Dienstag, 05. März 2024

Kann das Rentenpaket II die Ampel-Koalition retten?

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Wer heute die gemeinsame Vorstellung des Rentenpakets II durch Bundesarbeits- und -sozialminister Hubertus Heil und Bundesfinanzminister Christian Lindner verfolgt hat, kann sich des Eindrucks kaum erwehren, beide hätten nicht nur die Rentenpolitik auf dem Schirm gehabt, sondern gleichzeitig versucht, der Ampel-Koalition neues Leben einzuhauchen. Es menschelte hörbar zwischen dem Christian und dem Hubertus. So viel Gemeinsamkeit, so viel gegenseitige Sympathie und so viel Abwehr aller Versuche der Journalisten, Streitpotenzial innerhalb der Ampel zu identifizieren, war schon lange nicht mehr. Und hätte es nicht vielfältige Streitereien in der Ampel in den letzten zwölf Monaten gegeben, man hätte glauben können, da präsentiert sich eine vor Selbstbewusstsein strotzende Bundesregierung, der die Opposition auch nicht ansatzweise etwas entgegensetzen kann.

Die Realität sieht anders aus, und auch beim Rentenpaket II ist nicht alles Gold, was glänzt. Kann es auch nicht, weil die Herangehensweise der drei Ampel-Partner auch bei der Rente ziemlich unterschiedlich ist. Aber Heil und Lindner haben gezeigt, was zumindest in der Außendarstellung möglich ist, wenn man sich auf das konzentriert, was in dieser Konstellation machbar ist, und zugleich die Unterschiede nicht verschweigt, sie aber nicht zum Thema einer sinnfreien Auseinandersetzung macht.

Lindner und Heil betonten mit hörbarem Stolz, die Ampel habe mit dem Kernbestandteil des Rentenpakets II, dem Generationenkapital, erstmals eine dritte Säule zur Finanzierung der gesetzlichen Rente eingeführt: Ein Stiftungskapital, das am Kapitalmarkt Erträge erwirtschaften soll, um die garantierte Rentenhöhe von 48 Prozent bei einer maximalen Beitragshöhe von 20 Prozent zu ermöglichen. Das wird schwer genug, und man könnte vieles an der konkreten Ausgestaltung des Vorhabens kritisieren. Aber vielleicht wäre es fair, erst einmal tatsächlich zuzugestehen, dass die Nutzung des Kapitalmarktes zur Finanzierung auch der gesetzlichen Rente bei einer alternden und ohne Zuwanderung schrumpfenden Bevölkerung ein richtiger Schritt ist.

Lindner verwies darauf, dies hätte bereits vor zwanzig Jahren geschehen sollen, dann wäre man heute schon einen Schritt weiter. Aber es sei nicht mehr zu ändern, dass dies nicht geschehen sei. Umso wichtiger sei es, nun endlich den Einstieg zu wagen. Dies ist richtig. Allerdings ist der Einstieg angesichts der unterschiedlichen Auffassung innerhalb der Ampel ziemlich klein ausgefallen, schaut man auf die Dimensionen der Finanzierungslücke bei der gesetzlichen Rente, sofern es bei den jetzigen Haltelinien der Koalition hinsichtlich der Renten- und Beitragshöhe bleibt. Aktuell überweisen die Steuerzahler jährlich über 100 Milliarden Euro an die Rentenkasse (also knapp ein Viertel des Bundeshaushalts). Und der Eintritt der Babyboomer in die Rente kommt erst noch in ganzer Breite. Da wirken die zehn Milliarden Ertrag, die das Generationenkapital ab Mitte der dreißiger Jahre jährlich zur Beitragsdeckelung liefern soll, eher mickrig.

Die Dimensionen, um die es dabei geht, machte Heil am Beispiel einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit deutlich: Bis 2035 scheiden allein sieben Millionen Beschäftigte aus dem Erwerbsleben aus (sofern sie sich nicht individuell entscheiden, länger zu arbeiten). Wer den derzeitigen Mangel an Arbeitskräften quer über alle Branchen vor Augen hat, ahnt, was das bedeutet. Heil machte dennoch deutlich, dass es für die SPD trotzdem keine Lösung sei, das gesetzliche Renteneintrittsalter über die beschlossenen 66 Jahre heraufzusetzen. Es brauche aber für alle, die dies könnten und wollten, neue Anreize, länger zu arbeiten.

Schon heute ist klar, dass die von Heil und Lindner vorgestellten Pläne nicht die Lösung des Problems sind. Sie sind nur ein Anfang. Doch es wäre gut, wenn nicht schon wieder ein erster Schritt zerredet wird, weil er nicht umfassend genug ausgefallen ist. Das Generationenkapital kann nur ein Anfang sein. Aber es ist allemal besser, als nichts zu tun, um sich als Regierung einfach über die Zeit zu retten. Norbert Blüms Parole „Die Rente ist sicher“ war zu seiner Zeit vielleicht ein politisch kluger Schachzug. Heute wäre diese Haltung fatal. Zwar hat auch Heil sinngemäß mit seiner Aussage, das Rentenniveau müsse dauerhaft bei 48 Prozent gesichert werden, den Rentenempfängern diese Hoffnung gemacht, aber er ist klug genug zu wissen, dass es dafür Maßnahmen braucht, die diese Aussage mit Leben erfüllen. Sein Glück ist, dass die ersten Erträge des Generationenkapitals erst Mitte der dreißiger Jahre die Rente stabilisieren sollen. Da wird er nicht mehr im Amt sein. Sein Nachfolger dürfte dann voraussichtlich die unangenehme Aufgabe haben, entweder den Beitragssatz oder das Renteneintrittsalter erhöhen zu müssen, um halbwegs ein Rentenniveau von 48 Prozent gewährleisten zu können.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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