Bundesverwaltungsgericht bestätigt strenge Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Sonntagsöffnungen

Im Zuge der Corona-Pandemie verstärken sich die Rufe nach möglichst zahlreichen verkaufsoffenen Sonntagen im Spätherbst und der Adventszeit, um Einnahmeausfälle des stationären Handels auszugleichen. So berechtig das grundsätzliche Anliegen sein mag, so wenig befassen sich diejenigen, die das fordern (etwa Christian Lindner oder der Deutsche Städte- und Gemeindebund), mit den strengen Kriterien der Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Sonntagsöffnung. Wir haben auf diese Schranke im Zusammenhang mit mehreren Berichten zur Ladenöffnungsnovelle in NRW immer wieder hingewiesen. NRW-Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart wollte mit ihr die Möglichkeiten zur Sonntagsöffnung – lange vor Corona – vereinfachen und mehr Sonntagsöffnungen möglich machen. Sie sollten ohne den berühmten Anlassbezug möglich sein (Gleiches plant für Bayern der dortige Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, vgl. Mi 09/19). Er ist damit immer wieder an der Rechtsprechung gescheitert (vgl. Mi 24/18 mit zahlreichen weiteren Hinweisen). Zuletzt wollte er der Öffentlichkeit weismachen, eine Entscheidung des OVG Münster zur 'Blaulichtmeile' in Mönchengladbach habe seine Intention nunmehr endlich bestätigt. Wir haben schon darauf hingewiesen, dass die Entscheidung das nicht hergibt (vgl. Mi 18/19). Aber selbst die dort vom OVG zugestandene Erleichterung bei der Antragsprüfung hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einer Entscheidung vom 22. Juni in Fortsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gekippt (die schriftlichen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor). Das OVG hatte noch gemeint, „Ladenöffnungen im Zusammenhang mit örtlichen Veranstaltungen, die einen beträchtlichen Besucherstrom anziehen, hält der Senat schon dann für zulässig, wenn sich die Ladenöffnungsmöglichkeit im Wesentlichen auf das unmittelbare Umfeld der Veranstaltung bezieht und zeitgleich mit ihr vorgesehen ist; einer Besucherprognose bedarf es dann nicht“.

Das BVerwG hält auch das für unzulässig. In seiner Pressemitteilung zum Urteil hat es erklärt, es sei zwar im Grundsatz nicht zu beanstanden, „dass der Gesetzgeber bei einer sonntäglichen Ladenöffnung im öffentlichen Interesse, die im Zusammenhang mit örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen erfolgt, den Kommunen den Nachweis dieses Zusammenhangs durch eine Vermutungsregelung erleichtert“. Greife sie ein, sei es zulässig, „auf die Prognose der Besucherzahlen zu verzichten, die von der Veranstaltung einerseits und der Ladenöffnung andererseits angezogen werden.“ Doch die Vermutung sei an enge Voraussetzungen geknüpft, um den verfassungsrechtlich gebotenen Sonn- und Feiertagschutz zu wahren, und „beim Eingreifen besonderer Umstände als widerlegt anzusehen. Solche Umstände können sich beispielsweise aus einem erheblichen Umfang der Zahl der geöffneten Verkaufsstellen sowie deren Fläche ergeben und Anlass zu der Annahme geben, dass unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Regel-Ausnahme-Verhältnisses eine werktägliche Prägung in den Vordergrund tritt. Dies war hier im Hinblick auf ein von der Sonntagsöffnung erfasstes Einkaufszentrum der Fall.“ Da die Zahl der Besucher, die von der Ladenöffnung angezogen wurden, die Zahl der Interessenten an der 'Blaulichtmeile' weit überstieg, „war die angegriffene Verordnung rechtswidrig“.

Und in einer Entscheidung vom gleichen Tag zum Historischen Handwerkermarkt und zur Herrenberger Herbstschau betonen die Leipziger Bundesrichter: „Das verfassungsrechtlich geforderte Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes verlangt, dass der Gesetzgeber die Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe zur Regel erheben muss. Ausnahmen darf er nur aus zureichendem Sachgrund zur Wahrung gleich- oder höherrangiger Rechtsgüter zulassen. Außerdem müssen die Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben.“ Entsprechend haben die Richter die Genehmigung der Stadt gekippt, „weil deren Ausstrahlungswirkung sich nicht auf die außerhalb der Kernstadt gelegenen, bis zu 6 km entfernten Teilorte erstreckte. Da der Satzungsgeber eine Beschränkung der Sonntagsöffnung auf die Kernstadt erwogen und abgelehnt hatte, konnte die Regelung auch nicht für deren Gebiet – teilweise – aufrecht erhalten werden.“

Wer also als Politiker fordert, es müsse mehr Sonntagsverkäufe geben, der sollte sich schon die Mühe machen, Mehrheiten für eine Verfassungsänderung zu besorgen. Ansonsten werden letztlich alle diese Versuche an der Rechtsprechung und der Verfassung scheitern. Eine Öffnung, nur um dem Einzelhandel Umsatzmöglichkeiten zu gewähren, ist nach der Rechtsprechung des BVerfG wie des BVerwG schlicht verfassungswidrig. Das sollten endlich alle akzeptieren, die einfachere Sonntagsverkäufe erreichen wollen.