Mittwoch, 17. Januar 2024

Stationäre Textileinzelhändler sind weiter auf dem Rückzug

Blogeintrag | Kommentare (0)

Obwohl der Umsatz mit Kleidung im ersten Halbjahr 2023 um satte neun Prozent wuchs, steckt der stationäre Fachhandel zugleich in der Krise und macht mit spektakulären Insolvenzen Schlagzeilen. Zu diesem Fazit kommt die Creditreform aufgrund einer gemeinsam mit dem Handelsblatt Research Institut aktuell erstellten Studie.

Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts ist der Umsatz mit Mode im ersten Halbjahr 2023 um 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gewachsen und lag nach Berechnungen des Handelsverbands Textil Schuhe Lederwaren (BTE) beim Kleidungs- und Textileinzelhandel 2022 bei rund 70 Milliarden Euro – und damit leicht über dem Niveau des Vor-Corona-Jahres 2019. Doch als Folge der pandemiebedingten Zwangsschließungen ist der Anteil der online vertriebenen Ware in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen: im Vergleich zu 2019 um ein Drittel auf rund 19 Milliarden Euro.

Wie sehr die Modebranche unter der Konsumzurückhaltung und dem gesamtwirtschaftlichen Umfeld leidet, zeigt die Insolvenzstatistik. Laut dem Fachmagazin Textilwirtschaft sind 2023 bereits 92 Modehäuser in die Pleite gerutscht. Prominente Namen wie Gerry Weber, Reno, Peter Hahn, Salamander, Görtz oder Signa Sports United gehören beispielsweise dazu. Generell sieht sich jeder zehnte Einzelhändler nach einer Umfrage des ifo Instituts durch die allgemeine Kaufzurückhaltung der Verbraucher, aber auch durch massive Kostensteigerungen bei Mieten sowie steigende Personal- und Energiekosten in seiner Existenz bedroht.

Zudem, so Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform, wirkten die Belastungen der Corona-Pandemie nach: „Maßnahmen zur Begrenzung der Pandemie, wie beispielsweise Geschäftsschließungen, haben besonders den saisonsensiblen stationären Textileinzelhandel getroffen.“ Das Wachstum der Branche gehe an vielen ursprünglich stationären Modehändlern vorbei, deren Umsätze 2022 noch immer 6,5 Prozent unter der Marke von 2019 lägen. Sie täten sich oftmals schwer mit der Umstellung auf den Onlinevertrieb: So erwirtschafteten nach Angaben des Handelsverbands Deutschland (HDE) die Modefachhändler 2022 nur elf Prozent ihres Umsatzes online – weit weniger als der Onlineanteil am gesamten Fashionumsatz.

Hinzu komme der Attraktivitätsverlust der Innenstädte als klassische Standorte des stationären Bekleidungshandels. Der sei durch die Pandemie und die allgemeine Kaufzurückhaltung beschleunigt, jedoch nicht ursprünglich verursacht worden. Daten des Analyseanbieters Experian zeigten, dass der Besucherstrom in stationären deutschen Einzelhandelsgeschäften zwischen 2008 und 2014 bereits um fast ein Drittel zurückgegangen sei. Die Abnahme der Kundenzahlen läufe somit parallel zur steigenden Bedeutung des E-Commerce. Vor diesem Hintergrund könne der insolvenzbedingte Rückzug von Großinvestor René Benko aus Einzelhandels-Großprojekten mit „Flaggschiff-Charakter“ gravierende Folgen nach sich ziehen. Da viele Projekte des Immobilienentwicklers Mixed-Use-Konzepte vorsahen, gingen den betroffenen Innenstädten und Stadtquartieren nun nicht nur Verkaufsflächen verloren, sondern auch Gastronomie-Angebote und andere belebende Elemente. Überdies drohen die Immobilien zu Bauruinen zu werden.

Not täten, so Hantzsch, auch Veränderungen am eigenen Laden oder Geschäftsmodell der stationären Fachhändler. Sie fielen Textil- und Schuhhändlern jedoch schwer in einer Zeit, in der die Umsätze oftmals nicht ausreichten, um Kostensteigerungen in den Bereichen Energie, Personal oder Mieten auszugleichen. Kleinere Händler seien oft gezwungen, solche wichtigen Projekte auf unbestimmte Zeit zu verschieben.

Derweil erhöhten Branchengrößen wie Otto oder Amazon, die neben dem eigenen Onlinegeschäft auch die großen Marktplätze für andere Unternehmen zur Verfügung stellten, den Druck zur permanenten Optimierung und Transformation. Die dominante Rolle dieser Branchengiganten werde durch die Einführung neuer Rabattaktionen im Onlinehandel, wie Singles Day oder Black Friday, deutlich. Der stationäre Handel müsse diese Aktionen zumindest teilweise übernehmen, obwohl er bei den Preisnachlässen kaum mithalten könne. Gleichzeitig büßen traditionelle Saisonabverkäufe im stationären Handel, wie Sommer- und Winterschlussverkäufe, an Bedeutung ein.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

Zurück zum Blog

Kommentar verfassen

Bitte beachten Sie bei Ihren Kommentaren unsere Netiquette