Mittwoch, 09. Juni 2021

NRW-Gesundheitsministerium: Kunden, die sich dem Schnelltest verweigern, müssen auf den Onlinehandel ausweichen

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Düsseldorf, 9.6.2021

Olaf Weber

Auch wenn die Inzidenzwerte weiter sinken und der entsprechende Imperativ nachlässt: Landauf wie -ab wird weiter in Deutschland getestet, auch wenn zweifach-Geimpfte mittlerweile davon zumeist ausgenommen wurden. Erforderlich sind üblicherweise Schnelltests, im Positivfall dann die unangenehme PCR-Methode. Tests sollen für letzte Sicherheit sorgen, während Kritiker einwenden, gerade durch die Ausweitung derselben seien insbesondere in den Schulen die Inzidenzzahlen in die Höhe geschnellt, mit den hinlänglich bekannten automatisierten Lockdown-Folgen aufgrund des kürzlich geänderten Infektionsschutzgesetzes.

Das Versprechen von Sicherheit vor einer Ansteckung, insbesondere vor der schrittweisen Aufhebung der unterschiedlichen Auflagenvarianten, schien aber viele Kunden und Gäste nicht wirklich anzusprechen. Entweder war das Vertrauen in die Aussagefähigkeit des Tests zu klein oder er trotz vereinfachter Anwendung zu lästig, möglicherweise die Angst vor den Folgen eines Positivergebnisses zu groß.

Es zeigte sich jedenfalls, dass die Abneigung gegen einzelne oder die Vielzahl von Auflagen größer war als die Lust zum Shoppen. Was nutzt die umfassendste Bereitschaft von Händlern, behördliche Auflagen zu erfüllen, wenn die Forderung nach Einzelbetretung des Geschäftsraumes, die kaum mehr wegzudenkende Maskenpflicht, der obligatorische Gebrauch von Desinfektionssprays, permanente Mindestabstände, die Angabe persönlicher Daten und zuletzt die Nachweispflicht eines der "3Gs" (Geimpft, Getestet, Genesen) Kunden wie Gästen zu viel war.

Unseren Recherchen und persönlichen Beobachtungen zufolge war besonders die Verpflichtung, einen aktuellen Testnachweis zu führen, das größte Hindernis auf dem Weg ins Geschäft und damit zur Rückkehr zu halbwegs normalen Umsatzzahlen. Viele unserer Fachhandelsleser beklagten die Testpflicht für ihre Kunden, das gleiche erfuhren wir von Gastronomen, die kürzlich erstmals ihre Außenbereiche öffnen durften. Für uns war der Ärger darüber Grund genug, exemplarisch bei Nordrhein-Westfalens Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Karl-Josef Laumann (CDU), anzufragen, wie er die für Gewerbetreibende äußerst lästige Testpflicht für den Kunden im Fall eines Einkaufs im Geschäft einstuft.

Laumanns Ministerium verdeutlichte gegenüber 'markt intern', die neue Generation der Schnelltests werde als "nur noch sehr geringe Beeinträchtigung" angesehen. Dieser Beitrag sei zur "Bekämpfung einer schweren Pandemie mit vielen schwer erkrankten Menschen und Todesopfern" vertretbar und auch verfassungsrechtlich das kleinere Übel. Die rechtliche Frage nach der Zulässigkeit eines solchen 'Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit' hält das Ministerium somit für geklärt, § 32 Infektionsschutzgesetz ermächtige ausdrücklich dazu.

'markt intern' interessierte sich dafür, warum es keine universelle Testpflicht für sämtliche Mitarbeiter und Angestellte, speziell auch der Behörden selbst, gebe. Nicht, weil wir uns das wünschten, sondern um die Argumentationslinie in Erfahrung zu bringen. Das Ministerium verwies auf die "konkrete Infektionssituation", die z.B. in Schulklassen anders sei als in normalen Büros. In speziellen Bereichen mit erhöhtem Risiko, z.B. in der Fleischindustrie, gebe es deshalb eine entsprechende Verpflichtung zum regelmäßigen Test.

Auf die Frage, warum hingegen auch im Einzelhandelsgeschäft (analog der Gastronomie) eine Notwendigkeit dazu gesehen werde, verwies das Ministerium auf das sonst erhöhte Infektionsrisiko für "andere". Kunden, die sich dem Test verwehren, müssten deshalb auf den Onlinehandel ausweichen (bzw. auf den Gastronomiebesuch verzichten), "hier kann jeder für sich entscheiden, ob er den geringen Testeingriff vermeiden will", so die Stellungnahme. Trotz unseres Hinweises darauf, dass fatale ökologische Folgen drohen sowie entsprechende wirtschaftlichen Konsequenzen für den stationären Einzelhandel, hält die oberste Gesundheitsbehörde NRWs die Kundenpflicht zum Selbsttest für einen "verhältnismäßigen Eingriff".

Dass viele Kunden das vermutlich anders sehen könnten und der Herbst, und mit ihm steigende Inzidenzen, schneller zurückkommt, als einem lieb sein kann, dürfte noch für viel Ungemach und Ärger unter den Unternehmern sorgen. Immerhin, so der Minister selbst, "hält er nichts" von einer Verpflichtung zum Impfen. Wir ergänzen gedanklich: Zumindest jetzt nicht. Denn eine Impfpflicht könnte, wenn nach dem Sommer die labilen Inzidenzwerte wieder ansteigen, auf die gleiche Weise eingefordert werden wie jetzt der Schnelltest.

Sollte bis dahin die Impfbereitschaft in der Bevölkerung z.B. bei 60 Prozent verharren, würden sowohl im Einzelhandel als auch ähnlich betroffenen Branchen maximal 60 Prozent der früheren Umsätze möglich werden, sofern überhaupt eine gewerbliche Tätigkeit dann noch zulässig ist. Eine nachhaltige Öffnungsstrategie mit Planungssicherheit für Gewerbetreibende gleich welcher Art sieht auf jeden Fall ganz anders aus.

Olaf Weber ist Herausgeber und Geschäftsführer des 'markt intern'-Verlages.


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