Mittwoch, 13. April 2022

OLG Hamm verurteilt ehemalige Aufsichtsräte der Arcandor zum Schadensersatz

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Das Oberlandesgericht Hamm hat vergangenen Woche in einem Verfahren des Insolvenzverwalters der ehemaligen Arcandor AG sechs ehemalige Aufsichtsräte zum Schadensersatz in Höhe von knapp 54 Millionen Euro verurteilt. Den Kunstnamen Arcandor für die damalige KarstadtQuelle AG hatte der Aufsichtsratsvorsitzende und spätere Vorstandsvorsitzende Dr. Thomas Middelhoff ersonnen. Insgesamt elf frühere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder hatte der Insolvenzverwalter zur Zahlung von rund175 Millionen Euro verklagt. Er stützte seine Forderung auf behauptete Pflichtverletzungen der Beklagten in Zusammenhang mit dem Verkauf und der sich anschließenden Rückanmietung von fünf Warenhäusern, beruhend auf den sog. ‘Oppenheim/Esch’-Verträgen der Arcandor AG. Das Landgerichts Essen hatte erstinstanzlich die Klage dem Grunde nach nur gegen vier Vorstandsmitglieder für gerechtfertigt angesehen, soweit sie sich auf die Durchführung der Verträge für das Warenhaus in Wiesbaden bezog.

Der 8. Zivilsenat des OLG Hamm hält dagegen in seiner Berufungsentscheidung Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen sechs frühere Aufsichtsratsmitglieder in Höhe von knapp 54 Millionen Euro für begründet, weil sie keine Schadensersatzansprüche gegen frühere Vorstände in unverjährter Zeit geltend gemacht hätten. Zum Pflichtenkreis dieser Aufsichtsratsmitglieder habe die Überwachung der Vorstandsmitglieder gehört. Diese Pflicht hätten sie im Hinblick auf die mit der Oppenheim/Esch-Gruppe geschlossenen Ausgangsverträge verletzt. Dies gelte jedenfalls, soweit der Aufsichtsrat im November 2006 empfohlen habe, von der Geltendmachung entsprechender Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder weiterhin abzusehen, obwohl am 4. Dezember 2006 deren Verjährungseintritt drohte. Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sei dadurch ein Schaden in Höhe von 53.625.150,18 Euro entstanden.

Die gegen Vorstandsmitglieder, unter anderem den früheren Vorstandsvorsitzenden Middelhoff, gerichteten Ansprüche hält der Senat hingegen für unbegründet. Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder seien nicht festzustellen. Insbesondere seien die von den Vorstandsmitgliedern zu verantwortenden Vertragsabschlüsse aufgrund anderer bereits bestehender vertraglicher Verpflichtungen nicht pflichtwidrig gewesen.

Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen. Die Parteien können daher nur noch Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erheben.

Dass Aufsichtsräte oder Vorstände viel zu selten rechtskräftig für Fehlverhalten in Haftung genommen werden, ist leider eine Binsenweisheit. Umso erfreulicher, dass dies bei den hier betroffenen Aufsichtsräten der Arcandor geschieht. Dass am Ende dafür ihre D&O-Versicherung einspringen wird, gehört dann wiederum zur ganzen Wahrheit.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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