Donnerstag, 03. August 2023

BGH verneint Staatshaftung für Musiker wegen coronabedingter Auftrittsverbote

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Bereits zweimal hat der Bundesgerichtshof (BGH) in diesem Jahr über Staatshaftungsansprüche wegen Coronamaßnahmen entschieden und sie jeweils abgelehnt. Weder Hoteliers noch Frisören billigte er Ansprüche zu (letztere Entscheidung ist inzwischen veröffentlicht). Von daher kann es nicht überraschen, dass das oberste Zivilgericht Deutschlands nun auch einem Musiker Ansprüche gegenüber dem Staat wegen coronabedingter Untersagungen verwehrt hat.

Der Kläger dieses Verfahrens betreibt ein Musik- und Filmproduktionsunternehmen und ist Leiter einer Musikgruppe. Seine Aufträge bestehen zu mehr als 90  Prozent aus Live-Auftritten. Er wollte vom beklagten Land Baden-Württemberg Entschädigung für Einnahmeausfälle von März bis Juli 2020, weil er und seine Musikgruppe aufgrund staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus nicht auf Veranstaltungen hätten auftreten können.

Wie in seinen vorherigen Entscheidungen lehnt der BGH dies auch hier ab, weil die Eingriffe rechtmäßig gewesen seien. Sie hätten einem verfassungsrechtlich legitimen Zweck gedient, „weil sie darauf abzielten, durch die Reduzierung zwischenmenschlicher Kontakte die weitere Verbreitung des Virus zu verlangsamen und das exponentielle Wachstum der Infektionen zu durchbrechen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden und die medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“. Das Robert Koch-Institut habe die „soziale Distanzierung“ in seinen täglichen Lageberichten als geeignete Gegenmaßnahme zur Verbreitung des Virus und zur Überlastung des Gesundheitswesens bezeichnet.

Geeignetere mildere Mittel hätten nicht zur Verfügung gestanden. Das Verbot sei auch verhältnismäßig gewesen, weil es zeitlich befristet gewesen sei. Das Land habe von vornherein eine „Ausstiegs-Strategie“ gehabt und ein stufenweises Öffnungskonzept verfolgt. Zudem habe es „großzügige staatliche Hilfsprogramme“ gegeben. So habe es in Baden-Württemberg mehr als 240.000 Bewilligungen für Corona-Soforthilfen gegeben. Der Zeitraum, in dem sich das von dem beklagten Land angeordnete Veranstaltungsverbot für den Kläger faktisch wie eine Betriebsuntersagung auswirkte, habe „lediglich zweieinhalb Monate“ betragen. Danach sei es ihm in eingeschränktem Umfang wieder möglich gewesen, die von ihm angebotenen Dienstleistungen zu erbringen. „Ein solcher Zeitraum war unter Berücksichtigung des den Betriebsinhaber grundsätzlich treffenden Unternehmerrisikos für den Gewerbebetrieb des Klägers nicht unzumutbar.“

Die Argumentation liegt auf der Linie der bisherigen Entscheidungen. Man kann das so sehen, man muss es aber nicht so sehen. So wirkt die behauptete von Anfang an bestehende Öffnungs-Strategie seitens des Landes eigenartig, sofern man berücksichtigt, dass der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeitweise Grundrechte außer Kraft setzen und eine eigenes Pandemieregime einführen wollte. Und der Segen der Soforthilfe wird seit einiger Zeit durch zahlreiche Rückforderungen der Mittel ebenfalls deutlich ins Gegenteil verkehrt, auch wenn Gerichte dem teilweise einen Riegel vorschieben. Gleichwohl können Betroffene kaum hoffen, der BGH werde seine Meinung noch einmal ändern. Das könnte dann schon eher beim Bundesverfassungsgericht geschehen, das aber bisher keine entsprechenden Entscheidungen getroffen hat.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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