Montag, 14. März 2022

Später und überfälliger Fall der doppelten Publizitätspflicht

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Nach dem 'Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister' (kurz: EHUG) müssen Unternehmen sowohl eine Bekanntmachung ihrer Bilanz im elektronischen Bundesanzeiger veranlassen als auch die entsprechenden Unterlagen beim Unternehmensregister einreichen. Diese sogenannte Doppelpublizität wurde mit dem EHUG 2007 geboren. GmbH-intern hielt sie von Anfang an für kleine und mittelgroße GmbH für unverhältnismäßig und darüber hinaus auch überflüssig. Denn jeder Interessent dieser Daten konnte problemlos das eigens dafür geschaffene Unternehmensregister konsultieren, dessen Informationsgehalt und Zugänglichkeit von der des elektronischen Bundesanzeigers nicht negativ abweicht.

Die Doppelpublizität wurde in der Vergangenheit nicht nur von GmbH-intern vielfach und heftig kritisiert. Mit der neuen Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) hat der Gesetzgeber nun die Doppelpublizität de facto abgeschafft. Er streicht die Bekanntmachungspflicht zwar nicht aus dem EHUG; sie wird jedoch künftig mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Abrufbarkeit gleichgesetzt. Das DiRuG hat das Ziel, europaweit und grenzüberschreitend die Gründung von Gesellschaften und die Errichtung von Zweigniederlassungen zu vereinfachen. Digitale Instrumente und Prozesse sollen die Verfahren effizienter und kostengünstiger machen.

Die Unterlagen der Rechnungslegung der Unternehmen werden nun direkt bei der das Unternehmensregister führenden Stelle eingereicht und in das Unternehmensregister eingestellt (§ 325 Abs. 1 Satz 2 HGB-neu). Der Abruf von Unterlagen erfolgt sodann ausschließlich über das Unternehmensregister, welches nun die Funktion eines 'One-Stop-Shops' für Unternehmensinformationen innehat.

Ein kleiner Rückblick: Bereits im Jahre 2004 kritisierte GmbH-intern die zu dieser Zeit geplante Einführung der Doppelpublizität, weil sie dazu führen würde, dass die Verhältnismäßigkeit der Verwaltungspraxis im Ordnungsgeldverfahren nicht mehr zu wahren sei. Insbesondere sah Dr. Gregor Kuntze-Kaufhold, Justiziar des 'markt-intern' Verlags, in der seinerzeit eingeführten Doppelpublizität keinen weiteren Sinn, als zusätzliche Einnahmen zu generieren. Denn, so sein Beispiel, egal ob eine Fensterscheibe einfach- oder doppelverglast sei, ändere dies in der Regel nichts an der Transparenz – sprich: am Durchblick – für den Betrachter.

Der Grund für die Pflicht zur Parallelveröffentlichung war seinerzeit offensichtlich nicht das Nutzerinteresse, sondern die Steigerung des Kostenvolumens. Während die sogenannte Jahresgebühr für das Unternehmensregister im einstelligen Bereich lag, beträgt sie für die Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger bis zu 600 Euro. Ein Geschmäckle hatte die Angelegenheit, weil die Bundesrepublik den Bundesanzeigerverlag an den DuMont-Schauberg Verlag verkauft hatte und somit beide Register bis heute von ein und demselben Unternehmen betrieben werden. „Einen goldscheißenden-Dukaten-Esel hat die Bundesregierung denen da fast geschenkt“, fluchten wir in GmbH-intern, als am 1. Januar 2007 das EHUG und damit der erzwungene doppelte Bilanzen-Striptease in Kraft traten.

Ab da brauchte sich kein Geschäftsführer mehr zu wundern, wenn z. B. beim nächsten Stammtisch der eine oder andere Teilnehmer zu erzählen wusste, welche Grundstücke eine GmbH im Ort besitzt oder ob beispielsweise die Schwiegermutter des Gesellschafters immer noch 'mit im Boot sitzt'. Wenige Maus-Klicks, schon waren dem Wirtschafts-Voyeurismus für Jedermann Tür und Tor geöffnet. Der Startschuss zur größten und längsten 'markt intern'-Kampagne zu Gunsten aller mittelständischen GmbHs, die mit dem Motto „Googlen Sie Nachbars Bilanz, und der Abend ist gerettet“ begann. Besonders Dr. Kuntze-Kaufhold hat mit seinem Sachverstand für viel Furore gesorgt. Nicht nur mit seinen zahlreichen Musterbeschwerden für betroffene Leser, sondern auch aufgrund seines Engagements in Wissenschaft und Politik wird er heute noch hinter vorgehaltener Hand als der 'Offenlegungspapst' bezeichnet.

Das ist einige Jahre her. Aber jetzt ist es geschafft: Die unsinnige Doppelpublikation ist ab 2022 vom Tisch! Und nun? Schlaraffenland abgebrannt? Bundesanzeiger verarmt? DuMont-Schauberg Verlag fast pleite? Keine Sorge: Materielle Änderungen ergeben sich in Deutschland daraus nur bedingt, weil der Bundesanzeiger Verlag sowohl den Bundesanzeiger betreibt als auch das Unternehmensregister führt. Die Gebühren für die Einstellung von Unterlagen in das Unternehmensregister für die Offenlegungspflichtigen wurden vorsorglich kräftig angehoben. Denn „den Seinen gibt's der Herr im Schlaf“ (Psalm 127).

Peter Vogt ist Chefredakteur des ‘markt intern’-Informationsbriefes GmbH-intern


Verfasst von: Peter Vogt | Kommentare (0)

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