Dienstag, 02. Mai 2023

Mehr als 41 Prozent der KMU spüren nach einer Studie des IfM Bonn bereits Folgen des Klimawandels

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Eine aktuelle Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn zeigt: Die Wahrnehmung von und der Umgang mit Klimarisiken hängt weniger von der Unternehmensgröße ab als vielmehr von den bisherigen Erfahrungen und den Erwartungen im Hinblick auf die zukünftige Betroffenheit. Der Studie liegt eine im Zeitraum Juli bis August 2022 bundesweit durchgeführte schriftliche Unternehmensbefragung zugrunde. Ergänzend wurden Anfang 2023 Interviews mit Unternehmerinnen und Unternehmern von KMU (Kleine und mittlere Unternehmen) geführt, die im Rahmen der Umfrage ihre Bereitschaft zu einem Interview erklärt hatten. 2.760 Unternehmen haben teilgenommen, von denen 1.331 Unternehmen den Fragebogen vollständig beantworteten.

Die Forscher haben im Hinblick auf die Bewertung des Klimawandels durch die Unternehmen dabei drei Einstellungstypen identifiziert: 44 Prozent ordnen sie dem ● „erfahrenen Einstellungstyp“ zu. Gut jedes dritte Unternehmen zählen sie zu ● „den Besorgten“, die bisher zwar keine konkreten Erfahrungen mit dem Klimawandel gemacht haben, aber zukünftige Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Geschäftstätigkeit erwarten. Knapp jedes fünfte Unternehmen rechnen sie dem ● „gelassenen Einstellungstyp“ zu, der bisher keine Erfahrungen gemacht hat und auch künftig keine Auswirkungen erwartet.

Bei den Risiken unterscheiden die Autoren zwischen physischen und transitorischen Risiken des Klimawandels. ● Physischen Risiken umfassten Auswirkungen, die sich direkt aus den Änderungen der klimatischen und Wetterbedingungen in Deutschland ergäben. Dazu zählten akute Risiken wie die Zunahme an Extremwetterereignissen. Ein Unternehmen könne aber auch mittelbar beeinträchtigt werden, wenn Extremwetterereignisse z. B. zu Störungen in der Lieferkette führen. Neben akuten Risiken können zudem längerfristige Veränderungen des Klimas und deren Folgewirkungen für Unternehmen von Relevanz sein, etwa der kontinuierliche Anstieg der Jahresdurchschnittstemperaturen, der Anstieg des Meeresspiegels oder veränderte Niederschlagsmengen ● Transitorische Risiken umfassten Folgen des Klimawandels, die mit dem Umbau zu einer nachhaltigeren Wirtschaft einhergehen. Sie beinhalteten wirtschaftliche, politische, rechtliche und regulatorische Änderungen, wie etwa die Ausweitung des Emissionshandels, die Einführung der CO2-Steuer oder striktere Umweltregulierungen. Ebenso könnten sich transitorische Risiken aus der Notwendigkeit ergeben, sich an ein verändertes Verbraucherverhalten, wie z. B. einer Ablehnung nicht nachhaltig produzierter Produkten, anzupassen.

Generell kommen die Bonner zu dem Ergebnis, KMU zeigten sich in Bezug auf mögliche Chancen aus dem Klimawandel pessimistischer als Großunternehmen. Unter den Risiken zählten für sie vor allem steigende Energiepreise im Zuge der Energiewende wie auch eine steigende Bürokratiebelastung zu den beherrschenden Themen.

Das Gros der Unternehmerinnen und Unternehmer habe bereits Maßnahmen ergriffen, um ihre Unternehmen an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Allerdings adressierten diese in erster Linie transitorische Risiken. Der Schutz gegen physische Risiken spiele hingegen in KMU noch eine untergeordnete Rolle. Vorrangig würden verschiedene digitale Lösungen angewandt, die den Umgang mit transitorischen Klimarisiken erleichtern (z. B. Visualisierung von Energieverbräuchen), wie auch im Schadensfall die Folgen von Extremwetterereignissen abmilderten (z. B. digitale Sicherung von Wissen).

Aufgrund der Komplexität des Klimawandels und dessen möglicher Folgewirkungen für das einzelne Unternehmen, steht nach Auffassung der Autoren zu vermuten, dass die Anpassung eine besondere Herausforderung für KMU darstelle. Schließlich basierten deren Geschäftsmodelle häufig auf spezialisierten Produkten und Dienstleistungen, Zielgruppen und/oder Regionen und seien in eng vernetzte Liefer- und Wertschöpfungsketten eingebettet. Träten Schadensereignisse ein, könne die geringere Diversifikation geschäftsgefährdend wirken. Daher sei es für KMU von besonderer Relevanz, Klimarisiken und deren direkte und indirekte Auswirkungen auf die Unternehmen zu berücksichtigen. Zugleich verfügten sie im Vergleich zu Großunternehmen aber über geringere personelle, finanzielle, zeitliche und materielle Ressourcen, was ihnen eine hinlängliche Auseinandersetzung mit den möglichen Klimarisiken erschwere.

Durch die gesellschaftlichen und politischen Reaktionen auf den Klimawandel könnten sich für Unternehmen neben Risiken auch neue Chancen ergeben. Verschiebungen im Nachfrageverhalten infolge des Klimawandels böten Unternehmen die Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln bzw. bestehende auszubauen. So wirken beispielsweise die gesteigerte Nachfrage nach Technologien zur Nutzung erneuerbarer Energien oder nach baulichen Anpassungsmaßnahmen zum Schutz gegen physische Risiken wie Hitze oder Extremniederschläge positiv auf die Geschäftsentwicklung entsprechender Anbieter. Neben diesen branchenspezifischen Aspekten können aber auch nachhaltige Produktionsverfahren insofern an Bedeutung gewinnen, als dass Nachhaltigkeitsaspekte im Zuge der Kreditvergabe zunehmend Berücksichtigung fänden. Ähnliches gelte für die Mitwirkung in Wertschöpfungsketten: Unternehmen mit nachhaltigen Produktionstechniken könnten als Zulieferer an Attraktivität gewinnen, weil Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit innerhalb von Lieferketten an Bedeutung gewinnen.

Mittelständische Unternehmerinnen und Unternehmer mäßen den metaökonomischen Zielen, wie z. B. dem Umwelt- und Klimaschutz im Allgemeinen eine größere Bedeutung bei als Managerinnen und Manager in nicht-mittelständischen (Groß-) Unternehmen. Zugleich können sie durch die Überlappung von Eigentum und Leitung Maßnahmen zum Schutz gegen Klimarisiken schneller und flexibler umsetzen als Nicht-Mittelständler. Die im Gegensatz zum Nicht-Mittelstand ausgeprägtere Langfristorientierung ermögliche es mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmern außerdem, bei der Maßnahmenumsetzung längere Amortisationszeiten zugrunde zu legen, was das Ergreifen von Maßnahmen zur Mitigation und Adaption tendenziell begünstigt. Zum langfristigen Schutz ihrer Unternehmen und zur Sicherung ihres langfristigen Einkommensstroms seien mittelständische Unternehmen eher geneigt, längerfristige Aspekte – wozu auch Klimarisiken zählen – zu berücksichtigen und angemessen darauf zu reagieren. Aufgrund seiner hohen Standortverbundenheit habe der ortsansässige Mittelstand ein längeres historisches Gedächtnis und bessere Kenntnisse der klimabezogenen Standortbedingungen und könne sich mit manifestierenden Klimarisiken leichter identifizieren.

Im Einzelnen ergab die Umfrage folgende Ergebnisse: ● 41,4 Prozent der KMU haben in der Vergangenheit bereits Erfahrungen mit klimawandelbedingten Ereignissen gemacht. Bei den Großunternehmen ist der Anteil mit 50,3 Prozent noch etwas höher. Bei den Großunternehmen gibt es kaum Unternehmen, die vermuten, dass der Klimawandel ohne Folgen auf ihre Geschäftstätigkeit bleiben wird. Großunternehmen sehen im Klimawandel und dessen Folgen bedeutend häufiger eine Mischung aus Chancen und Risiken (53 Prozent) als KMU (33 Prozent). Zugleich ist unter den KMU, im Vergleich zu den Großunternehmen, der Anteil derjenigen bedeutend höher, die weder Chancen noch Risiken im Klimawandel sehen (25 Prozent gegenüber 10 Prozent). Während die Erfahrenen dem Klimawandel pessimistischer gegenüberstehen, erwartet das Gros der Gelassenen keinerlei Auswirkungen positiver oder negativer Art.

Sofern Bereiche für sie relevant sind, teilen KMU und Großunternehmen überwiegend ihre Einschätzungen hinsichtlich einer künftigen Beeinträchtigung ihrer Geschäftstätigkeit aufgrund von Klimaereignissen. So erwarten sie innerhalb der kommenden fünf Jahre vor allem Probleme im Zulieferbereich infolge von Klimaereignissen. Auch der Ausfall von inländischen Kunden sowie der eigenen Belegschaft werden als mögliche Probleme gesehen.

Zugleich ist festzustellen, dass diejenigen Unternehmerinnen und Unternehmer von KMU, die von einer Betroffenheit ausgehen, eine Unterbrechung der Wertschöpfungskette infolge eines Extremereignisses durchweg als wahrscheinlicher erachten als Großunternehmen. Dieses Ergebnis ist konsistent mit den eingangs gemachten Überlegungen, dass Großunternehmen im Vergleich zu KMU auf vielfältigere Weise betroffen sein können, aber gleichzeitig das Ausmaß des potenziellen Schadens wirtschaftlich weniger einschneidend ist.

Für die Zukunft beabsichtigt jedes dritte Unternehmen, sich autarker bei der Energie- und Wasserversorgung aufzustellen, vor allem durch die Nutzung von Photovoltaik – wenngleich dessen Anwendung nicht vollkommen unkritisch betrachtet und teils konträr diskutiert wird. So stehen unzulängliche Speichermöglichkeiten den Bestrebungen der Unternehmen entgegen, eine höhere bis vollständige Unabhängigkeit zu erreichen oder ihren Beitrag zum Gelingen der Energiewende zu leisten.

Maßnahmen, die geeignet sind, physische Risiken zu reduzieren, werden von KMU eher nachrangig ergriffen. Zugleich zeigt sich hier eine deutliche Diskrepanz zwischen KMU und Großunternehmen. Die Zunahme von Klimarisiken hat Großunternehmen bis dato deutlich häufiger veranlasst, bauliche Maßnahmen umzusetzen oder Versicherungen abzuschließen, als dies KMU tun. Mit Blick auf die geplanten Maßnahmen wird sich dieser Trend fortsetzen. Relativ wenige Unternehmen – weniger als ein Drittel der Großunternehmen und weniger als ein Viertel der KMU – sichern sich mithilfe einer Versicherung gegen Klimarisiken ab.

Die Forscher des IfM Bonn stellen als Fazit ihrer Studie fest, Unternehmer hätten die durch den Klimawandel erwachsenen Risiken unabhängig von der Unternehmensgröße im Blick. Es falle jedoch auf, dass die Wahrnehmung insbesondere physischer Klimarisiken unter KMU im Gegensatz zu den Großunternehmen heterogener sei. Einerseits zähle ein höherer Anteil der KMU zum Einstellungstyp der „Gelassenen“, welche keine Auswirkungen des Klimawandels auf das eigene Unternehmen erwarten. Andererseits räume ein größerer Anteil der KMU physischen Klimarisiken eine hohe Priorität ein. Diese extremeren Sichtweisen unter KMU könnten viele Ursachen haben. Zum einen komme der Unternehmer- und Unternehmerinnenpersönlichkeit – ihren Erwartungen und Erfahrungen – in mittelständischen Unternehmen, die einen Großteil der KMU ausmachten, eine größere Bedeutung zu. Die Ergebnisse legten nahe, dass eigene Erfahrungen der zentrale Parameter im Hinblick auf die Sensibilisierung für zukünftige physische Klimarisiken sind. Zum anderen könnte die höhere Heterogenität in der Risikowahrnehmung der KMU auch schlicht Ausdruck einer höheren Heterogenität in der tatsächlichen Betroffenheit sein.

Die vollständige Studie mit weiteren sehr informativen Auswertungsergebnissen finden Sie hier.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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