Dienstag, 08. Februar 2022

Wird Markus Söder zum Anarchisten?

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Die Wandlungen des Dr. Markus Söder sind Legende. Wir haben uns hier auch schon mehrfach mit seinen Meinungsänderungen befasst. Vorab: Es ist nie verkehrt, im Gegenteil, eigene Meinungen zu hinterfragen und sie zu korrigieren, wenn man sie inzwischen für falsch erachtet. Allerdings kommt es zunächst einmal darauf an, woher die Motivation für die Meinungsänderung stammt. Ist sie, wie meist bei Söder, schlicht Umfragewerten geschuldet, haben diejenigen ein Problem, die ihn wegen bestimmter Festlegungen wählen, die er dann aber über den Haufen wirft, wenn sie ihm vermeintlich schaden.

Und noch bedenklicher ist es, wenn der Meinungswandel zu einem anarchischen Verhalten führt. Wer erinnert sich noch daran, wie ehemals Grüne-Frontmänner wie Joschka Fischer und Jürgen Trittin bundespolitische Regelungen zum Atomrecht landespolitisch auszuhebeln versuchten? Lang ist’s her. Damals mussten sich die Herren üble Beschimpfungen, gerade von der Union, anhören, dies sei ein Verfassungsbruch. Bündnis 90/Die Grünen haben daraus gelernt. So hat Tarak Al-Wazir zuletzt als Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung viel Prügel der eigenen Anhänger und diverser Umweltgruppen bezogen, weil er einen vom Bund beschlossenen Ausbau der Autobahn A 49 in Hessen nicht durch Untersagung der Rodung des Danneröder Waldes stoppte. Al-Wazirs ebenso richtige wie umstrittene Aussage lautete: Er habe als Landesminister die Vorgaben des Bundes umzusetzen.

Wer das nicht glaubt, der möge ins Grundgesetz schauen. Die Artikel 84 (Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit) und 85 (Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder im Auftrag) sind eindeutig: Bundesgesetze werden entweder durch die Länder als eigene Angelegenheit (Normalfall) oder als Auftragsverwaltung des Bundes ausgeführt. Losgelöst von den Unterschieden, auf die es hier nicht ankommt, müssen die Gesetze aber durch die Länder ausgeführt werden. Das galt gerade unter Anhängern der Union als unumstößlich. Doch das ist jetzt vorbei. Gestern erklärte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Parteivorsitzende, Bayern werde die vom Bund mit Zustimmung des Bundesrates (mit den Stimmen Bayerns) beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht mit langen Übergangfristen versehen, also „praktisch den Vollzug aussetzen“ so Söder.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Eine Landesregierung erklärt, sich nicht mehr an die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland halten zu wollen. Friedrich Merz verkündete dann kaum noch überraschend gestern am späten Nachmittag, die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der CDU habe sich einstimmig gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht ausgesprochen. Merz sah dann zumindest den verfassungsrechtlich dafür vorgesehenen Weg vor: Die Bundesregierung zu bitten, die Impfpflicht auszusetzen. Markus Söder beweihräuchert sein anarchisches Verhalten mit selbstlosen Erkenntnissen, die einrichtungsbezogene Impfpflicht schade mehr als sie nutze. Das ist wohlfeil.

Er vergreift sich an der verfassungsmäßigen Ordnung in Deutschland. Und keiner seiner Parteifreunde fällt ihm in den Arm oder äußert Kritik. Wenn das so weitergeht, kommt  als Nächstes dann die Behauptung, die Union habe die Wahl gewonnen, sie sei ihr von der Ampel gestohlen worden?


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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