Donnerstag, 17. August 2023

Paus bremst Lindner mit den eigenen Waffen aus und schadet so der Kindergrundsicherung

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„Die spinnen, die Römer“. Asterix-Fans, die es dem Vernehmen nach auch unter Politikern von Bündnis90/Die Grünen geben soll, kennen diesen Spruch zur Genüge. Ob Lisa Paus, ihres Zeichens amtierende Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, auch zu diesem Personenkreis gehört, wissen wir nicht. Aber so mancher politische Beobachter dürfte gestern an diesen Spruch in abgewandelter Form gedacht haben: „Die spinnen, die Grünen.“ Denn gleich in der ersten Kabinettssitzung nach der Sommerpause lieferte Paus ein Beispiel dafür, wie man einen allseits innerhalb der Ampel angeblich gewünschten schmerzfreien Neustart ins Gegenteil verkehren kann.

Paus blockierte eine Beschlussfassung des Bundeskabinetts mit dem Wachstumschancengesetz (welch ein genialer Name für ein Gesetz), das Bundesfinanzminister Christian Lindner zur eigenen Profilierung und der der Ampel gestern eigentlich der Presse vorstellen wollte. Paus nutzte dabei im Prinzip das Modell FDP/Lindner, um sich für das bisherige Verhalten der FDP gegenüber der geplanten Kindergrundsicherung zu ‘rächen’. Im Koalitionsvertrag ist zwar die Einführung der Kindergrundsicherung vereinbart („Wir wollen Familien stärken und mehr Kinder aus der Armut holen. Dafür führen wir eine Kindergrundsicherung ein.“), doch die Parteien hatten offengelassen, in welchem finanziellen Umfang dies geschehen soll (obwohl gleich an acht Stellen des Koalitionsvertrages von der Kindergrundsicherung die Rede ist).

Während Paus möglichst viel Geld dafür vom Steuerzahler haben will (anfangs war von zwölf Milliarden Euro die Rede, inzwischen geht es um mindestens sieben Milliarden Euro), bremst Lindner im Hinblick auf die Einhaltung der Schuldenbremse und hat bisher lediglich zwei Milliarden Euro in den Haushaltsentwurf eingestellt. Da er umgekehrt mit dem Wachstumtschancengesetz aber Steuererleichterungen in Höhe von 6 Milliarden Euro umsetzen will, hat Paus ihre Chance gesehen, Lindner für Bereitstellung höherer Mittel zur Kindergrundsicherung zu ‘erpressen’.

Dabei hat sie zunächst die Logik auf ihrer Seite: Denn wenn Lindner meint, er könne die Schuldenbremse einhalten, auch wenn er in Höhe von sechs Milliarden Euro auf Einnahmen verzichtet, dann könnte er umgekehrt auch die sechs Milliarden auf der Ausgabenseite verbuchen, sofern er die Steuererleichterungen nicht umsetzt. Und natürlich weiß auch Lindner, dass für die Grünen die Kindergrundsicherung genauso zum Markenkern gehört wie für ihn die Einhaltung der Schuldenbremse. Hinzukommt: Die FDP hatte zuletzt alles unternommen, um die Grünen möglichst schlecht dastehen zu lassen, um selbst in der Wählergunst wieder zuzulegen.

Und doch ist völlig unverständlich, warum Paus jetzt diesen Pflock eingeschlagen hat. Sie selbst hat bisher immer davon gesprochen, man dürfe Themen nicht gegeneinander ausspielen, also beispielsweise Wirtschaftsförderung gegen Soziales. Und sie weiß auch, dass die SPD und Bundeskanzler Olaf Scholz eher Krach wegen der unterbliebenen Entlastung der Wirtschaft mit ihr riskieren werden als mit der FDP um Lindner wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Schuldenbremse zur besseren Ausstattung mit der Kindergrundsicherung.

Zudem scheint Paus völlig außer Acht zu lassen, dass sich nicht nur der Zuspruch der Bevölkerung zu Grünen-Kernanliegen drastisch verringert hat, sondern sich auch die mediale Unterstützung dafür langsam ins Gegenteil verkehrt. Ein Blick in den Pressespiegel dürfte ihr das drastisch vor Augen führen. Überspitz formuliert: Vor dem Debakel um das Heizungsgesetz hätten wahrscheinlich etliche Kommentatoren den gestrigen Schritt als in der Sache nachvollziehbare Retourkutsche bezeichnet. Davon ist aber heute nichts mehr zu lesen. Allenthalben regiert Kopfschütteln über diese Aktion den Blätterwald und die elektronischen Medien.

Dass Paus‘ Widerstand im Prinzip aussichtslos ist, machte gestern der Kanzler auf die ihm eigenen Art deutlich. Auf dem Unternehmertag der Landesvereinigung der Unternehmerverbände NRW erklärter er im Brustton der Überzeugung, die Koalition werde das Wachstumschancengesetz auf der Kabinettsklausur Ende August in Meseberg verabschieden. Man darf davon ausgehen, dass dann auch die Steuererleichterungen noch in dem Gesetzentwurf enthalten sein werden. Und vor der nächsten Steuerschätzung im November wird Lindner auch keine weiteren Ausgaben in den Haushalt packen. Andernfalls wäre die Ampel wohl am Ende.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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