Dienstag, 11. April 2023

Osterüberraschung: Hubertus Heil fordert deutlich höheren Mindestlohn

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Ist Hubertus Heils Forderung nach einer „deutlichen“ Erhöhung des Mindestlohns, die der Bundesarbeitsminister über Ostern via Fernseh-Interview medienwirksam erhob, ein Skandal? Ja, vielleicht, nein – das sind nicht nur die theoretischen, sondern auch die praktisch gegebenen Antworten aus den unterschiedlichen Lagern. Fangen wir mit den Arbeitgebern an: Für deren Vertreter ist die Antwort klar, die Forderung sei ein Skandal, weil Heil damit die gesetzlich vorgesehen Mindestlohnfindung der Mindestlohnkommission torpediert. Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und langjähriger Staatssekretär mit CDU-Parteibuch, sprach sofort davon, Heil sabotiere die Arbeit der Mindestlohnkommission. Folgt man Kampeter, könnte Heil, wenn er bereits vor der ersten Sitzung der Kommission das aus seiner Sicht zu erwartende Ergebnis vorwegnimmt, die Kommission auch ganz abschaffen. Auch die Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Oktober 2022 erfolgte bekanntlich bereits unter Umgehung der Kommission unmittelbar durch den Bundestag aufgrund des Wahlversprechens der SPD.

Vielleicht lautet die Antwort der Opposition, jedenfalls könnte man die Aussage des Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, so interpretieren. Der wendet sich weniger gegen die Tatsache, dass Heil eine solche Erhöhung erwartet, sondern sieht vor allem finanzielle Probleme auf die Wirtschaft zukommen, sollte die Kommission dem folgen. Zwar räumt auch er ein, die hohe Inflationsrate treffe vor allem Niedrigverdiener, weshalb eine Erhöhung wünschenswert wäre. Aber er befürchtet dadurch inflationstreibende Tendenzen, weil die Kosten für die Arbeitgeber weiter massiv ansteigen und wegen des mit einer solchen Forderung einhergehen Drucks auf die untersten Tarifgruppen die Lohn-Preis-Spirale weiter angeheizt werde.

Überhaupt nicht skandalös finden erwartungsgemäß Vertreter der Arbeitnehmer Heils Mindestlohnforderung. Und dabei können sie durchaus auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) selbst verweisen. Denn in dessen § 8 Abs. 1 heißt es lapidar: „Die Mitglieder der Mindestlohnkommission unterliegen bei der Wahrnehmung ihrer Tätigkeit keinen Weisungen.“ Was immer also Heil von der Kommission erwartet, die kann das völlig unberührt lassen. In § 9 des MiLoG wiederum ist zur Lohnfindung durch die Kommission geregelt: „Die Mindestlohnkommission prüft im Rahmen einer Gesamtabwägung, welche Höhe des Mindestlohns geeignet ist, zu einem angemessenen Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen sowie Beschäftigung nicht zu gefährden. Die Mindestlohnkommission orientiert sich bei der Festsetzung des Mindestlohns nachlaufend an der Tarifentwicklung.“

Wer sich die bisher in der laufenden Tarifrunde abgeschlossenen Tarifverträge anschaut, wird kaum umhinkommen festzustellen, es habe in diesen besonders starke Anhebungen in den untersten Lohngruppen gegeben. Vor diesem Hintergrund ist schwer vorstellbar, dass die Kommission keine Erhöhung vorschlagen wird. Offen ist wohl allein, wie stark sie den Mindestlohn anheben wird. Dass Heil beim Leib- und Magenprojekt der SPD auf eine „deutliche“ Erhöhung setzt, kann weder Arbeitgeber noch Publizisten eigentlich überraschen. Doch sollte auch Kampeter der Mindestlohnkommission, der er selbst angehört und die paritätisch besetzt ist, etwas mehr Rückgrat zutrauen, als in seinem Statement zum Ausdruck kommt. Es macht einfach keinen Sinn, permanent vom Arbeitskräftemangel gerade auch in Servicebereichen zu sprechen, aber die Löhne dort bewusst knapp halten zu wollen. Das wird nicht funktionieren. Kluge Lösungen sind gefragt, keine Schnellschüsse, weder von Heil noch von Kampeter!


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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