Mittwoch, 07. September 2022

Bundeshaushalt 2023: Einhaltung der Schuldenbremse auf dem Papier trotz 78 Milliarden Euro neuer Schulden

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Bundesfinanzminister Christian Lindner trägt es als Mantra seit seiner Einführung ins Amt vor sich her: das Versprechen der Einhaltung der grundgesetzlich vorgesehenen Schuldenbremse im Haushaltsjahr 2023. Entsprechend stolz verkündet er aktuell, sein Versprechen mit dem vorgelegten Haushalt auch erfüllt zu haben. Auf dem Papier schon. Aber Papier ist nun einmal geduldig und die Regeln der Schuldenbremse komplex. Deshalb sieht die Realität deutlich anders aus.

Offiziell enthält der Haushaltsentwurf nach den Regeln der Schuldenbremse eine Nettoneuverschuldung von 17,2 Milliarden Euro. Das entspricht den maximal zulässigen 0,35 Prozent des BIP. Das Finanzierungsdefizit im Haushalt ist aber deutlich größer. Allerdings wird es durch Positionen ausgelöst, die nicht in den Anwendungsbereich der Schuldenbremse fallen.

So weist der Etat 7,3 Milliarden Euro weiterer Schulden aus, mit denen Darlehen an den Gesundheitsfonds(1 Milliarde Euro) und den Internationalen Währungsfonds (6,3 Milliarden Euro) finanziert werden. Über Sondervermögen, die nicht im Haushalt ausgewiesen sind, werden weitere Kredite aufgenommen, beispielsweise 9,9 Milliarden Euro über das Sondervermögen Digitale Infrastruktur, 3 Milliarden Euro für das Sondervermögen Kommunalinvestitionsförderungsfonds.

Den dicksten zusätzlichen Brocken machen 40,5 Milliarden Euro neuer Kredite aus, die Lindner benötigt, weil die in den Überschussjahren angesammelte Rücklage in Höhe von 48 Milliarden Euro weitgehend zur Deckung des Etats verbraucht. Das Geld wurde zur Schuldentilgung eingesetzt. Reaktiviert wird es nun über eine neue Kreditaufnahme, die ebenfalls nicht bei der Schuldenbremse angerechnet wird. Damit addiert sich die tatsächliche Neuverschuldung im kommenden Jahr nach den bisher vorgelegten Zahlen bereits auf 77,9 Milliarden Euro. Und nicht einmal mehr Lindner selbst will jetzt ausschließen, dass es dabei bleibt. Denn sollte es „die Lage erforderliche machen und die Verfassung es erlauben“, behalte er sich vor, die Regeln der Schuldenbremse ein weiteres Jahr auszusetzen.

Preisfrage: Wie lange wird es dauern, bis aus diesem „Ich schließe nicht mehr aus …“ die Ankündigung wird „Die Einhaltung der Schuldenbremse wird ein weiteres Jahr ausgesetzt“? Der Bundesrechnungshof hat im Übrigen auch schon die Verschleierung der wahren Neuverschuldung durch das Bundesfinanzministerium massiv kritisiert: „Die Schuldenregel wird zwar auf dem Papier eingehalten und suggeriert so eine auf Begrenzung der Neuverschuldung ausgerichtete Finanzpolitik. Wegen der tatsächlich wesentlich höheren Nettoneuverschuldung wird ihre Wirksamkeit jedoch stark eingeschränkt.“


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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