Mittwoch, 26. April 2023

Muss Friedrich Merz seine Kanzlerambitionen schon begraben?

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Zugegeben, das mag eine aktuell überraschende Fragestellung sein, denn erst gestern hat Friedrich Merz erklärt, über das Procedere der Kanzlerkandidatenfindung der Union und den Kandidaten werde im Spätsommer des kommenden Jahres entschieden. Nicht gesagt hat er dabei, er wolle Kandidat werden. Aber man darf annehmen, dass er dies möchte. Darauf deuten nicht zuletzt Wortmeldungen einflussreicher CDU’ler wie Dr. Carsten Linnemann hin, der sich für den Kandidaten Merz starkgemacht und eine zügige Festlegung gefordert hat. In der Politik geschehen derartige Aussagen selten aus Versehen.

Und dann war da gestern auch noch eine Pressekonferenz der Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder und Hendrik Wüst anlässlich der gemeinsamen Sitzung der bayerischen und nordrhein-westfälischen Landesregierung in München. Zwar spielte die Kanzlerkandidatenfrage der Union in den Statements beider keine Rolle, dafür aber umso mehr in der anschließenden Fragerunde. In der wich Wüst konsequent jeder Festlegung auf einen Kandidaten aus und vermied selbstverständlich eine Absage einer möglichen eigenen Kandidatur. Söder wiederum führte genau das auf, was er schon bei der letzten Bundestagswahl aufgeführt hat, ein Intrigenspiel.

Im Juni 2020 hatte er davon gesprochen, sein Platz sei in Bayern, ohne je zu erklären, er werde auf keinen Fall als Kanzlerkandidat antreten. Am Ende berief er sich für seine Ambitionen dann auf die deutlich besseren Umfragewerte gegenüber Armin Laschet, dessen Werte er gezielt selbst nach unten befeuert hatte. Gestern wurde aus seinem Platz in Bayern: „Meine Aufgabe ist Bayern. Mein Auftrag ist Bayern.“ Doch selbstverständlich fiel an keiner Stelle die Aussage, er werde auf keinen Fall als Kanzlerkandidat antreten. Allein die Gesten und Blickkontakte zwischen Söder und Wüst während der jeweiligen Antworten sagen in der Sache mehr aus, als alle Diplomaten dieser Welt an Erklärungen liefern könnten, was die beiden potenziellen Konkurrenten von Merz denken. Von den kleinen Spitzen in den Antworten ganz abgesehen.

Merz wird wissen, was das für seine Ambitionen bedeutet. Er braucht Umfragewerte, die besser sind als die von Söder. Sonst kann er eine eigene Kanzlerkandidatur vergessen. Derzeit hat Söder jedoch die besseren Werte. Und sollte Söder bei der Landtagswahl im Oktober ein CSU-Ergebnis deutlich jenseits der 40 Prozent erzielen, wird Merz kaum noch in den Umfragen an Söder vorbeiziehen können. Aus Merz‘ Sicht wäre daher die Lösung, alles dafür zu tun, dass Söder bei der Landtagswahl schlecht abschneidet. Söder hätte keine Skrupel, so etwas im umgekehrten Fall zu tun. Merz wahrscheinlich aber schon. Ach ja, falls jemand vergessen haben sollte, wie Söder Siege der Rivalen für sie zum Pyrrhussieg werden lässt, hier noch eine kleine Leseempfehlung.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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