Donnerstag, 22. Juni 2023

Deutschland-Index Digitalisierung 2023: Der Fortschritt ist eine Schnecke

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Zum vierten Mal innerhalb von sechs Jahren hat das Kompetenzzentrum Öffentlich IT des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme FOKUS seinen ‘Deutschland-Index der Digitalisierung’ vorgelegt. Warum es dabei geht, beschreiben die Autoren um Nicole Opiela selbst so: „Wir analysieren ganz konkrete beobachtbare Faktoren und Kennzahlen in den Themenfeldern Infrastruktur, Digitales Leben, Wirtschaft und Digitale Verwaltung, die die Digitalisierung abbilden und sich regional unterschiedlich ausprägen und (weiter-)entwickeln. Wie diese Digitalisierungsaspekte die (Lebens-)Realität in den bundesdeutschen Ländern formen, wird durch verzerrte Karten veranschaulicht, und damit gezeigt: Digitalisierung ist keineswegs einheitlich, sondern präsentiert sich ganz unterschiedlich je nach Region.“

Der aktuelle Bericht unterscheidet sich dabei an mehreren Stellen deutlich von seinen Vorgängern. Erstmals wurden beispielsweise die Themenfelder ‘Digitale Kommune’ und ‘Bürgerservices’ zusammengefasst. Im daraus hervorgehenden Themenfeld ‘Digitale Verwaltung’ werden neben Daten aus der Untersuchung von über 300 kommunalen Webportalen auch die Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung von über 5.000 Personen in ganz Deutschland mitberücksichtigt. Zudem wurde das Themenfeld ‘Digitales Leben’ von Grund auf neu konzipiert und gliedert sich nun in die fünf Bereiche ● Teilhabe ● Erledigungen ● Unterhaltung und private Einkäufe ● Gestaltung sowie ● Vernetzung.

Weitere Veränderungen gibt es in den Bereichen ‘Infrastruktur’ und ‘Wirtschaft’. Die Autoren erklären diese die Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit den vorherigen Berichten beeinträchtigende Vorgehensweise so: „Allerdings ergeben sich erhebliche Vorteile aus der Integration und Nutzung neuer und in dieser Form einzigartiger Daten. Diese bieten eine größere Detailtiefe und eine bessere statistische Grundlage als die bisher genutzten frei verfügbaren Statistiken. Auf diese Weise kann der Deutschland-Index seiner Rolle als Gradmesser von Stand und Entwicklung der Digitalisierung in Deutschland noch genauer und verlässlicher gerecht werden und dies auch in Hinblick auf zukünftige Ausgaben.“

Ein wesentlicher Indikator für erfolgreiche Digitalisierung ist der Ausbau der Glasfasernetze. Und da  geht es inzwischen allen Beteuerungen zum Trotz eher langsamer voran. So hießt es dazu in dem Bericht: „Die im letzten Deutschland-Index 20217 hervorgehobene Dynamik bei der Gigabit-Verfügbarkeit hat sich ab Mitte 2020 abgeschwächt und wuchs in den letzten beiden Jahren langsamer. Zwischen 2018 und 2020 lassen sich in verschiedenen Ländern Sprünge im Versorgungsgrad bei »Kabel« (CATV / HFC) in der Bandbreitenklasse 1 000 Mbit/s beobachten. Diese Phase eines schnellen Vorgehens zur Versorgung mit Gigabitanschlüssen durch die Ertüchtigung bestehender Kabelnetze ist weitgehend beendet. Weiteres Wachstum ist nun nur schwerer zu erreichen und erfolgt im Wesentlichen mittels Glasfaserausbau.“

Nachfolgend einige ausgewählte Ergebnisse der Studie: Die leistungsfähigste Infrastruktur findet sich in den Stadtstaaten sowie in Schleswig-Holstein. Hamburg kommt auf 77,2 Indexpunkte, auf dem zweiten Platz folgt Schleswig-Holstein mit 69,2 Indexpunkten und weist damit als Flächenland noch vor Berlin (68,9 Indexpunkte) und Bremen (68,0 Indexpunkte) eine ebenbürtige Infrastruktur auf. Am unteren Ende des Infrastrukturindex sind die östlichen Länder Sachsen (52,9 Indexpunkte), Sachsen-Anhalt (52,1 Indexpunkte) und Thüringen (47,8 Indexpunkte) zu finden. Zu dieser Gruppe kann man auch noch die westlichen Länder Saarland mit 54,3 Indexpunkten und Rheinland-Pfalz mit 53,1 Indexpunkten zählen, die nicht wesentlich besser dastehen. Geschuldet ist dies teilweise auch dem unterschiedlich starken Fachkräftemangel in den Regionen

Dass die Stadtstaaten an der Spitze stehen, ist logisches Ergebnis des dort aufgrund ihrer Besiedelungsdichte einfacher zu gewährleistenden Glasfaserausbaus. Vergleicht man deren Glasfaserinfrastruktur mit den zehn größten Städte (nach Haushalten) miteinander, wird sichtbar, dass die Glasfaserverfügbarkeit von Privathaushalten in München und Köln noch vor Hamburg liegt. Andere Großstädte liegen dagegen beim Glasfaserausbau noch weit unter dem bundesdeutschen Durchschnitt (18,2 Prozent). Auch in Berlin (11,6 Prozent) ist dies der Fall. Den niedrigsten Wert (5,4 Prozent) weist Düsseldorf auf, obwohl die Stadt selbst sich eigentlich für den Nabel der Telekommunikation hält. Der Glasfaserausbau hängt, so die Studie, „also wesentlich von lokalen Gegebenheiten ab, beispielsweise dem langjährigen Ausbau durch Stadtwerke oder regionale Anbieter“.

Während der Anteil der gelegentlichen Nutzer des Internets bei rund 91 Prozent stagniert, hat die Zahl der täglichen Nutzer des Internets zugenommen. Deren Anteil ist deutschlandweit von 68,9 Prozent auf 79,3 Prozent gewachsen. Schaut man auf die Art der Nutzung fällt auf, dass die Nutzung der Telemedizin (auf niedrigem Niveau) deutlich zugenommen hat. Videosprechstunden nutzten 6,8 Prozent (2020 waren es erst 5,1 Prozent). Dagegen ist die Nutzung von E-Government sogar leicht zurückgegangen. Der Anteil der internetnutzenden Bevölkerung, der in den letzten zwölf Monaten online Anträge oder Formulare an Behörden übermittelt hat, ist von 44,6 Prozent auf 43,8  Prozent gefallen.

Manche dürfte überraschen, dass die häufige Nutzung des Homeoffice nicht gestiegen, sondern gesunken ist. Mittlerweile arbeiten weniger Menschen täglich im Homeoffice. Ihr Anteil ist von 17,9 Prozent auf 14,4 Prozent gesunken. Der Anteil derjenigen, die mindestens mehrmals in der Woche von zu Hause über das Internet arbeiten, ist nahezu konstant geblieben: Im Jahr 2020 waren es 32,4 Prozent, 2022 dann 32,1 Prozent. Allerdings gibt es bei den nur gelegentlich im Homeoffice Arbeitenden durchaus den Wunsch, dort mehr zu arbeiten.

Für Unternehmen, die ihren Standort frei wählen können, ist von Interesse, wie unterschiedlich die Behörden in Deutschland digital aufgestellt sind. Hierzu liefert der Index diese Erkenntnisse: Erfreulicherweise ist die Zahl der angebotenen Onlineleistungen der fünf prioritär untersuchten Leistungen ● Baugenehmigung ● Melderegisterauskunft ● Gewerbeanmeldung ● Wohngeldantrag und Kfz-Zulassung von durchschnittlich 1,2 pro Kommune im Deutschland-Index 2021 auf 2,7 in der aktuellen Erhebung auf mehr als das Doppelte gestiegen. Damit waren rechnerisch 54 Prozent der Leistungen online verfügbar.

Dass zwar ein Führungszeugnis inzwischen bundesweit flächendeckend online angefordert werden kann, Handwerkerparkausweise zwar zunehmend auch online beantragt werden können, aber in Summe eher ein Schattendasein fristen, ist für Handwerker besonders ärgerlich. Das Fazit der Autoren zum Fortschreiten der Digitalisierung der Verwaltung ist insoweit im Hinblick auf die politischen Ankündigungen eher ernüchternd: „Insgesamt zeigt das Ergebnis in der Kategorie »Nutzen des digitalen Verwaltungsangebotes«, dass trotz der beeindruckenden Ausweitung des Angebotes noch weiterhin Luft nach oben ist und die Anstrengungen der letzten zwei Jahre fortgeführt werden müssen, damit die Zugewinne vollumfänglich in der Fläche ankommen. Hamburg und Hessen liegen mit je 46 Indexpunkten vorn, dahinter folgt Bayern mit 44 Indexpunkten. Das Saarland (34 Indexpunkte), Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg (je 35 Indexpunkte) teilen sich die letzten Plätze.“

Den vollständigen siebzigseitigen Bericht (mit weiteren Daten zu den Nutzern der Onlineangebote und der Digitalisierung in der Wirtschaft) finden Sie hier.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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