Mittwoch, 27. September 2023

Robert Habeck stellt Schuldenbremse subtil infrage

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Als Bundesfamilienministern Lisa Paus nach der Sommerpause des Kabinetts Christian Lindners Wachstumschancengesetz durch ihr Veto erst einmal platzen ließ, gehörte Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck zu den schärfsten Kritikern dieses Vetos. Nicht weil Habeck grundsätzlich gegen die damit von Paus erzwungene Einigung bei der Kindergrundsicherung war oder Probleme damit hätte, den Koalitionspartner FDP kleinzuhalten, sondern wegen des damit verbundenen schlechten Images der Ampelkoalition in der Öffentlichkeit, unmittelbar nach dem gewünschten Neustart.

Gestern hat Habeck ein Musterbeispiel dafür abgeliefert, wie man ein Lieblingsprojekt des Koalitionspartners FDP und deren Parteivorsitzenden und Bundesfinanzministers in wohl gewählten Worten subtil sabotieren kann. Denn Habeck nutzte den Klimakongress des BDI dazu, die grundgesetzlichen Regeln der Schuldenbremse grundsätzlich infrage zu stellen. Allerdings nicht einfach so, sondern in einer typisch Habeck'schen Herleitung.

So stellte er zunächst einmal fest, der Inhalt des Spannungsverhältnisses zwischen Klimaschutz und Transformation der Wirtschaft habe sich geändert. Vor einem Jahr sei es dabei um die Frage nach Energiesicherheit und Energieversorgung gegangen. Konkret: „Wie kommen wir durch den Winter?“ Diese Frage stelle sich derzeit so nicht mehr, jedenfalls nicht mehr in dieser Schärfe. In diesem Jahr gehe es vielmehr um die Frage: „Wie schaffen wir erneuten Wohlstand, wie schaffen wir wieder Wachstum?“ Denn der Klimaschutz sie eingebettet in andere Nöte und Herausforderungen und könne nicht „frei davon gedacht oder argumentiert werden“. Offensichtlich hat die unsägliche Debatte um das Heizungsgesetz zumindest bei Habeck zu einem Lernprozess geführt.

Klimaschutz könne nur dann gelingen, so führte er weiter aus, „wenn er mit wirtschaftlicher Prosperität einhergeht“. Die Wirtschaft müsse wieder anziehen, „damit wir sie dekarbonisieren können“. Nun ist aber auch Habeck nicht entgangen, dass derzeit das Gegenteil von wirtschaftlicher Prosperität besteht. Er selbst verwies darauf, die energieintensive Industrie sei in den letzten Monaten grob gesprochen um 20 Prozent zurückgegangen, „ein dramatischer Einbruch“. Energieintensive Betriebe werde es aber zukünftig mehr geben, denn bei der gewünschten Dekarbonisierung brauchten alle mehr Strom.

Also, schlussfolgerte Habeck, brauche es billigen Strom für alle. In einem ersten Schritt habe er einen Brückenstrompreis für energieintensive Betriebe vorgeschlagen. Der BDI habe allerdings gefordert, der Strom müsse für alle billiger werden, was möglich sei, wenn sämtliche Abgaben auf den Strom auf das rechtlich zulässige Maß gesenkt würden. Dies, so Habeck, habe er sich nicht zu fordern getraut, „wegen der enormen Kosten“.

Und damit war der Boden bereitet, um durch ihn die Frage in den Raum zu stellen: „Passen eigentlich die finanzpolitischen Regelungen, die wir uns gegeben habe, zu den Bedürfnissen oder zu den Anforderungen, die wir im Moment, zu dieser Zeit, bestehen müssen?“ Die Regelungen, die Habeck meint, sind die der grundgesetzlichen Schuldenbremse, und die gehören zum Kernbestand der aktuellen FDP-DNA. Deutschlands innere Sicherheit und Deutschlands Lebensgefühl, alles werde gut, habe auf drei politischen Annahmen beruht: „Günstiges russisches Gas, China als Exportmarkt und Amerika passt auf uns auf, militärisch.“ Alle drei Annahmen seien, „um es freundlich zu formulieren, mindestens erschüttert.“ Ob diese Regelungen daher weiter Bestand haben könnten, sei „zumindest eine virulente Frage“, auch wenn sie den Kongress vielleicht überfordere. Sie sei jedenfalls „eine hochpolitische Frage“.

Man darf Bundeskanzler Olaf Scholz schon jetzt viel Spaß bei der Moderation der von Habeck neu aufgerufenen Abschaffung der grundgesetzlichen Schuldenbremse wünschen. Subtil daran ist vor allem, dass im Prinzip die bestehenden Regelungen der Schuldenbremse (Art. 109 GG) eine Abkehr von ihr bei „Auswirkungen einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung sowie für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“, erlauben. Bei dem von Habeck gezeichneten aktuellen Bild der Wirtschaft ließe sich das wahrscheinlich sogar begründen. Aber das ist naturgemäß schwieriger, als ohne Schuldenbremse großzügig das Subventionsfüllhorn über alle auszugießen, ohne die Frage zu beantworten, wer dies in Zukunft wie zurückzahlen soll. Und wählerwirksamer wäre es allemal, für Bündnis 90/Die Grünen. Für die FDP wohl eher nicht.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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