Donnerstag, 02. März 2023

Kay Scheller warnt vor Kontrollverlust bei den Bundesfinanzen

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Der Präsident des Bundesrechnungshofes (BRH), Kay Scheller, hat in seiner Eigenschaft als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) anlässlich der Veröffentlichung seiner Stellungnahme zur Aufstellung des Bundeshaushalts für 2024 eindringlich vor der dramatisch hohen Verschuldung Deutschlands gewarnt. Fast 850 Milliarden Euro neuer Schulden kann allein der Bund aufgrund der Krisen der vergangenen drei Jahre in den vier Jahren von 2020 bis 2023 aufnehmen! Zum Vergleich: Von 1949 bis 2019 belief sich der Gesamtschuldenstand auf rund 1,3 Billionen Euro. Ebenso besorgniserregend: Die Rückzahlung der als „Sondervermögen“ getarnten Kreditermächtigungen außerhalb der Schuldenbremse müssen erst bis 2061 getilgt werde (begonnen werden soll damit 2028).

Diese lange Laufzeit birgt weiteren Sprengsatz. Denn aufgrund der veränderten Zinslandschaft muss der Bund 2023 bereits 40 Milliarden Euro für Zinsen zahlen, was einer Verzehnfachung gegenüber 2021 entspricht. Was dies konkret für die junge Generation bedeutet, macht Scheller an einem Beispiel klar: Ein heute dreizehnjähriges Kind, das im Jahr 2028 mit 18 Jahren in das Berufsleben eintritt, zahlt bis zu seinem 50. Lebensjahr mit seinen Steuern die Tilgung der in drei Jahren aufgenommenen Krisenkredite plus die darauf entfallenden Zinsen.

Die Schuldenlast des Bundes war 2021 doppelt so hoch wie die der Länder und Kommunen. Bei ungebremstem Fortgang der Entwicklung wird sich das dramatisch verstärken. Während der Bund Rekordschulden mache, würden die Länder in ihrer Gesamtheit in 2022 positive Haushalte haben und ihren Schuldenstand verringern können. Im Ergebnis finanziere der Bund mit seinen neuen Schulden die Konsolidierung der Länderhaushalte.

Dabei erodiert die Finanzierungsbasis des Bundeshaushalts durch dauerhaften Verzicht auf Steueranteile zugunsten von Ländern und Gemeinden ohnehin. Allein von 2011 bis 2023 sinke der Bundesanteil am Gesamtsteueraufkommen von 43,3 Prozent auf 39,3 Prozent. Hierdurch entgingen dem Bund von 2022 bis 2026 rund 202 Milliarden Euro, die stattdessen Ländern und Gemeinden zugutekämen. Der Bund habe seine Belastungsgrenze erreicht. „Jetzt“, so Scheller, „müssen sich die Länder solidarisch zeigen. Die Bund-Länder-Finanzbeziehungen müssen überprüft und neu geordnet werden.“ Die Schieflage müsse dringend korrigiert werden.

Angesichts dieser beängstigenden Befunde fordert Scheller, ● die Dynamik der Neuverschuldung zu stoppen, ● ein Reporting zu den steigenden Zinsausgaben einzuführen, ● die Belastung künftiger Generationen durch eine schnellere Tilgung der Krisenkredite zu reduzieren, ● in den Bund-Länder-Finanzbeziehungen eine Entlastung des Bundes durchzusetzen, ● die Entkernung des Bundeshaushalts durch die Flucht in Sondervermögen rückgängig zu machen ● die vom Bundesminister der Finanzen für die Haushaltspolitik angekündigte Zeitenwende umzusetzen sowie ● alle Einnahmen und Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen und neu zu priorisieren.

Scheller ist Realist genug, um zu wissen, dass diese Forderungen wenig Chancen haben, in der aktuellen politischen Lage umgesetzt zu werden. Aber deshalb sind sie ja nicht falsch! Das Problem einer soliden Finanzpolitik besteht darin, dass deren Notwendigkeit im Grundsatz überwiegend geteilt wird, diese Zustimmung aber schlagartig verschwindet, sobald es um konkrete Umsetzungen geht. Denn damit ist immer der Verlust liebgewordener Wohltaten für bestimmte Gruppen verbunden. Die jetzige Vorgehensweise wird aber ohne Änderungen des Kurses zwingend dazu führen, dass alle perspektivisch viel verlieren werden. Das kann eigentlich keiner ernsthaft wollen.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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