Mittwoch, 14. Juni 2023

Der längst überfällige und teure Kompromiss beim Gebäudeenergiegesetz

Blogeintrag | Kommentare (1)

Vergangenes Wochenende hatte die Kabarettistin Monika Gruber in Erding zu einer Demonstration gegen die Klimapolitik der Bundesregierung – speziell von Bündnis 90/Die Grünen – aufgerufen, zu deren Rednern auch der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder und der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger gehörten. Aiwanger rief in seiner Rede dazu auf, die schweigende Mehrheit müsse sich „die Demokratie wiederholen“. Wen immer er damit meinte, sich und Söder und alle, die via ‘Bild’ massiv gegen die Wärmewende der Bundesregierung Sturm laufen, kann er nicht gemeint haben. Die sind ja nicht stumm. Ob das Verschieben der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes demokratiestiftend gewesen wäre, kann man mit guten Gründen bezweifeln. Dass die bis gestern vorliegende Fassung der Novelle aus dem Hause Dr. Robert Habecks misslungen war, sollte bei nüchterner Betrachtung unstreitig sein.

So weit zur Ausgangslage. Gestern nun haben sich die Ampelkoalitionäre auf einen alles in allem wohl vertretbaren Kompromiss geeinigt. Er wurde allerdings unter mehreren Aspekten teuer erkauft. Inzwischen hat die Auseinandersetzung um die Wärmewende zu erheblichen Verwerfungen geführt, die gesamtgesellschaftlich zunehmend aus dem Ruder zu laufen drohen. Dazu gehört auch die Kritik an Aiwanger, er bediene sich AfD-Vokabulars. Was immer das ist, nicht strafbare Sprachverbote aufgrund einer vermeintlichen Verwendung durch unerwünschte Andere sind inakzeptabel. Es ist auch sinnfrei Aiwanger insoweit Populismus zu unterstellen. Er hat gesagt, was viele denken. Das mag anderen nicht passen und Aiwanger mag auch keine überzeugende Lösung anzubieten haben, aber dann ist es Sache derjenigen, die dies kritisieren, dem argumentativ zu begegnen. Aiwanger selbst sollte sich dennoch fragen, was er unter Demokratie versteht, wenn er umgekehrt parlamentarische Mehrheitsentscheidungen ablehnt, weil sie ihm nicht passen. Und darauf läuft im Kern seine Kritik hinaus, mag sie in der Sache auch von vielen geteilt werden.

Wie sehr sich andererseits manche Grüne inzwischen durch die heftige Kritik an ihren Plänen angegriffen fühlen, belegen Reaktionen nicht nur der Parteiführung, sondern auch der lokalen Ebene. So schrieb sich der Münchner Stadtrat Bernd Schreyer, Gründungsmitglied der Grünen in München, seinen Frust auf Twitter von der Seele, wonach die Grünen inzwischen „die neuen Juden“ seien, die wegen ihrer wohlstandsgefährdenden Politik „ausgemerzt werden“ müssten. Ein Fehltritt sondergleichen, den er zumindest selbst insoweit korrigierte, als er von seinem Amt zurücktrat und sich für diese Entgleisung entschuldigte. Generell nimmt die Neigung bei vielen Politikern zu, Kritik an ihrer Arbeit gleich als persönlichen Angriff zu betrachten, zu dessen Abwehr offenbar alles recht ist. Besser wäre es, die eigene Arbeit kritisch zu hinterfragen und Antworten auf berechtigte Sorgen zu geben, die die Sorgen nehmen und nicht Arroganz versprühen.

Parlamentarisch fragwürdig ist aber auch das Verhalten der FDP, die ihre Liebe zur Technologieoffenheit und gegen den „Heizungshammer“ erst in diesem Frühjahr so richtig entdeckt hat. Stand doch noch im Koalitionsvertrag der Ampel auf Seite 90: „Im Rahmen des Klimaschutzsofortprogramms führen wir 2022 nach dem Auslaufen der Neubauförderung für den KfW-Effizienzhausstandard 55 (EH 55) ein Förderprogramm für den Wohnungsneubau ein, das insbesondere die Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) pro m² Wohnfläche fokussiert und ändern das Gebäudeenergiegesetz (GEG) wie folgt: Zum 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden.“ Dieser Termin wurde dann einvernehmlich von den Koalitionären am 24. März 2022 auf den 1. Januar 2024 vorgezogen. Bis dahin gab es keine hörbare Kritik an diesem „Heizungshammer“ oder war von „demokratiegefährdenden“ Plänen die Rede. Erst als im Frühjahr massive Kritik aufkam, reagierte die FDP, die dennoch den Starttermin im Koalitionsausschuss am 28. März 2023 nochmals bestätigte.

Die FDP erklärt ihren immer massiveren Widerstand gegen die von ihr ursprünglich mitgetragenen Plänen damit, das eigentliche Ziel sei richtig, aber die Umsetzung durch Robert Habeck und seinen geschassten Staatssekretär Dr. Patrick Graichen sei miserabel. Kritik an den Plänen ist berechtigt, aber das Verhalten der FDP als Teil der Regierung kann so einfach auch nicht ‘ungestraft’ davonkommen. Ginge es der FDP nur um die Sache und nicht um die eigene Profilierung im Vorfeld zweier für die Partei wichtiger Landtagswahlen in Hessen und Bayern, hätte sie geräuschloser an der Verbesserung des Gesetzes mitarbeiten können. Das hat sie bewusst nicht getan. Ob sie sich damit im Hinblick auf die Wahlergebnisse im Herbst verzockt hat, wird sich zeigen.

Die Wärmewende muss kommen, sofern die Bundesregierung die eigenen Ziele des Klimagesetzes nicht aufgeben will, die im Übrigen so auch schon weitgehend von der vorherigen Regierung beschlossen wurden. Aber sie kann nur mit einem realistischen Zeitplan und unter Beachtung ökonomischer Gegebenheiten kommen. Habeck hat – aus welchen Gründen auch immer – viel zu spät erkannt, dass er mit seinem zwanghaften Beharren an einer einmal getroffenen Entscheidung in den Fußstapfen Dr. Angela Merkels wandert, deren berühmtes „alternativloses“ Handeln erst zur Gründung und dann zum Erstarken der AfD geführt hat, woran die CDU bis heute kräftig zu knabbern hat und was ihr bei den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland im kommenden Jahr noch massive Probleme bereiten wird. Das Menetekel einer Abspaltung der ostdeutschen CDU steht in Umrissen bereits erkennbar an der Wand.

Ob die missratene Wärmewende und der EU-Kompromiss zur Asylpolitik die Grünen politisch zerreißt, muss sich zeigen. Die völlig verkorkste Kommunikation zur und die Regelung der Wärmewende hat sie im Verhältnis zu den Wählern massiv zurückgeworfen. Aus den geliebten Bewahrern der Schöpfung im Auge vieler ist eine Partei geworden, die den Wohlstand der Mitte der Gesellschaft zu gefährden droht. Das ist in Verbindung mit Gefährdungen der inneren Sicherheit eine gefährliche Mixtur.  Ende offen.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (1)

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#1 Leserkommentar
von Eugen Schlachter, 14.06.2023 14:50

<p>Die Stoßrichtung des GEG ist richtig und gar zwingend, wenn die von der vorherigen Bundesregierung festgelegten Klimaziele erreicht werden sollen.</p>
<p>Bei einem solchen Mammut-Projekt gilt es aber Betroffene zu Beteiligte zu machen. Das Mindeste ist dabei eine Sachveständigenanhörung im entsprechenden Bundestagsausschuss. Also Verbände (Wohnungswirtschaft, Mieterbund, Handwerk, einschlägige Industrie, Kommunen, einschlägige Wissenschaft etc.).</p>
<p>Leider Fehlanzeige: mit der Arroganz des zuständigen Ministers und seiner Partei wurde der letzte Schritt vor dem ersten gemacht. Wer errichtet beim Hausbau als erstes den Dachstuhl und denkt erst am Ende an das Fundament? Eigentlich niemand der gesunden Menschenverstand hat. Beispielhaft sei genannt, dass der zuständige Minister erst diese Woche mit den Kommunen über Fernwärme und Wärmepläne gesprochen hat.</p>
<p>Sorry, nicht der erste fatale Managementfehler des verwantwortlichen Ministers, der ganz offensichtlich auch nicht die "fähigsten" Leute in seiner Führungsmannschaft hat.</p>

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