Montag, 19. Juli 2021

Lindner beim Dialog mit dem HDE: „Höhere Abgaben für Arbeitnehmer und Unternehmer wären Sabotage des Aufschwungs“

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Als der Handelsverband Deutschland (HDE) eingeladen hatte, im Rahmen seiner Gesprächsreihe ‘Bundestagswahl 2021: Zeit zum Handeln’ heute virtuell an der Auftaktdiskussion mit dem FDP-Parteichef und Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Lindner, teilzunehmen, war von einer Flutkatastrophe ungeheuren Ausmaßes in Deutschland noch keine Rede. In der Einladung ging es vorrangig um den weiteren Umgang mit der Corona-Pandemie und um Konzepte für den Neustart des Einzelhandels.

Die waren auch heute noch Gegenstand der Diskussion zwischen Lindner und Stefan Genth, dem Hauptgeschäftsführer des HDE. Überlagert wurden sie zunächst jedoch von der Diskussion, was aus der Ereignisse der vergangenen Woche zu lernen ist und wie den Betroffenen geholfen werden kann. Dies wollen wir an dieser Stelle jedoch ausblenden und uns auf die sonstigen Themen beschränken, die aus Sicht des HDE bei der Bundestagswahl für Einzelhändler wahlentscheidend sein können. Auch deshalb, weil bei den weiteren Gesprächen mit den politischen Mitbewerbern die Hochwasserkatastrophe wieder in den Hintergrund treten dürfte.

Zunächst wollte Genth von Lindner wissen, wie er zu einem möglichen neuen Lockdown stehe. Diese Frage lag auf der Hand, da sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gerade damit hat zitieren lassen, einen dritten Lockdown dürfe es nicht mehr geben. Der HDE misstraut der Aussage, weil Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im letzten Sommer auch schon behauptet hatte, die Geschäfte würden nicht mehr geschlossen. Lindner ergänztes dies um den Hinweis, zudem habe der „Wellenbrecher-Lockdown“ nach Verlautbarungen der Bundesregierung auch nur von kurzer Dauer sein sollen, sich aber letztlich über mehrere Monate erstreckt. Für die FDP sei klar, es dürfe keinen Lockdown mehr geben. Er sei angesichts des Impffortschritts und der bewährten Hygienekonzepte in Handel und Gastronomie unverhältnismäßig. Sollte ein solcher dennoch in absehbarer Zukunft erneut angeordnet werden, werde die FDP dagegen Verfassungsbeschwerde erheben, erklärte Lindner. Zur weiteren Pandemiebekämpfung brauche es mehr Tempo beim Impfen. Impfangebote sollte es überall geben, um die bisher nicht Geimpften zur Impfung zu bewegen. Zudem brauche es klare Konzepte und Umsetzungen für die Wiedereröffnung der Schulen  nach den Sommerferien. Die Logistik für Massentests in den Schulen müsse jetzt bereitgestellt werden.

Nächstes Thema war die Frage, wie dem innerstädtischen Einzelhandel geholfen werden kann, den Standort Innenstadt für den Handel am Leben zu erhalten. Den Vorschlag des HDE, staatlicherseits Einkaufsgutscheine an die Kunden zu verteilen, die nur in Geschäften eingelöste werden können, die Einschränkungen bei der Öffnung erfahren haben, lehnt Lindner ab. Dies lasse sich nicht zielgerichtet steuern. Er nannte vier Punkte, die aus Sicht der FDP helfen sollen: 1. Die Finanzierung der Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Innenstädte müsse durch den Bund abgesichert werden. 2. Planungs- und Genehmigungsverfahren müssten drastisch vereinfacht und beschleunigt werden, um zu schnelleren Lösungen kommen zu können. 3. Es müsse verlässliche Sonntagsöffnungen geben, die durch rechtliche Klarstellungen des Bundes ermöglicht werden müssten. Dies betreffe notfalls auch das Grundgesetz. 4. Es brauche fairer Bedingungen zwischen Online- und Offlinehandel, soweit es die großen Konzerne im Onlinehandel betreffe. Wie dies allerdings konkret erreicht werden soll, blieb wie so manches bei seinen Konzepten offen. Klar sei jedenfalls, hierfür brauche es europäische Ansätze. National lasse sich dies kaum zielführend lösen. Hinsichtlich der Erreichbarkeit der Innenstädte sprach sich Lindner für eine klare Wahlfreiheit der Kunden aus. Jedes Verkehrsmittel, das der Kunde benutzen wolle, müsse auch benutzt werden dürfen. Eine Abriegelung der Innenstädte für Privatfahrzeuge lehnt er ab.

Genth wollte im Weiteren von Lindner wissen, wie sich die von der FDP geforderte Einhaltung der Schuldenbremse mit der Forderung nach Steuersenkungen vertrage. Lindner erwiderte, dies sei möglich, wenn konsequent die Ausgabenseite des Staates kritisch hinterfragt werde. Ziel müsse sein, durch Investitionsanreize und Bürokratieabbau, Wachstum zu generieren, in dessen Folge dann auch die Steuern gesenkt werden könnten. Eine höhere Belastung der Arbeitnehmer und Unternehmer sei aus seiner Sicht „Sabotage am Aufschwung“. Eine erneute Erhöhung der Mehrwertsteuer schloss Lindner für die FDP aus. Sie sei nicht erforderlich und würde zudem jeden treffen, „auch den Bafög-Empfänger“. Es sei der falsche Ansatz, permanent die Ausgaben des Staates zu erhöhen und in der Folge dann Steuern und Abgaben. Es brauche die Diskussion, was eigentlich Aufgabe des Staates sei. Jedem Wähler müsse klar sein, gebe es nach der Bundestagswahl eine Schwarz-Grüne-Regierung, sei „der Weg für Steuersenkungen verschlossen“. Steuersenkungen werde es nur in einer Regierung mit FDP-Beteiligung geben.

Genth konfrontierte Lindner daraufhin mit Lindners berühmten Satz aus den letzten Jamaika-Koalitionsverhandlungen im Bund: „Es ist besser, gar nicht zu regieren, als schlecht zu regieren.“ Ob dieser Ansatz für die FDP bei Koalitionsverhandlungen im Herbst für die FDP dann auch wieder gelte. Im Grundsatz ja, antwortete Lindner, „aber dieses Mal verhandeln wir nicht mit Angela Merkel und Peter Altmaier“, die bei den Verhandlungen auf der Seite der Grünen gestanden hätten, sondern „mit Armin Laschet und Friedrich Merz“. Die stünden, wenn sie nicht sogar Sympathie für die Forderungen der FDP hätten, zumindest nicht auf der Seite der Grünen, sondern schauten auf die Positionen der Union. Eine Ampel-Koalition (Grün-Rot-Gelb oder Rot-Grün-Gelb) hält Lindner nicht für ein realistisches Szenario. Ihm fehle da die Fantasie, was Annalena Baerbock oder Olaf Scholz der FDP anbieten könnten, um eine gemeinsame Regierung zu bilden. „Realistisch“, so seine Prognose, „geht es um Schwarz-Grün oder Jamaika.“ Das wird sich im September zeigen. Nicht alle werden Lindners Positionen so goutieren wie der HDE.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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