falsch bleibt es trotzdem.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, nach eigener Meinung der befähigtste Kandidat im Rennen, spricht dem Beirat mal eben komplett seine Kompetenz ab: „Das ist nicht nur falsch gerechnet. Das ist auch unsozial, was dort vorgeschlagen wird.“ Dieses Votum erzürnt wiederum Prof. Dr. Lars Feld, der gegenüber der Rheinischen Post erklärt: „Diese Sachlage wurde wiederholt von den Wissenschaftlichen Beiräten beim Bundeswirtschafts- und -finanzministerium sowie vom Sachverständigenrat herausgestellt. Den wichtigsten unabhängigen wirtschaftspolitischen Beratungsgremien in Deutschland Sachkenntnis und Expertise absprechen zu wollen, ist hanebüchen, wissenschaftsfeindlich und nur durch Klientelpolitik zu verstehen.“

Die FDP wehrt sich zwar auch gegen eine feste Rente mit 68, hält eine finanziell wirksame Reform aber für zwingend notwendig. Johannes Vogel, stellvertretender Vorsitzender der FDP, erklärt gegenüber ‘mi’: "Die Rente mit 68 für alle ist der falsche Weg, denn wir brauchen keine neuen starren Grenzen, sondern endlich ein flexibles Renteneintrittsalter. Das Finanzierungsloch bei der Rente, das die Wissenschaftler feststellen, kann man aber auch nicht ignorieren oder wegdiskutieren. Wenn Union und SPD jetzt die Wissenschaft kritisieren, ist das ziemlich dreist, weil sie selbst eben nichts für stabile Rentenfundamente getan haben. Das ist so, als wenn jemand beim Erdbeben auf Geologen schimpfen würde. Was wir stattdessen brauchen, sind neue Lösungen und ein Denken in Jahrzehnten. Ein echter Schritt nach vorne in Richtung Demographiefestigkeit ist unser Konzept der Gesetzlichen Aktienrente nach schwedischem Vorbild. Wir sollten die langfristigen Chancen am Kapitalmarkt auch für unsere Altersvorsorge nutzen."

Politisch am ärgerlichsten ist aber, dass ausgerechnet die fleischgewordene Perspektivlosigkeit der Merkel-Regierung, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, diesen Plänen via Twitter eine Abfuhr erteilte. „Dabei (der Rente mit 67, Anm. d. Red.) sollte es bleiben, das ist seit Jahren meine Meinung“, ließ er wissen. Das ist mehr als ärgerlich. Denn erstens muss Altmaier klar sein, dass damit auch alle anderen Vorschläge des Beirats, die selbst er wahrscheinlich in Teilen für sinnvoll erachtet, von ihm ebenfalls vom Tisch gewischt wurden. Und zweitens hat er damit der Union insgesamt einen Bärendienst erwiesen, auch wenn die Populismusfraktion aus München, diesmal in Form des Vorsitzenden der CSU-Bundestagsgruppe, Alexander Dobrindt, sofort ins gleiche Horn gestoßen hat.

Wie soll Kanzlerkandidat Armin Laschet glaubwürdig mit Wirtschaftskompetenz der Union im Wahlkampf werben, wenn der eigenen Bundeswirtschaftsminister davon wenig erkennen lässt?


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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