Dienstag, 13. Juni 2023

Die Mär der hohen Mehrergebnisse der Steuerfahnder

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Alle Jahre wieder veröffentlichen die Finanzminister der Bundesländer die Arbeitsergebnisse der Steuerfahndung. Dabei ist meist von astronomischen Beträgen die Rede und es wurde der Mythos geschaffen, ein Steuerfahndungsprüfer realisiere jedes Jahr eine Millionen Euro an Mehrsteuern. Verbunden wird dies in der Regel mit dem Wunsch, noch mehr Steuerpolizisten einzustellen, die zusätzliche Mittel in die Kasse spülen würden. So hat beispielsweise erst gestern wieder das Handelsblatt diese Behauptung im Zusammenhang mit den Einsprüchen gegen die Grundsteuerbescheide wiederholt. Anlass war der Hinweis, Bayern lasse Betriebsprüfer nunmehr teilweise Einsprüche gegen die Grundsteuerbescheide bearbeiten, was weniger lukrativ für den Staat sei. Ein ziemlich eigenartiges Verständnis zum Sinn und Zweck der Steuerverwaltung und der Behandlung von Rechtsbehelfen.

Wir haben in der Vergangenheit seitens des ‘steuertip’ und ‘steuerberater intern’ mehrfach diese Fehlinformation als solche bezeichnet. Dennoch werden stets erneut unrealistische Zahlen ins Gespräch gebracht. So hat der Niedersächsische Finanzminister in seiner Presseinformation vom 8. Mai 2023 berichtet, durch Steuerfahndungsprüfungen des Finanzamts für Steuerfahndung und Steuerstrafsachen Hannover seien im Jahr 2022 beachtliche 38,5 Millionen Euro an Mehrsteuern erzielt worden. Wir wollten vom Ministerium wissen, ob es sich dabei um tatsächlich bestandskräftig festgesetzte und vereinnahmte Beträge handelt und wie viele Beamte bzw. Angestellte in Niedersachsen im Bereich der Steuerfahndung und der Bußgeld- und Strafsachenstelle arbeiten.

Der Pressesprecher des Finanzministeriums teilte uns mit, es handle sich bei den angeführten Mehrergebnissen um festgestellte Steuern, bei denen nicht erhoben wird, ob diese tatsächlich kassenwirksam, also auf dem Konto des Finanzamts eingegangen sind. Wir wissen, dass häufig die von der Steuerfahndung ermittelten Ergebnisse schon im Rechtsbehelfsverfahren keinen Bestand haben und selbst bestandskräftig festgesetzte Steuern nicht realisiert werden können, weil der Betroffene hierzu wirtschaftlich nicht in der Lage ist und das Finanzamt auch im Insolvenzverfahren leer ausgeht. Alle vier niedersächsischen Finanzämter für Fahndung und Strafsachen haben zusammen nach Angaben des Ministeriums in den letzten fünf Jahren 1,3 Milliarden Euro Mehrsteuern festgesetzt. Geht man davon aus, jeder der 284 Fahndungsprüfer aus Niedersachsen verursache mindestens 75.000 Euro pro Jahr an Personal- und Sachkosten, müsste der Finanzminister hierfür 21,3 Millionen Euro aufwenden. Bezieht man die 106 Bediensteten der Bußgeld- und Strafsachenstellen teilweise mit ein, kommen sicherlich noch einmal vier Millionen Euro hinzu.

Somit könnte es fraglich sein, ob die im Jahr 2022 tatsächlich realisierten Steuern ausgereicht haben, diese Kosten zu decken. Selbstverständlich hat die Steuerfahndung auch ordnungspolitische Aufgaben und ist als Polizei nicht (nur) an den erzielten Mehrergebnissen zu messen. Andererseits gibt es dann auch keinen Anlass, jährlich vermeintliche Erfolgsmeldungen zu kommunizieren und damit alle Steuerzahler — insbesondere Unternehmer — unter Generalverdacht zu stellen.

Anm. d. Red. vom 20. Juni 2023: Im ursprünglichen Beitrag wurden versehentlich die Mehrergebnisse des Finanzamts für Steuerfahndung und Steuerstrafsachen Hannover Niedersachsen insgesamt zugerechnet. Wir haben dies nunmehr korrigiert. 


Verfasst von: Günter J. Stolz | Kommentare (0)

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