Mittwoch, 17. Mai 2023

Bundesverwaltungsgericht segnet Ermächtigungsgrundlage für Corona-Einschränkungen in gleich drei Urteilen ab

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Ende letzter Woche hatte der Bundesgerichtshof Entschädigungsansprüche wegen des ersten Corona-Lockdowns erneut abgelehnt. Gestern hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in gleich drei bisher unveröffentlichten Entscheidungen die Ermächtigungsgrundlage der Corona-Einschränkungen für die Gastronomie für rechtmäßig erachtet. Gleichzeitig hat es aber die sächsische Schließungsregel für Fitnessstudios für rechtswidrig erklärt. Zwei der Fälle waren zuvor vom Oberverwaltungsgericht (OVG) des Saarlandes in Saarlouis anders entschieden worden.

Nimmt man die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 19. November 2021 hinzu, mit denen es die Kontaktbeschränkungen und Schulschließungen verfassungsrechtlich abgesegnet hatte, haben sich offenbar alle in Betracht kommenden Bundesgerichte darauf verständigt, nicht nachträglich am rechtlichen Grundgerüst des Coronamanagements des Bundes und der Länder zu rütteln.

Die Antragstellerin des einen Verfahrens betreibt ein spanisches Restaurant, der Antragsteller des anderen Verfahrens ein Gourmetrestaurant. Beide wenden sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 der bis zum 15. November 2020 geltenden Saarländischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) vom 30. Oktober 2020, mit der landesweit der Betrieb von Gaststätten verboten wurde.

Das OVG Saarlouis hatte seinerseits festgestellt, die Verordnung sei unwirksam, weil sie nicht auf einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruht habe. Die Verordnungsermächtigung habe nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes und des Parlamentsvorbehalts entsprochen. Die Übergangszeit, in der aus Gründen des Gemeinwohls noch ein Rückgriff auf diese Generalklausel möglich gewesen sei, sei im Oktober/November 2020 abgelaufen gewesen. Die „zweite Corona-Welle“ sei schon im Sommer 2020 vorhersehbar gewesen. Anders als im März sei der Bundesgesetzgeber vom Anstieg der Corona-Infektionen im Herbst nicht überrascht worden. Ihm wäre es daher möglich gewesen, „jedenfalls bis zur parlamentarischen Sommerpause oder spätestens unmittelbar danach die erforderliche parlamentsgesetzliche Grundlage für die pandemiebedingte Schließung von Gastronomiebetrieben zu erlassen“.

Das BVerwG hat die beiden Urteile des OVG aufgehoben. Entgegen der Auffassung des OVG sei die infektionsschutzrechtliche Generalklausel in dieser Auslegung bei Erlass der Verordnung und auch während ihrer Geltungsdauer eine verfassungsgemäße Grundlage für die Schließung von Gastronomiebetrieben im Wege der Rechtsverordnung gewesen. Die Regelung habe „auch im genannten Zeitraum noch den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots und des Demokratie- und Rechtsstaatsgebots“ entsprochen. Die Erfahrungen mit der „ersten Welle“ der COVID-19-Pandemie hätten zwar Anlass geben können, ausdrücklich zu regeln, „ob die Schließung von Gastronomiebetrieben unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht zulässig sein soll“. Dass der Gesetzgeber dies mit Blick auf die Generalklausel und ihre Anwendung in der Pandemie nicht für erforderlich gehalten habe, „überschritt den ihm zukommenden Spielraum nicht“.

Eine gewisse Hoffnung bleibt den beiden Betrieben. Denn das BVerwG hat die Sache an das OVG zurückverwiesen, weil es aufgrund seines Ansatzes einer fehlenden Ermächtigungsgrundlage nicht geprüft hatte, ob die Maßnahmen verhältnismäßig waren und dem Gleichheitsgrundsatz entsprochen haben. Das muss das OVG Saarlouis nun nachholen. Für gewisse Regelungen in Bayern hat das BVerwG bereits Ende November letzten Jahres entschieden, sie seien unverhältnismäßig gewesen.

Im dritten Urteil ging es um die Schließung eines Sport- und Freizeitcenter in Sachsen, zu dem u. a. ein Restaurant, ein Hotel, ein Fitness- und ein Ballsportbereich gehören. Die Schließung des Gastronomiebetriebes ist aus Sicht des BVerwG nicht zu beanstanden, wohl aber die einschränkungslose Schließung des Fitnessbereiches. Die Beschränkungen für Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs durch die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 30. Oktober 2020 hätten im Infektionsschutzgesetz eine verfassungsgemäße Grundlage gehabt und seien verhältnismäßig gewesen. Die Schließung von Fitnessstudios nach Nr. 4 der Vorschrift (Öffnung nur für medizinisch notwendige Behandlungen zulässig) sei jedoch unwirksam. Dass Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand in Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs, nicht aber in Fitnessstudios zulässig gewesen sei, sei unvereinbar mit dem Gleichheitssatz gewesen. „Einen tragfähigen Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte“, habe das OVG Bautzen nicht festgestellt. Ein solcher sei auch nicht ersichtlich

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Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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