Donnerstag, 21. Juli 2022

Bundesregierung lehnt Reform des Kammerzwangs ab

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Wir können und wollen nicht behaupten, die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion zu einer möglichen Reform des Kammerwesens habe uns überrascht. Obwohl die Bundesregierung von drei Parteien gebildet wird, aus deren Reihen in der Vergangenheit auch schon einmal Stimmen gegen den Kammerzwang zu hören waren. Wir verhehlen zugleich aber auch nicht, dass die Antwort für uns ein erneuter Schlag ins Gesicht zehntausender Unternehmen sind, die dem Kammerzwang nichts, aber auch rein gar nichts abgewinnen können.

Vor dem Hintergrund der angespannten wirtschaftlichen Situation vieler Unternehmen, gerade auch der kleineren, wollte die AfD von der Bundesregierung wissen, ob diese eine Reform des Kammerrechts plane und falls ja, ob dazu dann auch die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft gehöre. Dabei wies die AfD die Bundesregierung ausdrücklich darauf hin, dass es im Gegensatz zum deutschen Kammerwesen in den meisten EU-Mitgliedstaaten Kammern und Interessenverbände mit freiwilliger Mitgliedschaft anzutreffen seien. Neben Deutschland gebe es nur in den EU-Mitgliedstaaten Österreich, Italien, Frankreich und Spanien eine Pflichtmitgliedschaft.

Doch die ansonsten vermeintlich so europafreundliche Bundesregierung konnte auch dieses europäische Argument nicht überzeugen. Stur beharrt sie in ihrer Antwort darauf, .das Kammersystem diene „legitimen öffentlichen Aufgaben. Deshalb kann auch eine Pflichtmitgliedschaft in solchen Körperschaften verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn sie zur Erfüllung der übertragenen Aufgaben erforderlich und angemessen ist“. Sodann beruft sich die Bundesregierung auf die hinlänglich bekannten Urteile des Bundesverfassungsgerichts, nach denen die Zwangsmitgliedschaft verfassungsgemäß sei. Klar, aber das heißt selbstredend im Gegenzug nicht, dass es nicht auch verfassungsrechtlich zulässig wäre, den Kammerzwang abzuschaffen. Nur das will die Bundesregierung halt nicht. Oder traut sie sich nur nicht, weil sie die Kammern nicht als Gegner haben will und diese auch immer lukrative Posten für Politiker bereithalten, deren die ihre politische Position verloren haben?

Geradezu frech ist der Hinweis, die Kammern unterlägen zudem der Rechtsaufsicht der Länder bzw. des Bundes (Wirtschaftsprüferkammer). Die Rechtsaufsichten könnten bei Kompetenzüberschreitungen der Kammern oder rechtswidrigem Verhalten entsprechende Maßnahmen treffen. Die Bundesregierung weiß nur zu gut, dass die Rechtsaufsicht gerade nicht tätig wird, weder die der Länder noch die des Bundes. Wir haben x-fach darüber berichtet, zuletzt hier. Es gibt inzwischen zahlreiche Urteile des Bundesverwaltungsgerichts etwa zu rechtswidrigen Beiträgen, die unverändert von den Kammern unterlaufen werden, ohne dass die Rechtsaufsicht einschritte. Und hat schon einmal jemand etwas vom Einschreiten der Rechtsaufsicht bei der Wirtschaftsprüferkammer gehört? Nicht mal nach dem unsäglichen Wirecard-Skandal ist davon etwas bekannt geworden.

Insofern klingt es zynisch, dass die Bundesregierung feststellt: „Vor diesem Hintergrund (dem von ihr dargestellten, Anm. d. Red.) sieht die Bundesregierung für eine Änderung des geltenden Rechts keine Veranlassung.“ Stattdessen stellt sie lakonisch fest: „Die Bundesregierung hält das Kammerwesen sowie das System der funktionalen Selbstverwaltung für zeitgemäß und sachgerecht. Die funktionale Selbstverwaltung der Kammern mit gesetzlicher Pflichtmitgliedschaft hat sich in Deutschland in langer Tradition bewährt. Nun ja, dies ist dann wohl eine Traditionspflege der besonderen Art.

Wie die Bundesregierung denkt, zeigt ihr Hinweis auf den angeblichen Vorteil, den die Pflichtmitgliedschaft für die Unternehmen habe, die die Vorteile gar nicht nutzen: Das Serviceangebot der Kammern kommt den Mitgliedern, soweit sie nicht direkt in Anspruch genommen werden (z. B. Beratungsleistungen), mindestens mittelbar zugute. Beispiele hierfür sind etwa Maßnahmen zur Fachkräftesicherung, um junge Menschen für eine berufliche Ausbildung zu begeistern, der Einsatz der Kammern für entsprechende Rahmenbedingungen oder die Leistungen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, von denen die Mitglieder profitieren.“ Auf so etwas können nur Ministerialbeamte kommen, die noch nie eine Kammerleistung in Anspruch nehmen wollten oder mussten!

Quasi die Krönung der lebensfremden Antwort ist die Feststellung, auch das Beitragssystem der Kammern sei „mit Blick auf die zahlreichen Aufgaben der Kammern und das Serviceangebot für die Mitglieder nach Auffassung der Bundesregierung nicht zu beanstanden“. Vielleicht fragt die Regierung einfach mal beim Bundesverwaltungsgericht nach. Dann wäre sie wohl erstaunt, wie häufig das höchste deutsche Gericht IHKn attestiert hat, rechtswidrig Vermögen gebildet und damit zu hohe Beiträge veranlagt zu haben.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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