Dienstag, 23. April 2024

Stimmung im Mittelstand so schlecht wie zu Zeiten der Weltfinanzkrise

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Bundeskanzler Olaf Scholz zieht weiter durch die Lande mit seiner frohen Botschaft, die wirtschaftliche Lage Deutschlands sei besser als die Stimmung. Aktuell revanchierte er sich auf der Hannover Messe gegenüber BDI-Präsident Siegfried Russwurm, der als Bilanz der bisherigen Scholz-Kanzlerschaft von „zwei verlorenen Jahren“ gesprochen hatte, mit der Feststellung, für ihn seien das „zwei Jahre der Transformation“. In Teilen mag das stimmen, in weiten Bereichen ist das aber schlicht falsch. Zum Beleg sollte sich Scholz gerne die Ergebnisse der aktuellen Untersuchung der Creditreform Wirtschaftsforschung zur Wirtschaftslage im Mittelstand anschauen, die auf der Befragung von 1.250 kleinen und mittleren Unternehmen beruht. Die haben nichts mit dem BDI, aber viel mit dem Wohlstand in Deutschland zu tun.

Die Creditreform selbst überschreibt die Ergebnisse mit der Feststellung: „Stimmungslage im Keller“. Ginge es nach Scholz, wäre dies wahrscheinlich ein weiterer Beleg für die von ihm kritisierte Haltung der Kaufleute zur ständigen Klage. In Wahrheit lassen die Fakten keine andere Wertung zu. Der Creditreform Geschäftsklimaindex (CGK) zur Beurteilung der Wirtschaftslage im Mittelstand sank auf minus 1,4 Punkte. Erstmals seit dem Frühjahr 2009 verzeichnet der Sektor damit ein überwiegend negatives Stimmungsbild. „Die Hoffnung auf eine Konjunkturerholung nach dem dritten Krisenjahr wird sich nicht erfüllen“ prognostiziert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, und verweist dabei auf die schlechteste Stimmung im Mittelstand seit der Weltfinanzkrise. Die Geschäftserwartungen seien pessimistischer als im Vorjahr und lägen auf dem niedrigsten Stand seit 15 Jahren. Neben den Kriegen in Osteuropa und im Vorderen Orient trage auch die derzeitige Wirtschaftspolitik zur hohen Verunsicherung bei.

Die Abschwächung der Inflation habe bei den Unternehmen bisher noch keine positiven Effekte hinterlassen, erläutert Hantzsch. Weiterhin überwögen die Nachwirkungen der Teuerung. Die weitere Auftrags- und Umsatzentwicklung werde im Mittelstand eher pessimistischer eingeschätzt als in den Vorjahren. Nur 21,9 Prozent der Befragten erwarteten für die kommenden Monate ein Auftragsplus, während 17,6 Prozent Rückgänge befürchteten. Leichte Konjunkturimpulse seien lediglich im Dienstleistungssektor möglich.

Besonders besorgniserregend für eine wirtschaftliche Erholung ist die unverändert geringe inländische Investitionsneigung. Hohe Finanzierungskosten und pessimistische Konjunkturaussichten dämpfen diese massiv. Derzeit planten nur 43,9 Prozent der Befragten ein Investitionsvorhaben (Vorjahr: 52,8 Prozent). Die Investitionsneigung im Mittelstand sei damit so niedrig wie zuletzt während der Finanzkrise 2009. „Ohne Investitionen“, so Hantzsch, „verlieren die Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit. Für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschlands ist das eine schwere Belastung.“

Für alle diejenigen in der Ampel, die sich bisher damit beruhigen, trotz der wirtschaftlichen Schwäche sei der Arbeitsmarkt unverändert stabil, hier ein wichtiges Indiz, wie brüchig diese Stabilität in Wahrheit ist: „Erstmals seit fast 20 Jahren ist die Beschäftigung im Mittelstand nicht mehr gewachsen“, betont Hantzsch. Das könne „als Warnsignal für den Arbeitsmarkt verstanden werden“, so sein Credo. Die aktuellen Personalplanungen im Mittelstand seien sogar zurückhaltender als während der Corona-Zeit.

Allen Bürokratieentlastungsgesetzen zum Trotz verspürt die überwältigende Mehrheit der mittelständischen Unternehmen (75,6 Prozent der Befragten) eine Zunahme bürokratischer Auflagen. Der gestiegene Bürokratieaufwand entwickele sich zu einem Hemmnis für die Geschäftsentwicklung. Den Unternehmen bleibe weniger Zeit für Aufträge (70,0 Prozent), was zu längeren Wartezeiten für die Kunden führe (36,6 Prozent). Auch die Kosten stiegen beispielsweise durch zusätzliches Personal. Wir ahnen schon, dass Olaf Scholz auch dies unter die üblichen Klagen der Kaufleute einsortieren wird. Vielleicht würde es helfen, wenn er sich einfach mal selbständig machen würde. Dann würde er ungefiltert erleben, wie es um die unternehmerische Realität in Deutschland bestellt ist.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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