Donnerstag, 27. April 2023

Große Koalition im Berliner Abgeordnetenhaus blamiert sich

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Erst im dritten Wahlgang ist es der Großen Koalition im Berliner Abgeordnetenhaus gelungen, Kai Wegner (CDU) zum neuen Regierenden Bürgermeister zu wählen. In den beiden ersten Wahlgängen hatte Wegner noch die erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen (80) mit 71 bzw. 79 Stimmen im zweiten Wahlgang verfehlt. Im dritten Wahlgang, in dem die relative Mehrheit ausgereicht hätte, erhielt er dann 86 Stimmen.

Naturgemäß ist es bei geheimen Wahlen schwierig zu beweisen, wer aus dem Regierungslager in den beiden ersten Wahlgängen nicht für Wegner gestimmt hat. Fußballfanatiker kennen das berühmte Gedankenmodell der Elfmeterschützen ‘Der Torwart denkt, der Schütze denkt, der Torwart denkt’, um daraus die Wahl für den Schuss zu treffen. So ungefähr kann man versuchen zu spekulieren, welches politische Lager wem eine Quittung erteilen wollte.

Naheliegend ist, auf die SPD-Fraktion zu tippen. Der Mitgliederentscheid zur Großen Koalition der Berliner SPD fiel vergleichsweise knapp aus: 54,3 Prozent der stimmberechtigten Mitglieder votierten nur für den Koalitionsvertrag (bei einer Wahlbeteiligung von 61,3 Prozent). Da darf man vermuten, der eine oder andere Neinsager habe dieses Votum zum Maßstab seiner Abstimmung im Abgeordnetenhaus gemacht. Zumal der Generalsekretär der SPD, der Berliner Bundestagsabgeordnete Kevin Künert, noch letzte Woche im Spiegel posaunte, kein SPD-Mitglied freue sich, das Rote Rathaus an die CDU abzugeben, um hinzuzufügen: „Und gerade die Personalie Kai Wegner ist eine, die ich als Berliner für mehr als gewöhnungsbedürftig halte. Dieser Mann verkörpert wenig von meiner Heimatstadt, in der ich seit bald 34 Jahren lebe. Mir tut das weh.“

Da darf man sich nicht wundern, wenn das einige als Aufforderung begreifen, bei der Abstimmung gegen diesen Kandidaten zu votieren. Aber ausschließen lässt sich natürlich nicht, dass auch in der CDU nicht alle für Wegner gestimmt haben. Sei es, dass sie damit den Verdacht auf die SPD lenken wollten oder weil sie schlicht nicht mit dem Verhandlungsergebnis und der Verteilung der Senatsverwaltungen einverstanden sind.

Wie auch immer, beide Parteien haben der AfD eine Steilvorlage geliefert. Kerstin Brinker, Fraktionsvorsitzende der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus, erklärte vor dem dritten Wahlgang, ihre Fraktion werde „aus gesamtstädtischer Verantwortung“ nunmehr für Wegner stimmen. Damit wäre ein Ministerpräsident mit den Stimmen der AfD gewählt worden, was es nach Auffassung von SPD und CDU nicht geben darf. Aber weil nun einmal niemand beweisen kann, wer letztlich im dritten Wahlgang für Wegner gestimmt hat, konnte er die Wahl annehmen, ohne gegen diesen Grundsatz zu verstoßen. Schließlich haben CDU und SPD zusammen 86 Stimmen. Und die AfD-Fraktion immerhin 17 Mitglieder. Berlin, so muss man wohl sagen, macht da weiter, wo R2G aufgehört hat. Es kann nur besser werden!


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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