Dienstag, 26. März 2024

bffk-Kammerbericht 2023 offenbart hartnäckige Transparenzverweigerung vieler IHKn

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Zum zwölften Mal hat der 1996 gegründete Bundesverband für freie Kammern (bffk) seinen jährlichen Kammerbericht vorgelegt. Dem eigentlichen Ziel des Verbands, der Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern, ist der bffk seitdem zwar nicht näher gekommen, wohl aber konkreten monetären Verbesserungen seiner Mitglieder. Dabei ist die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft kein Selbstzweck, sondern aus Sicht des bffk Grundvoraussetzung, „um über Jahrzehnte verkrustete Strukturen von Misswirtschaft und Bürokratie zu überwinden und die Kammern wieder zu dem zu machen, was sie sein sollen und können: dienstleistungsorientierte Serviceunternehmen ihrer jeweiligen Berufsrichtungen bzw. in Handwerk, Industrie und Handel“.

In ihrem Vorwort zum Kammerbericht 2023 legt Janine Wissler, Mitglied des Bundestages und Bundesvorsitzende der Partei Die Linke, den Finger in eine weitere Wunde der Kammerorganisation: die Außenhandelskammern (AHK) des DIHK. Dort gibt es etliche dunkle Flecken, die gerade auch die Linke mit parlamentarischen Anfragen aufzuhellen versucht hat. Wissler nennt beispielhaft „Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug, geschützt durch deutsche Diplomatenpässe“. Weitere Einzelheiten zu erschreckenden Eskapaden der AHKn enthält der Kammerbericht (ab Seite 6). Als transparente und demokratische Selbstverwaltungsorgane könnten die Kammern ihren Beitrag in einer vielstimmigen demokratischen Gesellschaft leisten, betont Wissler. Dazu brauche es aber „eine Konzentration auf die Kernaufgaben, eine strikte und umfassende politische Neutralität, mehr Kostenbewusstsein, Transparenz und Demokratie sowie das Verbot der gewerblichen Konkurrenz zu den eigenen Mitgliedern“.

Frank Lasinski, Vorsitzender des bffk, weist in seinem Vorwort auf eine besonders bedrückende Erfahrung hin, die wir seit Jahren ebenfalls massiv kritisieren (s.dazu:  Mi 04/20, Mi 14/20 und Mi 17/20): den praktisch kompletten Ausfall der Rechtsaufsicht der Kammern. Außer vertröstenden Erklärungen, man sei mit den Kammern im Gespräch, konnten wir noch keine wirkliche Aktivität der Rechtsaufsicht beispielsweise zur weit verbreiteten rechtswidrigen Vermögensbildung in Kammern entdecken. Lasinski kommt daher zu dem ernüchternden Fazit: „Da die Rechtsaufsichten der Länder sich offensichtlich nicht für die Eindämmung von Rechtsüberschreitungen zuständig zu fühlen scheinen, bleibt nur der bffk als unabhängige Kontrollinstanz.“

Was dies in der konkreten Arbeit des bffk bedeutet, machen diese Zahlen deutlich, auf die der bffk-Präsident hinweist: „Über 600 Fristen und Schriftsätze wurden von der bffk-Geschäftsstelle im Jahr 2023 bearbeitet und erstellt. Die Erfolgsquote bei den Verfahren ist unverändert hoch. Dabei haben es wieder drei Klageverfahren, die eine rechtswidrige Vermögensbildung u. a. auf Grundlage manipulativ erscheinender (Über-)Schätzungen möglicher Risiken zum Gegenstand haben, zum Bundesverwaltungsgericht geschafft. Bislang hat das Leipziger Gericht in solchen Fällen in fünf Verfahren fünfmal gegen die Industrie- und Handelskammern geurteilt.“

Der Bericht selbst beleuchtet neben der Fortschreibung der Ergebnisse früherer Kammerberichte ein spezielles Feld der Intransparenz: die Vergütung der Mitarbeiter der Kammern. Im Zuge zahlreicher Anfragen nach den jeweiligen Transparenzgesetzen der Länder hat der bffk Informationen zum kammerinternen „Benchmarking“ erbeten, das inzwischen praktiziert wird. Doch die Organisation mauert auch hier. Die IHKn in Nordrhein-Westfalen und Thüringen hätten – bis auf eine Ausnahme – mit gleichlautenden Schreiben jedwede Beantwortung verweigert, teilt der Verband mit. Der Großteil der IHKn, die geantwortet hätten, so der bffk, „beschränkten dies auf eine knappe Übersichtstabelle. Einige andere haben ihre mehr als dürftigen Antworten mit einer deftigen Gebührenrechnung versehen.“ Wie so oft im richtigen Leben gibt es aber auch lobenswerte Beispiele. So hat der bffk von den IHKn in Berlin, Kiel und Wuppertal-Solingen-Remscheid informative Antworten erhalten. Kurios, die „IHK Magdeburg hat die Fragen einfach nicht beantwortet. Stattdessen kam von dort aber die höchste Gebührenrechnung“, so der bffk. Das beschämende Gesamtergebnis: Von 71 IHKn liegen dem bffk gerade einmal von sieben Antworten vor. Bei denen, die geantwortet haben, schwankt der Gehaltsdurchschnitt zwischen 55.408,80 Euro (IHK Kiel) und 69.360,40 Euro (IHK Wuppertal-Solingen-Remscheid).
 

Besonders aufschlussreich ist wie immer die Gegenüberstellung der Kennziffern ausgewählter IHKn zur Relation der Beitragshöhe. Manches mag individuell erklärbar sein, vieles deutet aber leider auf das Prinzip ‘Gutsherrenart’ hin. Wozu dies führt, lässt sich dann auch der Entwicklung der Pensionsrückstellungen entnehmen.

Ein ganz dunkles Kapitel bliebt die Intransparenz der berufsständischen Kammern, etwa der Steuerberaterkammern oder auch der Rechtsanwaltskammern. Unverändert verweigern rund 120 berufsständische Kammern dem bffk Auskünfte. Dagegen stehen 70 Kammern, die, so der bffk, unaufgeregt und transparent ihre Daten zur Veröffentlichung zur Verfügung stellen. Wir können uns leider nur wiederholen: Auch der Kammerbericht 2023 des bffk enthält zahlreiche Hinweise für dringend notwendige Reformen des Kammerwesens, die allerdings diejenigen, die die Reformen umsetzen könnten, wohlweislich wieder nicht zur Kenntnis nehmen werden.

Apropos: Passend zu dieser Thematik hat gerade heute der Kölner Stadtanzeiger (KStA) publik gemacht, dass der Deutsche Presserat vier umfangreiche Beschwerden der IHK Köln gegen den KStA wegen dessen Berichterstattung zum Streit der IHK Köln mit der IHK NRW weitgehend abgewiesen hat. Lediglich in zwei Punkten missbilligte der Presserat die Berichterstattung. Der kommissarische Chefredakteur des KStA, Christian Hümmeler, betont, es sei das gute Recht der IHK sich an den Presserat zu wenden. Die Stoßrichtung der Beschwerden lege aber den Verdacht nahe, „dass die Kammerführung eine kritische Berichterstattung im Kölner Stadt-Anzeiger, dessen Verlagshaus im Übrigen selbst pflichtmitglied der IHK ist, attackieren und den Presserat als Vehikel zur eigenen Profilierung und Selbstdarstellung nutzen wollte“.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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