Mittwoch, 29. März 2023

Amazon wollte keine Presse bei geplanter Betriebsbesichtigung durch Ministerpräsident Weil

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Eigentlich wollte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil gestern einer Einladung Amazons folgend dessen Standort Winsen/Luhe besichtigen. Dazu ist es jedoch nicht gekommen. Letzte Woche Freitag hat Weil den Besuch kurzerhand öffentlich abgesagt. Zur Begründung dieses eher ungewöhnlichen Schrittes hat die niedersächsische Staatskanzlei mitgeteilt, Weil habe den Besuch auch nutzen wollen, um ein Gespräch mit dem dortigen Betriebsrat zu führen. In der Vorbereitung des Besuchs habe Amazon Wert darauf gelegt, es solle sich um ein ‘Hintergrundgespräch’ handeln, und gebeten, von einer Unterrichtung der Medien Abstand zu nehmen.

„Als die Staatskanzlei dies abgelehnt hatte“, so Regierungssprecherin Anke Pörksen, „wurde seitens des Unternehmens um eine Verschiebung des Termins gebeten“. Diese Bitte wiederum beantwortete Weil seinerseits mit der Absage des Besuchs. Doch damit nicht genug, er fand auch deutliche Worte in Richtung Amazon, was er von einem solchen Vorgehen halte: „Ich habe in den letzten Jahren eine Vielzahl von Unternehmen besucht, aber so etwas noch nicht erlebt. In der Regel soll im Gegenteil ein solcher Besuch im Interesse der Gastgeber der Öffentlichkeit bekannt werden. Die Vermutung liegt nahe, dass das Verhältnis von Amazon zur Betriebsverfassung nicht hinterfragt werden sollte.“ Gerade in letzter Zeit, so heißt es weiter, hätten sich wieder auffällig Auseinandersetzungen von Amazon mit Betriebsräten, die in entsprechenden Gerichtsverfahren münden, unter anderem auch an dem Standort in Winsen/Luhe, gehäuft. Dass dieser Umstand bei einem Besuch zur Sprache gekommen wäre, so lässt sich Weil zitieren, „erachte ich als selbstverständlich. Betriebsräte und Mitbestimmung gehören zu den tragenden Säulen unserer Arbeits- und Sozialordnung. Daran lassen die Mitglieder der Landesregierung an keiner Stelle Zweifel aufkommen.“

Dieses Verhalten verdient Respekt. Gerade in einem Bundesland wie Niedersachsen ist Amazon durchaus ein Wirtschaftsfaktor. Es ist daher nachvollziehbar, als Ministerpräsident einer entsprechenden Einladung des Unternehmens zu folgen, obwohl dieses sich berechtigterweise mancher öffentlichen Kritik ausgesetzt sieht. Mancher hätte deshalb wohl die Bedingung ‘Hintergrundgespräch’ akzeptiert. Dass Weil jetzt öffentlich erklärt hat, unter welchen Bedingungen er dazu nicht bereit ist, geht über politisches Alltagsgeschäft deutlich hinaus. Amazon jedenfalls hat damit ein klassisches Eigentor geschossen.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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