Freitag, 26. November 2021

Der Ampel-Koalitionsvertrag – viel Klein-Klein, zahlreiche Ankündigungen und kaum Zahlen

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Die Wertigkeit, die die Ampel den einzelnen Politikfeldern entgegenbringt, zeigt sich bereits bei der Reihenfolge der verschiedenen Politikfelder. Der Vertrag beginnt mit dem Themenkomplex ‘Moderner Staat, digitaler Aufbruch und Innovation’ und endet (!) mit dem Kapitel ‘Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Finanzen.’ Dies sagt eine Menge darüber aus, wie wichtig Finanzpolitik der neuen Regierung ist, auch wenn der zukünftige Bundesfinanzminister Christian Lindner dies anders betont.

Schon die Präambel versprüht einen irgendwie eigenartigen Geist. Die drei Parteien, heißt es dort, eine „die Bereitschaft, gemeinsam Verantwortung für die Zukunft Deutschlands zu übernehmen, das Ziel, die notwendige Modernisierung voranzutreiben, das Bewusstsein, dass dieser Fortschritt auch mit einem Sicherheitsversprechen einhergehen muss und die Zuversicht, dass dies gemeinsam gelingen kann. Wir verpflichten uns, dem Wohle aller Bürgerinnen und Bürger zu dienen.“ Letzteres sollte für eine gewählte Regierung selbstverständlich sein. Wird es ausdrücklich betont, lässt dies darauf schließen, die Partner könnten Sorge haben, die Bevölkerung erwarte Anderes – Klientelpolitik – von ihnen.

Die Koalitionäre wollen „staatliches Handeln schneller und effektiver machen und besser auf künftige Krisen vorbereiten. Wir bringen eine umfassende Digitalisierung der Verwaltung voran.“ Zu wünschen wäre es, Zweifel, dass es geschieht, bleiben. Geradezu poetisch klingt die Formulierung, „auch die Wirtschaft soll in der Verwaltung einen Verbündeten haben“. Pathetisch klingt das gewählte Ziel: „Es gilt, die soziale Marktwirtschaft als eine sozial-ökologische Marktwirtschaft neu zu begründen.“

Während es die Finanzen als Kapitel nur ans Ende des Koalitionsvertrags gebracht haben, kommt die Besteuerung in der Präambel früher vor, allerdings mit einer sehr spezifischen Ausrichtung: „Unseren Wohlstand in der Globalisierung zu sichern ist nur möglich, wenn wir wirtschaftlich und technologisch weiter in der Spitzenliga spielen und die Innovationskräfte unserer Wirtschaft entfalten. Grundlage dafür sind faire Wettbewerbsbedingungen; dazu gehört auch eine faire Besteuerung – national und international – sowie die konsequente Bekämpfung von Steuerhinterziehung.“

Ziemlich ambitioniert sind die sozialpolitischen Vorstellungen. Ein altes Wahlkampfmotto der CDU von 1982 – Leistung muss sich wieder lohnen – wird neu belebt: „Leistung muss anerkannt und Arbeit gerecht bezahlt werden. Darum werden wir den Mindestlohn auf 12 Euro anheben und uns für Entgeltgleichheit von Frauen und Männern einsetzen.“

Kommen wir damit zur Analyse der konkreten inhaltlichen Aussagen und bleiben bei der Reihenfolge der einzelnen Kapitel des Vertrages

Moderner Staat, digitaler Aufbruch und Innovation

Breiten Raum nehmen die Vorhaben zur Modernisierung des Staates ein. Dass eine solche notwendig ist, dürfte niemand bestreiten. Zur Modernisierung der Verwaltung heißt es: „Die Verfahren, Entscheidungen und Umsetzungen müssen deutlich schneller werden. Wir werden deshalb Planungs- undGenehmigungsverfahren modernisieren, entbürokratisieren und digitalisieren sowie die Personalkapazitäten verbessern“. Das verspricht nicht zum ersten Mal eine Regierung. Wie konkrete dies umgesetzt werden soll, bleibt offen. Zumindest, sofern man die Aussage, die Verwaltung solle „agiler und digitaler werden“, sie müsse „auf interdisziplinäre und kreative Problemlösungen setzen“ nicht als konkret betrachtet. Genannt wird allerdings ein Ziel: „Unser Ziel ist die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard.“ Bis wann und wie es erreicht werden soll? Die Antwort fehlt.

Dass sich in dem Kapitel auch die Verabredung findet, eine „Zentrum für Legistik“, also die Lehre der formalen Gestaltung der Gesetze, zu errichten, gehört eher zu den skurrilen Aspekten. Von anderem Kaliber ist die Ankündigung, die Entscheidungsfindung verbessern zu wollen, „indem wir neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte nutzen, ohne das Prinzip der Repräsentation aufzugeben. Wir werden Bürgerräte zu konkreten Fragestellungen durch den Bundestag einsetzen und organisieren. Dabei werden wir auf gleichberechtigte Teilhabe achten. Eine Befassung des Bundestages mit den Ergebnissen wird sichergestellt.“ Bürgerbeteiligung ist nie verkehrt, allerdings kommt es sehr darauf an, wer wie wo beteiligt wird. Sollte es darauf hinauslaufen, NGOs ein neues Einfallstor zur Gesetzgebung aufzumachen, könnte es für andere weniger gut Organisierte eng werden.

Erfreulich sind dagegen die Bekenntnisse zur Transparenz von Lobbyismus und bei der Parteienfinanzierung. Bei Gesetzentwürfen der Bundesregierung und aus dem Bundestag sollen „Einflüsse Dritter im Rahmen der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben und bei der Erstellung von Gesetzentwürfen“ umfassend offengelegt werden. Zudem soll der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit wirksamer ausgestaltet werden. „Parteiensponsoring werden wir ab einer Bagatellgrenze veröffentlichungspflichtig machen. Die Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung von Zuwendungen an Parteien wird auf 35.000 Euro herabgesetzt. Spenden und Mitgliedsbeiträge, die in der Summe 7.500 Euro pro Jahr überschreiten, werden im Rechenschaftsbericht veröffentlichungspflichtig.“ Die Kontrolle soll durch die insoweit „personell und finanziell“ besser ausgestattete Bundestagsverwaltung erfolgen.

Dabei wird auch ein heikler Punkt nicht ausgespart: „Die Arbeit und Finanzierung der politischen Stiftungen wollen wir rechtlich besser absichern. Dies soll aus der Mitte des Parlaments geschehen unter Einbeziehung möglichst aller demokratischen Fraktionen.“ Spannend wird allerdings sein, ob nach der Reform mehr oder weniger Geld in die Stiftungen fließt, das am Ende möglicherweise wieder bei den Parteien landet. Und dass die Abstimmung zur Umsetzung des Vorhabens „mit den demokratischen Fraktionen“ erfolgen soll, darf als Ausschluss der AfD verstanden werden. Wie weit sich das mit dem Anspruch an Offenheit und Diskussionsfähigkeit verträgt, müssen die Regierungsparteien beantworten.

Dass gleich im ersten Jahr eine Wahlrechtsreform mit dem Ziel erfolgen soll, „nachhaltig das Anwachsen des Bundestages zu verhindern“, der „in Richtung der gesetzlichen Regelgröße“ verkleinert werden soll, ist löblich. Erreicht werden kann dies aber nur im Zusammenwirken mit der Opposition.

 Gut klingt, dass „alle staatlichen Stellen Verwaltungsverfahren so vereinfachen und verbessern sollen, dass gerichtliche Auseinandersetzungen möglichst vermieden werden.“ Doch dies ist eher ein frommer Wunsch, es sei denn, die Parteien überzeugen vor allem ihre eigenen Parteigänger, aus deren Ecke nicht eben wenige die Verfahren in die Länge ziehen. Dies sehen die Koalitionäre wohl auch selbst so, denn zugleich wird angekündigt, für „Angelegenheiten des Planungsrechts schaffen wir die Voraussetzungen für zusätzliche Senate am Bundesverwaltungsgericht“.

Auf der Haben-Seite verbucht werden kann dieses Vorhaben: „Wir wollen große und besonders bedeutsame Infrastrukturmaßnahmen auch im Wege zulässiger und unionsrechtskonformer Legalplanung beschleunigt auf den Weg bringen und mit hoher politischer Priorität umsetzen.“ Für diejenigen, die sich in der Materie nicht so auskennen: Große Projekte („systemrelevante Bahnstrecken, Stromtrassen und Ingenieursbauwerke, z. B. kritische Brücken“) sollen per Gesetz geplant werden, was die rechtlichen Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren, deutlich einschränkt.

Etwas überraschend findet sich unter der Überschrift ‘Digitale Wirtschaft’ auch folgender Satz: „Das Bundeskartellamt stärken wir im Umgang mit Plattformen.“ Wie das geschehen, was damit bezweckt werden soll, bleibt im Dunklen.

Klimaschutz in einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft

An erster Stelle wird in diesem Kapitel die Industrie genannt. Ihr komme „eine zentrale Rolle bei der Transformation der Wirtschaft mit Blick auf Klimaschutz und Digitalisierung zu“. Zu ihrer Beruhigung soll wohl die Feststellung dienen: „Wir werden die Innovations-, Investitions- und Wettbewerbsfähigkeit der Industrie stärken, um weiter Hochtechnologieland zu bleiben.“

Es soll zur „Gründung einer Europäischen Union für grünen Wasserstoff“ kommen. Wasserstoff ist für die Ampel das zentrale Element der Klimapolitik: „Im Interesse eines zügigen Markthochlaufs fördern wir zukunftsfähige Technologien auch dann, wenn die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff noch nicht ausreichend sichergestellt ist. Wir wollen den Einsatz von Wasserstoff nicht auf bestimmte Anwendungsfelder begrenzen.“

Sehr ambitioniert sind die Vorhaben gegenüber der deutschen Automobilindustrie. Deutschland soll „zum Leitmarkt für Elektromobilität, zum Innovationsstandort für autonomes Fahren“ werden. Dies dürfte man beispielsweise in China und den USA ganz anders sehen. Der Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur soll massiv beschleunigt werden. „Unser Ziel sind mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030.“ Sehr aufmerksam werden die deutschen Automobilhersteller zur Kenntnis nehmen müssen: „Wir setzen uns für die Verabschiedung einer ambitionierten und umsetzbaren Schadstoffnorm EURO 7 ein und werden dabei Wertschöpfung und Arbeitsplätze berücksichtigen.“

Für echte Mittelständler ist der Hinweis wichtig: „Unsere Wirtschaftspolitik setzt auf zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für einen wettbewerbsfähigen Mittelstand, für ein starkes Handwerk und für Freie Berufe.“ Wie sehr das am Ende beispielsweise im Vergleich mit der Industrie beachtet wird, muss sich zeigen. Besonders erfreulich ist für das Handwerk die Feststellung, „den Übergang von der Schule in die berufliche Bildung“ verbessern „und im Rahmen eines Ausbildungspakts Ausbildungsbotschafterinnen und -botschafter“ fördern zu wollen. Zudem soll die Ausbildung im Handwerk gezielt gefördert werden. „Zusätzlich wollen wir eine Begabtenförderung in der beruflichen Bildung einführen. Wir wollen den Zugang zur Meisterausbildung erleichtern, indem wir die Kosten von Meisterkursen und -briefen für die Teilnehmer deutlich senken.“

Ziemlich enttäuschend dagegen ist die Feststellung, die Koalition wolle „Beteiligungen und die Transparenz im Kammerwesen im Dialog mit den Sozialpartnern stärken“. Transparenz vermag die Grundfehler des Pflichtkammersystems nicht zu heilen.

Der Einzelhandel kommt auch vor. Mehr als Allgemeinplätze gibt es für ihn aber nicht wirklich: „Der stationäre Handel in Deutschland braucht attraktive Rahmenbedingungen, um im Strukturwandel gegenüber dem reinen Online-Handel bestehen und von der Digitalisierung profitieren zu können. Wir bemühen uns weiter um fairen Wettbewerb zwischen Geschäftsmodellen digitaler Großunternehmen und den lokal verwurzelten Unternehmen.“

Vergleichsweise viel Raum nehmen die Pläne zur Förderung der Start-ups ein. Sie sind sicher wichtig, aber die Gewichtung ist aus unserer Sicht zu stark. Da wird viel heiße Luft mit staatlichem Segen produziert.

Ein aus unserer Sicht falsches Denken zeigt sich bei dem Ziel zu prüfen, „wie das Bundeskartellamt gestärkt werden kann, um bei erheblichen, dauerhaften und wiederholten Verstößen gegen Normen des wirtschaftlichen Verbraucherrechts analog zu Verstößen gegen das GWB Verstöße zu ermitteln und diese abzustellen“.

Nordrhein-Westfalen und die FDP lassen bei der Formulierung grüßen: „Wir wollen Abläufe und Regeln vereinfachen und der Wirtschaft, insbesondere den Selbstständigen, Unternehmerinnen und Unternehmern mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben schaffen. Wir werden ein neues Bürokratieentlastungsgesetz auf den Weg bringen, welches die Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger sowie Verwaltung gegenüber dem bisherigen Bürokratieaufwand entlastet, ohne auf notwendige Schutzstandards zu verzichten.“

Der Fachkräftemangel soll mit bekannten Instrumenten behoben werden: ● Eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen ● Ältere Erwerbstätigen, die dies können und wollen, sollen mindestens bis zum regulären Renteneintrittsalter arbeiten dürfen ● Die berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung oder Neuorientierung auch in der Mitte des Erwerbslebens soll einen Schub erhalten und ● mehr Arbeitskräfteeinwanderung.

In dem Kapitel finden sich noch zahlreiche weiter Vorhaben, die mehr oder weniger dem übergeordneten Ziel eines ökologischen Umbaus dienen sollen. Erfreulich ist, dass diese Projekte immerhin nicht rein national betreiben werden sollen. Zu befürchten ist allerdings, dass in sie viel Energie gesteckt wird, die in anderen Ländern so nicht geteilt wird.

Ganz am Rande bemerkt: Warum der Vertrag mit 177 Seiten recht umfangreich ausgefallen ist, zeigt sich beispielsweise daran, dass auch Bereiche in ihn aufgenommen wurden, von denen man dies nicht unbedingt erwartet hätte, wie beispielsweise das Thema „Weidetierhaltung und Wolf“.

Sehr erfreulich ist, dass die neue Regierung sich nicht nur um das wahrscheinlich nicht zu erreichende Pariser Klimaziel kümmern will, sondern sich auch ernsthaft Gedanken macht, wie der realen Klimaveränderung zu begegnen ist: „Wir erarbeiten eine vorsorgende Klimaanpassungsstrategie, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Flutkatastrophe 2021. Mit einem Klimaanpassungsgesetz schaffen wir einen Rahmen, um gemeinsam mit den Ländern eine nationale Klimaanpassungsstrategie mit messbaren Zielen etwa in den Handlungsfeldern Hitzevorsorge, Gesundheits- und Allergieprävention und Wasserinfrastruktur umzusetzen und rechtzeitig nachsteuern zu können.“

Sehr umfangreich und teilweise sehr detailliert beschäftigt sich der Vertrag mit dem Umbau der Landwirtschaft. Man darf vermuten, dass hier weitgehend die Abgesandten der Grünen den Text erarbeitet haben.

Für viele dürfte das Thema Mobilität mehr Bedeutung haben. Allerdings kommt das textlich demgegenüber eher bescheiden daher. „Wir wollen die 2020er Jahre zu einem Aufbruch in der Mobilitätspolitik nutzen und eine nachhaltige, effiziente, barrierefreie, intelligente, innovative und für alle bezahlbare Mobilität ermöglichen.“

Klar angesprochen wird eine Verkehrspolitik, die mehr in die Schiene als in die Straßen investiert und bei der im Straßenbau Erhaltung vor Neubau geht. Der Schienengüterverkehr soll bis 2030 auf 25 Prozent steigen. Um das zu erreichen soll beispielsweise „bei neuen Gewerbe- und Industriegebieten die Schienenanbindung verpflichtend geprüft werden“. Die von vielen geforderte Aufspaltung der Deutschen Bahn, konkret die Bildung einer eigenständigen Netzgesellschaft, wird es nicht geben.

Ziemlich konkret ist dieses Vorhaben: „Wir werden 2023 eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut vornehmen, den gewerblichen Güterkraftverkehr ab 3,5 Tonnen einbeziehen und einen CO2-Zuschlag einführen, unter der Bedingung, eine Doppelbelastung durch den CO2-Preis auszuschließen.“ Hersteller von Ladeinfrastruktur sollten sich übrigens die Seiten 51 und 52 anschauen. Da finden sie Hinweise, welche Geschäftsmodelle von den Koalitionären dazu favorisiert werden.

Ziemlich oft (38 mal) taucht im Koalitionsvertrag übrigens das Zeitfenster 2030 auf. Das ist einerseits verständlich, weil viele der Maßnahmen kaum früher umzusetzen sind. Andererseits sollten die Koalitionäre wissen, dass sie dafür gleich zweimal wiedergewählt werden müssten, selbst wenn es ihnen gelänge das Ziel der auf fünf Jahre verlängerten Legislaturperiode zu erreichen. Da drängt sich der Verdacht auf, man habe kurzfristige Ziele vermieden, um sich nicht an deren Verfehlung messen lassen zu müssen.

Sehr umfangreich fallen die Erläuterungen zum Klimaschutz aus. Oberstes Ziel ist die Erreichung des Pariser 1,5-Grad-Zieles. Dem wird alles untergeordnet. Versprochen wird dabei: „Wir werden ein Klimaschutzsofortprogramm mit allen notwendigen Gesetzen und Vorhaben bis Ende 2022 auf den Weg bringen und abschließen.“ Erneuerbare Energien sollen mit aller Macht ausgebaut werden. Bis 2030 soll ihr Anteil an der Stromerzeugung 80 Prozent betragen. Dabei wird ein Bruttostrombedarf von 680 bis 750 TWh im Jahr 2030 unterstellt. Zur Zielerreichung sollen etwa „alle geeigneten Dachflächen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden.“

Für Windenergie sollen zwei Prozent der Landesfläche bereitgesellt werden. Die Kapazitäten für Windenergie auf See werden erheblich gesteigert. „Dazu werden wir entsprechende Flächen in der Außenwirtschaftszone sichern. Offshore-Anlagen sollen Priorität gegenüber anderen Nutzungsformen genießen.“

Der Ausstieg aus der Kohleverstromung soll auf 2030 vorgezogen werden, ohne dass dies zwingend vorgeschrieben wird. Die dafür erforderlichen Kompensationsmaßnahmen sollen „vorgezogen bzw. beschleunigt“ werden. Zur emotionalen Beruhigung wird bekundet: „Die betroffenen Regionen sowie die vom Kohleabbau Betroffenen können weiterhin auf solidarische Unterstützung zählen.“

Erdgas wird in den Rang einer Übergangstechnologie gehoben. „Die bis zur Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien notwendigen Gaskraftwerke müssen so gebaut werden, dass sie auf klimaneutrale Gase (H2-ready) umgestellt werden können.“ Angesichts des desolaten Zustandes des Netzausbaus klingt es eher witzig, dass „Netzinfrastrukturen in Zukunft auf allen politischen Ebenen stärker gemeinsam und vorausschauend“ geplant werden sollen.

Als soziale Komponente soll die EEG-Umlage zum 1. Januar 2023 nicht mehr von den Stromkunden, sondern dem Bundeshaushalt übernommen werden. Wer jetzt meint, der Bundeshaushalt werde vom Steuerzahler, also auch von Stromkunden, bedient, hat natürlich recht. Deshalb gibt es eine weitere Form der Finanzierung: „Die Finanzierung übernimmt der EKF, der aus den Einnahmen der Emissionshandelssysteme (BEHG und ETS) und einem Zuschuss aus dem Bundeshaushalt gespeist wird. Der EKF wird in der Lage sein, die Finanzierung der nötigen Klimaschutzmaßnahmen und der EEG-Umlage zu stemmen. Mit der Vollendung des Kohleausstieges werden wir die Förderung der Erneuerbaren Energien auslaufen lassen.“ Aus unserer Sicht läuft es im Ergebnis auf linke Tasche, rechte Tasche hinaus.

Es wird keine Rückkehr zur Atomenergie geben. Da dies außerhalb Deutschlands inzwischen von einigen Ländern anders gesehen wird, heißt es dazu im Koalitionsvertrag: „Wir setzen uns auf internationaler und europäischer Ebene dafür ein, dass die Atomenergie für die von ihr verursachten Kosten selbst aufkommt.“ Verhindern wird das den weltweiten weitern Betrieb von Atomkraftwerken nicht. Eher plakativ wirkt dagegen die Ankündigung: „Wir werden uns für eine Abschaltung der grenznahen Risikoreaktoren einsetzen.“

Respekt, Chancen und soziale Sicherheit in der modernen Arbeitswelt

Respekt, das war Olaf Scholz‘ Wahlkampfschlager. Zeichen des Respekts ist für die Koalition die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro und „ein modernes Arbeitsrecht, das Sicherheit und fair ausgehandelte Flexibilität ermöglicht“. Nach der einmaligen Erhöhung des Mindestlohnes soll im Anschluss daran wieder die unabhängige Mindestlohnkommission „über die etwaigen weiteren Erhöhungsschritte befinden“. Fragt sich nur, wer dieser Kommission dann noch angehören möchte. Die Midi-Job-Grenze wird auf 1.600 Euro erhöht, die Grenze bei den Minijobs auf 520  Euro angehoben. Mit Sachgrund befristete Arbeitsverträge dürfen beim selben Arbeitgeber maximal über sechs Jahre laufen. Obwohl es zur einmaligen gesetzlichen Erhöhung des Mindestlohnes nicht passt, soll die Tarifautonomie gestärkt werden.

Ein weiterer Wahlkampfschlager der SPD wird so angekündigt: „Die Rente muss verlässlich und auskömmlich sein, darum sichern wir das Rentenniveau und ergänzen sie um kapitalgedeckte Elemente. Wir erneuern mit dem Bürgergeld das System der Grundsicherung.“ Das Mindestrentenniveau von 48 Prozent soll dauerhaft gesichert werden. „In dieser Legislaturperiode steigt der Beitragssatz nicht über 20 Prozent“, verspricht die Ampel, ohne zu sagen, wie hoch der Beitrag anschließend ausfällt.

Am Acht-Stunden Arbeitstag soll festgehalten werden, aber immerhin soll eine befristete „Regelung mit Evaluationsklausel ermöglichen, dass im Rahmen von Tarifverträgen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können“. Außerdem soll es eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit geben, „wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, auf Grund von Tarifverträgen, dies vorsehen (Experimentierräume)“. Entbürokratisierung stellen wir uns anders vor.

Zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz soll es einen Einstieg in die „teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung“ geben. „Diese teilweise Kapitaldeckung soll als dauerhafter Fonds von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet werden und global anlegen. Dazu werden wir in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro zuführen.“

Der sogenannte Nachholfaktor in der Rentenberechnung soll „rechtzeitig vor den Rentenanpassungen ab 2022“ wieder aktiviert werden. Im Klartext: Sinken die Reallöhne, aber die Rente nicht, muss die Erhöhung der Rente solange angepasst werden, bis die Unterlassene Absenkung aufgeholt ist. Zur Freude Carsten Linnemanns soll „die Flexi-Rente durch bessere Beratung in ihrer Bekanntheit“ verbreitert und die Regelung zum Hinzuverdienst bei vorzeitigem Rentenbezug entfristet werden.

Selbständige erhalten die Zusage „wesentlicher Teil unserer Gesellschaft und Wirtschaft“ zu sein. Für Selbständige, „die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen“ wird eine Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit“ eingeführt.

Das Lieblingsthema der Linken in der SPD (und vieler Grünen) wird umgesetzt: „Anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV) werden wir ein Bürgergeld einführen.“ In den ersten beiden Jahren des Bürgergeldbezuges erfolgt die Leistung ohne Anrechnung des Vermögens und die Angemessenheit der Wohnung wird anerkannt. Umfangreich werden die geplanten Änderungen zum bisherigen Recht erläutert. Deren Tendenz, um mal Gerhard Schröders legendären Satz abzuwandeln, läuft darauf hinaus: Mehr fördern als fordern.

Umfangreiche Maßnahmen plant die Ampel im Bereich der Pflege. Dies ist an sich zu begrüßen, wird allerdings nicht ohne massive finanzielle Aufstockungen zu erreichen sein. Auch der öffentliche Gesundheitsdienst soll gestärkt werden. Wer noch ein Beispiel braucht, was da alles bezahlt werden soll: „Wir bekennen uns zu einer stabilen und verlässlichen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Den Bundeszuschuss zur GKV dynamisieren wir regelhaft. Wir finanzieren höhere Beiträge für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II aus Steuermitteln.“

Den stetig steigenden Mieten soll mit einem Bauboom begegnet werden. 400.000 Wohnungen sollen jährlich gebaut werden, davon 100.000  öffentlich-gefördert. Bauen soll generell billiger werden. Wer allerdings die einzelnen Vorhaben liest, kann leicht den Eindruck gewinnen, es könnte am Ende anders kommen. Wichtig für Vermieter: „Wir wollen eine faire Teilung des zusätzlich zu den Heizkosten zu zahlenden CO2-Preises zwischen den Vermietern einerseits und Mieterinnen und Mietern andererseits erreichen. Wir wollen zum 1. Juni 2022 ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen einführen, das die Umlage des CO2-Preises nach BEHG regelt. Sollte dies zeitlich nicht gelingen, werden die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab dem 1. Juni 2022 hälftig zwischen Vermieter und Mieterin bzw. Mieter geteilt.“

Die geltenden Mieterschutzregelungen werden evaluieren und verlängert. In „angespannten Märkten“ wird die Kappungsgrenze auf elf Prozent in drei Jahren abgesenkt. Die Mietpreisbremse wird bis zum Jahre 2029 verlängert. Qualifizierte Mietspiegel sollen gestärkt, verbreitert und rechtssicher ausgestaltet werden. Zur Berechnung sollen die Mietverträge der letzten sieben Jahre herangezogen werden. Für Gemeinden über 100.000 Einwohnerinnen bzw. Einwohnern werden qualifizierte Mietspiegel verpflichtend.

Chancen für Kinder, starke Familien und beste Bildung ein Leben lang

Für die FDP gilt seit Jahren der Spruch, sie wolle Deutschland zur „weltbesten“ Bildung verhelfen. Entsprechend umfangreich beschäftigt sich das Kapitel mit Maßnahmen zur Verbesserung des schulischen und außerschulischen Angebotes mit dem Ziel gleicher Bildungschancen für alle. Ein Problem dabei: Kultusangelegenheiten sind Ländersache. Und daran wird sich aller Voraussicht nach auch unter der Ampel nichts ändern. Auch hier findet sich wieder das magische Jahr 2030: „Gemeinsam mit den Ländern werden wir einen Digitalpakt 2.0 für Schulen mit einer Laufzeit bis 2030 auf den Weg bringen, der einen verbesserten Mittelabfluss und die gemeinsam analysierten Bedarfe abbildet.“

Als Kernprojekt des Kapitels dürfte die Einführung der Kindergrundsicherung gelten. „Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: Einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendlichen gleich hoch ist, und einem vom Elterneinkommen abhängigen, gestaffelten Zusatzbetrag. Volljährige Anspruchsberechtigte erhalten die Leistung direkt.“

In dem Kapitel findet sich auch manche eigentümliche Wortschöpfung. So will die Koalition beispielsweise für eine „kindersensible“ Justiz sorgen – was immer sich dahinter verbergen soll.

Freiheit und Sicherheit, Gleichstellung und Vielfalt in der modernen Demokratie

Das Kapitel enthält umfangreiche Ankündigungen zu Maßnahmen im Bereich der Justiz und der Polizei. Sie bleiben aber weitgehend allgemein gehalten. Oft sind es reine Absichtserklärungen. Die Neigung sich in eher theoretischen Formulierungen zu verlieren belegt etwas diese Zielvorgabe: „Wir sorgen für eine vorausschauende, evidenzbasierte und grundrechtsorientierte Sicherheits- und Kriminalpolitik. Dies werden wir mit einer unabhängigen interdisziplinären Bundesakademie begleiten.“

Das Kapitel enthält entgegen mancher Kommentierung durchaus auch verschärfte Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung, es atmet aber insgesamt den Geist einer latenten Sorge vor einem Überwachungsstaat: „Die Sicherheitsgesetze wollen wir auf ihre tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen sowie auf ihre Effektivität hin evaluieren. Deshalb erstellen wir eine Überwachungsgesamtrechnung und bis spätestens Ende 2023 eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation der Sicherheitsgesetze und ihrer Auswirkungen auf Freiheit und Demokratie im Lichte technischer Entwicklungen. Jede zukünftige Gesetzgebung muss diesen Grundsätzen genügen. Dafür schaffen wir ein unabhängiges Expertengremium (Freiheitskommission), das bei zukünftigen Sicherheitsgesetzgebungsvorhaben berät und Freiheitseinschränkungen evaluiert.“

Es finden sich hier auch einige konkrete Vorhaben, mit denen der Verbraucherschutz verbessert werden soll. Tendenziell schimmert dabei meist das Bild des eher unmündigen Bürgers durch, der vor seinen eigenen Fehlentscheidungen geschützt werden muss. Möglicherweise ist die Realität inzwischen leider auch so.

Eher weniger erwartet hätten wir, dass es im Unterpunkt Sport ebenfalls sehr kleinteilig zugeht: „Zur Unterstützung der Fankultur wird die Koordinationsstelle Fanprojekte gestärkt.“

Breiten Raum nehmen auch die Projekte zur Gleichstellung ein, was nicht überraschen kann. Ein zweifelhaftes Wirtschaftsverständnis zeigt sich bei der Formulierung: „Wir wollen die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schließen.“

Reichlich pathetisch geht es im Unter-Kapitel ‘Gute Lebensverhältnisse in Stadt und Land’ zu. So heißt es dort gleich einleitend: „Wir werden intensiv daran arbeiten, die innere Einheit sozial und wirtschaftlich zu vollenden. Insbesondere die Erfahrungen der Ostdeutschen wollen wir für die anstehenden Transformationsprozesse in ganz Deutschland nutzen. Digitalisierung, Energiewende und neue Formen der Mobilität eröffnen die Chance auf noch mehr regionale Wertschöpfung und eine neue Dynamik. Wir wollen ein neues kooperatives Miteinander mit den Kommunen.“ Konkret wird es eher nicht. Kein Wunder, fehlt es dem Bund hier doch vielfach an der Gesetzgebungskompetenz.

Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt

Das Kapitel enthält ein klares Bekenntnis zur Einbindung Deutschlands in die EU. Es werden zahlreiche Projekte genannt, die die Zusammenarbeit in der EU verbessern sollen. Versprochen wird zugleich: „Wir werden eine Regierung bilden, die deutsche Interessen im Lichte europäischer Interessen definiert.“ Leicht vermessen klingt der Anspruch, Europa „zu einem Kontinent des nachhaltigen Fortschritts machen und international vorangehen“ zu wollen. Da wird viel davon abhängen, wie die europäischen Partner dies bewerten. Gänzlich abgehoben klingt die Aussage, man wolle „die liberalen Demokratien Europas dazu befähigen, Desinformation, Fake-News, Kampagnen, Propaganda sowie Manipulationen aus dem In- und Ausland besser abwehren zu können“.

Bemerkenswert ist, dass sich in dem Vertrag auch eine vergleichsweise deutliche Mahnung an die EU-Länder findet, der EZB den Weg zur Abkehr von der Niedrigzinspolitik zu ermöglichen: „Preisstabilität ist elementar für den Wohlstand Europas. Die Sorgen der Menschen angesichts einer steigenden Inflation nehmen wir sehr ernst. Die EZB kann ihr Mandat, das vor allem dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet ist, dann am besten ausüben, wenn die Haushaltspolitik in der EU und in den Mitgliedsstaaten ihrer Verantwortung nachkommt.“

Beim Dauerthema Migration soll ein neuer Anlauf genommen werden: „Wir wollen einen Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik gestalten, der einem modernen Einwanderungsland gerecht wird. Dafür brauchen wir einen Paradigmenwechsel: Mit einer aktiven und ordnenden Politik wollen wir Migration vorausschauend und realistisch gestalten.“ Dass dies ein mehr als schwieriges Unterfangen ist, zeigt sich schon darin, dass die Umsetzung eher wolkig formuliert wird: „Wir streben ein in sich stimmiges, widerspruchsfreies Einwanderungsrecht an, das anwenderfreundlich und systematisiert idealerweise in einem Einwanderungs- und Aufenthaltsgesetzbuch zusammengefasst wird.“

Es sollen neue Tatbestände zum Bleiberecht geschaffen werden. Arbeitsverbote für in Deutschland Lebende sollen abgeschafft werden. Die Integrationsleistung soll verbessert, Asylverfahren sollen beschleunigt und der Familiennachzug „im Sinne der Integration und Aufnahmefähigkeit der Gesellschaft“ ausgeweitet werden. Als quasi Gegenmaßnahme gilt: „Nicht jeder Mensch, der zu uns kommt, kann bleiben. Wir starten eine Rückführungsoffensive, um Ausreisen konsequenter umzusetzen, insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern. Der Bund wird die Länder bei Abschiebungen künftig stärker unterstützen.“

Gut klingt zwar der Ansatz, eine „grundlegende Reform des Europäischen Asylsystems“ erreichen zu wollen. Die bekannten Widerstände innerhalb Europas, dies im Sinne dieser Koalition zu regeln, wird auch diese Regierung mit aller Wahrscheinlichkeit nicht brechen.

Die zukünftige Außenministerin Annalena Baerbock startet mit folgender Vorgabe: „Die deutsche Außenpolitik soll aus einem Guss agieren und ressortübergreifend gemeinsame Strategien erarbeiten, um die Kohärenz unseres internationalen Handelns zu erhöhen.“ Ein Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben findet sich nicht, dafür aber ein neues Drei-Prozent-Ziel. Das gilt aber nicht für die Verteidigungsausgaben, sondern langfristig für Investitionen Deutschlands „in internationales Handeln“.

Ein Streitthema der alten Großen Koalition wird etwas überraschend abgeräumt: „Bewaffnete Drohnen können zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz beitragen. Unter verbindlichen und transparenten Auflagen und unter Berücksichtigung von ethischen und sicherheitspolitischen Aspekten werden wir daher die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr in dieser Legislaturperiode ermöglichen.“

Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Finanzen

Das Kapitel beginnt mit der Feststellung, die Schuldenbremse wegen der Corona-Pandemie 2022 im Rahmen des Zulässigen nicht einzuhalten, sie aber ab 2023 wieder ohne Ausnahmen einzuhalten. Gleichzeitig sollen umfangreiche Investitionen zur Bekämpfung der Klimakrise bereitgestellt werden. Dafür soll mehr privates Kapital generiert werden. Es soll aber auch geprüft werden, „welche Beiträge öffentliche Förderbanken kapitalmarktnah zur Risikoabsicherung leisten können. Die KfW soll stärker als Innovations- und Investitionsagentur wirken.“

Zur Haushaltssicherung werden diverse Maßnahmen angekündigt. Darunter findet sich auch eine, deren Auswirkung nicht jedem sofort auffallen wird: „Die aufgrund der Überschreitung der regulären Obergrenze für die Nettokreditaufnahme (NKA) in den Jahren 2020 bis 2022 erstellten Tilgungspläne werden in einen vom Deutschen Bundestag zu beschließenden Gesamttilgungsplan zusammengefasst, um eine kohärente und dauerhaft tragfähige Schuldentilgung zu gewährleisten. Die Tilgung passen wir an die Tilgungsfristen der EU-Coronahilfen aus dem Programm Next Generation EU an.“ Konkret heißt das, der Tilgungszeitraum wird nach hinten verschoben.

Versprochen wird, „im Rahmen der Haushaltsaufstellungs- und des parlamentarischen Verfahrens auch Ausgabenkürzungen“ vorzunehmen und „Ausgabenreste“ abzubauen.

Bei den Investitionen in „Kernaufgaben des Staates verbleibt es grundsätzlich bei einer staatlichen Umsetzung und Finanzierung. Ausgewählte Einzelprojekte und Beschaffungen können im Rahmen Öffentlich-Privater Partnerschaften (ÖPP) umgesetzt werden. Dabei muss – unter Einbeziehung der Risiken – nach einheitlichen Kriterien durch eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung gezeigt werden, dass die Umsetzung eines konkreten ÖPP-Projektes wirtschaftlicher ist.“

Um den enormen Finanzbedarf zu decken, sollen die Subventionen beschnitten werden: „Wir wollen zusätzliche Haushaltspielräume dadurch gewinnen, dass wir im Haushalt überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben abbauen.“ Ein Beispiel dafür ist der degressive Abbau der Förderung für elektrische Fahrzeuge und Plug-In-Hybride. Ab dem 1. Januar 2023 soll sie nur noch für KFZ ausgegeben werden, „die nachweislich einen positiven Klimaschutzeffekt haben, der nur über einen elektrischen Fahranteil und eine elektrische Mindestreichweite definiert wird. Die elektrische Mindestreichweite der Fahrzeuge muss bereits ab dem 1. August 2023 80 Kilometer betragen. Über das Ende des Jahres 2025 hinaus ist die Innovationsprämie nicht mehr erforderlich.“ Die Privilegierung der Hybride bei der Dienstwagenbesteuerung soll nur noch gewährt werden, wenn sie beim Fahren zu mehr als 50 Prozent elektrisch betrieben werden.

Angekündigt wird eine Altschuldenentlastung der Kommunen. In welcher Höhe bleibt offen. Dies erfordert allerdings eine Grundgesetzänderung. Die Ampel ist daher hier auf die Opposition angewiesen.

Das Steuersystem soll „für Menschen und Unternehmen“ einfacher gemacht werden. Dazu soll „die Digitalisierung und Entbürokratisierung der Steuerverwaltung“ vorangetrieben werden. „Steuerhinterziehung und Steuervermeidung werden wir intensiver bekämpfen.“

Weitere Einzelmaßnahmen: Der Ausbildungsfreibetrag soll auf 1.200 Euro erhöht werden. Rentenversicherungsbeiträge sollen bereits ab 2023 vollständig abgezogen werden können. Der Sparerpauschbetrag soll zum 1 Januar 2023 auf 1.000 Euro erhöht werden. Den Ländern soll eine „flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer“ ermöglicht werden. Im Gegenzug sollen „steuerliche Schlupflöcher beim Immobilienerwerb von Konzernen (Share Deals)“ eingeschränkt werden.

Die Betriebsprüfung der Unternehmen soll optimiert werden: „Im Bereich der Unternehmensbesteuerung ist es uns ein Anliegen, die Steuerprüfung zu modernisieren und zu beschleunigen. Dafür setzen wir uns insbesondere für verbesserte Schnittstellen, Standardisierung und den sinnvollen Einsatz neuer Technologien ein.“

Auch in diesem Kapitel findet sich wiede reine bemerkenswerte Wortschöpfung, die viel über die Haltung der Ampel aussagt: „aggressive Steuergestaltungen“. Maßnahmen gegen den Umsatzsteuerbetrug sollen verbessert und ausgebaut werden. Auf der anderen Seite soll Deutschland zum „führenden Start-Up-Standort in Europa werden“.

Der Geldwäsche wird ein verschärfter Kampf angekündigt. Sie soll nicht nur national, sondern auch europaweit effektiver gestaltet werden. Auch Schwarzarbeit und Finanzkriminalität sollen „effizienter verfolgt“ werden.

Wer hier Zahlen vermisst, mit welchen Ausgaben und welchen Einnahmen aufgrund all dieser Vorhaben gerechnet wird, den müssen wir enttäuschen: Es gibt sie in dem Vertrag nicht.

Arbeitsweise der Regierung und Fraktionen

Zum Abschluss haben die Ampel-Partner noch aufgeschrieben, wie sie zusammenarbeiten wollen Einmal monatlich soll der Koalitionsausschuss tagen, „um grundsätzliche und aktuelle politische Fragen miteinander zu diskutieren und die weitere Arbeitsplanung miteinander abzustimmen“. Getreu der Freiheit des Abgeordnetenmandats hat sich auch die Ampel auf das Gegenteil verständigt: „Im Deutschen Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.“


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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