Mittwoch, 17. April 2024

Staatsfinanzen in der Kritik: Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung alarmiert

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Mitte März berichteten wir über die massive Kritik des Bayerischen Obersten Rechnungshofes (ORH) am Umgang der bayerischen Staatsregierung mit dem Abbau der Corona-Schulden. Der ORH stört sich vor allem daran, dass die Staatsregierung die Rückzahlung der coronabedingten Schulden zeitlich nach hinten verschoben hat. Ein nahezu identisches Diktum hat der Präsident des Bundesrechnungshofes (BRH), Kay Scheller, als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) anlässlich der Veröffentlichung einer Stellungnahme zur Aufstellung des Bundeshaushalts 2025 und der Finanzplanung bis 2028 gestern abgegeben.

Verglichen mit den finanziellen Herausforderungen des Bundes sind die bayerischen Aufgaben allerdings Peanuts. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit nennen wir hier nur einmal die prägnantesten Herausforderungen aus Sicht Schellers (den vollständigen Bericht finden Sie hier): • Die künftige Finanzierung der militärischen Verteidigungsfähigkeit Deutschlands über das Sondervermögen Bundeswehr hinaus ist unsicher • Die Finanzierung des klimaneutralen Umbaus von Gesellschaft und Wirtschaft ist nach Wegfall der in den Klima- und Transformationsfonds übertragenen 60 Milliarden Euro unklarer denn je • Langfristige Tragfähigkeitskonzepte für die Sozialversicherungen fehlen weiterhin, insbesondere mit Blick auf die demografische Entwicklung • Der Anteil der fest gebundenen Ausgaben des Bundeshaushalts liegt weiter bei 90 Prozent, wobei die verbleibenden 10 Prozent Gefahr laufen, durch steigende Zinsausgaben weiter zu schrumpfen • Es gibt keinen Risikopuffer, keinerlei Spielräume, um auf unerwartete größere Problemstellungen fiskalisch reagieren zu können.

Angesichts des Befundes ist Schellers Forderung nach einem längst überfälligen „Konzept zur Lösung der seit Jahren verschleppten strukturellen Probleme“ mehr als verständlich. Ebenso sicher ist allerdings, dass die Ampel dies in der laufenden Legislatur nicht mehr liefern wird. Dafür fehlt ihr schlicht die gemeinsame Überzeugung und politische Kraft. Auch Schellers Appell, statt der üblichen dreijährigen Finanzplanung eine mindestens fünf bis zehnjährige Perspektive für die wichtigsten Zukunftsbereiche  – Verteidigung, Klimaschutz und Sozialversicherung – zu erstellen, wird ein Wunschtraum bleiben.

Für die Union, die spätestens im kommenden Jahr die Bundesregierung stellen will, hier noch ein paar Hinweise, was dann auf sie zukommt. 2028 bezeichnet Scheller als „Schlüsseljahr“, denn dann • werden die Tilgungsverpflichtungen aus den Corona- Notlagenkrediten mit rund 9,2 Milliarden Euro jährlich fällig - für die folgenden 30 Jahre • wird das Sondervermögen Bundeswehr voraussichtlich ausgeschöpft sein. Das politisch zugesagte NATO-2-Prozent-Ziel muss dann vollständig aus dem Bundeshaushalt bestritten werden. Dort ist ein Anstieg auf bis zu 85 Milliarden Euro in 2028 (von geplanten 52 Milliarden Euro in 2027) vorgesehen • beginnt die grundsätzliche Verpflichtung zur Rückzahlung der für das Sondervermögen Bundeswehr aufgenommenen Kredite und die Rückzahlung der von der EU für die Finanzierung des EU-Wiederaufbaufonds aufgenommenen Kredite. Man weiß gar nicht, wem man die Lösung dieser Herausforderung zutrauen will und kann.

Erwartbar ist daher, dass die nächste Bundesregierung, wer immer sie stellt, auch an der Schuldenaufnahme drehen wird. Mindestens dürfte die Reform der Schuldenbremse dann ganz oben auf der Agenda stehen. Denn dies ist auf jeden Fall die bequemere Lösung, auch wenn sie aus Sicht des BWV der falsche Weg wäre. Das Ausweichen in immer mehr Schulden sei „keine geeignete Option zur Lösung der immer drängenderen und kumulierenden Probleme“, warnt Scheller. Denn der Schuldenstand des Bundes habe seinen konkreten Preis in Form von Zinszahlungen. Schulden lösten nur scheinbar Probleme, sie schafften neue. Je höher der Schuldensockel wachse, „je mehr erhöht sich das Risiko steigender Zinsausgaben“. Die für das Jahr 2024 eingeplanten Zinsausgaben betrügen 37,4 Milliarden Euro – die im Bundeshaushalt ausgewiesene Nettokreditaufnahme im Jahr 2024 beträgt 39 Milliarden Euro. „Damit“, schlussfolgert Scheller, „werden die aufgenommenen Kredite rechnerisch fast vollständig für Zinszahlungen benötigt und stehen nicht für andere Zwecke zur Verfügung“.

Ob Scheller, wäre er selbst Bundeskanzler, sein eigenes Konzept umsetzen könnte und würde, sei einmal dahingestellt. Wie es aussähe, hat er grob so umrissen: „• Die Bundesregierung muss sich der sich zuspitzenden Lage der Bundesfinanzen stellen. Sie darf nicht länger in verfassungsrechtliche Risiken und Fluchten ausweichen • Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen ihren Beitrag an Belastungen und Zumutungen leisten. Die Betroffenen müssen zudem die Möglichkeit haben, sich rechtzeitig auf Veränderungen einzustellen • Das Ziel der Konsolidierung muss sein, dass Deutschland wieder zukunftsfähig ist. Hierzu sollten Indikatoren benannt werden, an denen der Erfolg der Maßnahmen erkennbar ist.“

Vor diesem Hintergrund sollte Friedrich Merz vielleicht doch Dr. Markus Söder den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur der Union lassen. Der nach eigener Einschätzung einzige theoretische Kandidat der CSU, der Kanzler kann, übt in Bayern ja schon einmal, wie man mit finanziellen Herausforderungen umgeht.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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