Mittwoch, 13. März 2024

Habeck, Kretschmer und der Charme der Kenia-Koalition

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Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Dr. Robert Habeck hat schon 2022 eine Gesprächsreihe unter dem anspruchsvollen Titel ‘Gespräche zur Transformation’ installiert. Erster Gast war EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Gast des fünften Gespräches dieser Reihe, das sich mit der Frage beschäftigte ‘Wie gelingen Wertschöpfung und Wertschätzung?’, war am Montag der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer. Der regiert mit Sachsen nicht nur ein Bundesland, dem bei der Landtagswahl im September eine AfD-geführte Landesregierung droht, sondern steht auch einer Koalition aus CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD vor (im Berliner Politbetrieb Kenia-Koalition genannt). Die Brisanz bezog diese gut eineinhalb Stunden dauernde Diskussion der beiden aus der politischen Konstellation, dass die Union, allen voran die CSU, tunlichst eine Zusammenarbeit mit den Grünen in einer neuen Bundesregierung vermeiden will, während Kretschmer zur Verhinderung der AfD wieder auf Kenia setzen muss. Harmonische Gespräche zwischen beider Lager sind für Kretschmer daher anders zu bewerten als aus Sicht der CSU.

Nachdem inzwischen Friedrich Merz von seinen theoretischen Erörterungen zu einer Koalition mit den Grünen im Bund wieder abgerückt ist und in der Sitzung der Bundestagsfraktion der Union den harmonischen Auftritt des hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein nach der letzten Ministerpräsidentenkonferenz getadelt hat, dürften Merz/Söder sehr aufmerksam mögliche Annäherungen beider Diskutanten verfolgt haben. Kretschmer war zwar deutlich weniger euphorisiert als Rhein, gleichwohl dürfte es zutreffen, was Moderatorin Tanja Samrotzki in einer Begrüßung der beiden Gesprächsteilnehmer bemerkte: Sie schätzten sich, auch wenn man es nicht immer merke.

Echte Streitpunkte gab es in der Diskussion wenige. Man musste schon die Zwischentöne sehr sorgfältig wahrnehmen, um die gelegentlichen Spitzen herauszuhören. Gleichwohl gab es durchaus deutliche Unterschiede bei der Bewertung der zu lösenden Probleme wie auch der dazu notwendigen Konzepte. Kretschmer betonte, zur Verhinderung von Wählerstimmen für Populisten müsse die Migrationsfrage für die Bevölkerung erkennbar gelöst werden. Zur Ankurbelung des zu niedrigen Wirtschaftswachstums müsse der Wirtschaft mehr Freiraum gegeben („Lassen Sie uns das Lieferkettensorgfaltsgesetz einfach fünf Jahre aussetzen“) und die Energieversorgung überdacht werden. Habeck dagegen warb erneut für eine  – mindestens – andere Schuldenbremse, eine Umsetzung der Fachkräfteeinwanderung, die diesen Namen auch verdiene, sowie einen anderen Umgang mit notwendigen Subventionen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Ansonsten waren sich beide bei vielen Analysen einig und bewegten sich in den bekannten eingefahrenen Kreisen. Unverändert lässt sich grundsätzlich feststellen, dass es in vielen Bereichen der Politik bei uns kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem gibt. Daran wird auch diese Diskussion nichts ändern. Einig waren sich beide, der Zuspruch zur AfD müsse zurückgedrängt werden. Deren Konzepte seien Gift für die Demokratie und den Wohlstand in Deutschland. Söder wie Merz dürften an Kretschmers Auftritt deutlich weniger zu mäkeln haben als an Boris Rheins Lob für den Bundeskanzler und die SPD. Und das nicht nur, weil beide hoffen müssen, Kretschmer werde die Landtagswahl in Sachsen siegreich bestreiten. Da wären Rügen aus den Unionszentralen kontraproduktiv.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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