Gehalt in der Ausbildung: Wie viel verdient ein Azubi?

Ausbildung oder Studium? Eine Entscheidung, für die viele Faktoren eine Rolle spielen. Einer ist das Gehalt, das die Auszubildenden erwartet. Ausbilder haben eine angemes­sene Vergütung zu gewähren (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Berufsbildungsgesetz/BBiG). Was 'angemessen' ist, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Nennt der Absatz 2 Nr. 1 konkrete Euro-Beträge, gestaffelt nach Ausbildungsbeginn, werden in Nr. 2 je nach Ausbildungsjahr die prozentualen Steigerungen angeführt. Weicht eine Vergütungsvereinbarung zu Ungunsten des Auszubildenden von der Vorschrift des § 17 BBiG ab, ist sie nichtig. Darauf weisen unsere Kollegen von der Schwesterausgabe 'arbeitgeber intern' hin.

Aber selbst, wenn sich ein Arbeitgeber penibel genau an ­diese Vorgaben hält, ist er dennoch nicht sicher 'aus dem Schneider'. Denn nach Absatz 4 ist eine vereinbarte Vergütung, selbst wenn sie die Mindestvergütung nach Absatz 2 nicht unterschreitet, in der Regel nicht angemessen, wenn sie die Höhe der in einem Tarifvertrag geregelten Vergütung, in dessen Geltungsbereich das Ausbildungsverhältnis fällt, an den der Ausbildende aber nicht gebunden ist, um mehr als 20 % unterschreitet (Landesarbeitsgericht/LAG Mecklenburg-Vorpommern; Az. 2 Sa 251/21).

Der Streitfall: Maik Muck ist Auszubildender zum Kfz-Mechatroniker. Er findet, seine Vergütung sei unangemessen niedrig. Er will die Differenz ausbezahlt erhalten. Der Grund: Seiner Meinung nach stünde ihm die Vergütung in tariflich vorgesehener Höhe zu. Die Ausbildungsvergütung, wie sie im Ausbildungsvertrag steht, genüge nicht den Vorgaben des BBiG, weil sie 80 % der tariflich vorgesehenen Vergütung unterschreite. Zur Ermittlung der Vergleichsvergütung müsse die tariflich für eine regelmäßige Ausbildungszeit von 37,5 Stunden pro Woche vorgesehene Ausbildungsvergütung auf die von ihm absolvierte Ausbildungszeit von 40 Stunden pro Woche umgerechnet werden. Er klagte – und gewann beim Arbeitsgericht. Die Berufung des Arbeitgebers wurde in der zweiten Instanz zurückgewiesen. Revision ist nicht möglich.

Bei der Ermittlung der angemessenen Vergütung bilden die einschlägigen Tarifverträge den wichtigsten Anhaltspunkt für die Verkehrsanschauung. Das Ergebnis von ­Tarifverhandlungen berücksichtigt die Interessen beider Seiten. Damit hat es die Vermutung der Angemessenheit für sich. Eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, gilt deswegen stets als angemessen. Unangemessen ist sie, wenn sie die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 % ­unterschreitet (Bundesarbeitsgericht/BAG vom 16.5.2017 – Az. 9 AZR 377/16; vom 29.4.2015 – Az. 9 AZR 108/14; vom 26.3.2013 – Az. 3 AZR 89/11).

Der Auszubildende trägt die Darlegungs- und Beweislast ­dafür, dass die vereinbarte Ausbildungsvergütung unangemessen ist. Seiner Darlegungslast genügt er regelmäßig damit, dass er auf die einschlägige tarifliche Vergütung verweist und vorbringt, seine Ausbildungsvergütung unterschreite diese um mehr als 20 %. Sie als Arbeitgeber können sich in solchen Fällen nicht einfach auf den Vortrag beschränken, die von Ihnen bezahlte Vergütung sei angemessen. Sie müssen vielmehr substantiiert begründen, weshalb im Einzelfall ein von den hier aufgeführten Grundsätzen abweichender Maßstab gelten soll (BAG vom 16.5.2017 – Az. 9 AZR 377/16).

Bei Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit muss sich die Prüfung der Angemessenheit auch an einer erhöhten Vergütung orientieren. 'Schützenhilfe' leistet hier auch § 17 Abs. 7 BBiG, der fordert, dass eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen ist.

'mi'-Fazit: Da die Vereinbarung im Ausbildungsvertrag wegen der Nichteinhaltung der 80-%-Klausel nichtig ist, hat der Auszubildende im Ausgangsfall Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der tatsächlich gezahlten laufenden Ausbildungsvergütung und den in seiner Region anzuwendenden tariflichen Sätzen. Erkundigen Sie sich regelmäßig bei Ihrer Innung oder bei Ihrem Fachverband nach den ­jeweils geltenden Tarifverträgen. Wir haben Ihnen in den ­Tabellen die aktuell gültigen und die demnächst eingeführten Bezüge am Beispiel NRW vorgestellt. Abweichungen bei anderen Bundesländern sind möglich.