Donnerstag, 23. Februar 2023

Söder und die Grünen: Mal Schmusepartner, mal Feindbild

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Wer die gestrige Rede von Dr. Markus Söder in Passau verfolgt hat, der kann nur zu einem Urteil kommen: Bündnis 90/Die Grünen sind für die CSU und Söder ein politisches No-Go. Die CSU mache kein Schwarz-Grün in Bayern, donnerte Söder in den Saal. Wer diese Ansicht teilt und ihn deshalb bei der bayerischen Landtagswahl im Oktober wählt und zudem hofft, er werde im Falle eines guten Ergebnisses dann erneut Kanzlerkandidat der Herzen der Union, sollte sich vielleicht noch einmal das 2021 vom Spiegel, Vice und T-online vor der Bundestagswahl organisierte Streitgespräch zwischen Söder und Dr. Robert Habeck anschauen. Allein die Bildsprache spricht Bände. Mehr ‘Schmusekurs’, bei allen schon damals vorhandenen inhaltlichen Differenzen, gegenüber den Grünen geht insoweit wohl kaum.

Gut, das ist bald zwei Jahre her, und klar, Söder wird behaupten, die Grünen hätten sich negativ entwickelt („Grün heißt Verbot. Grün heißt, nein, nein, nein. Die Grünen sind heute die größten Spielverderber und Stimmungskiller der Nation“). Aber stimmt das? Alles was Söder den Grünen an negativen Eigenschaften gestern zugesprochen hat, hatten sie auch 2021 schon zu bieten. Noch kurioser: Vieles von dem, was er gestern lauthals abkanzelte, hat er selbst schon gefordert. Beispiel: Söder hat in dem angesprochenen Streitgespräch ein Verbot für fossile Verbrenner ab 2035 gefordert (als Generalsekretär der CSU hatte er dies im März 2007 sogar für die Zeit ab 2020 (!) verlangt). Jetzt wettert er gegen das vom EU-Parlament mit den Stimmen der dortigen Grünen verabschiedete Aus des Verbrennungsmotors ab 2035. Sicher, es gibt einen Unterschied zwischen einem vollständigen Verbot von Verbrennungsmotoren und einem Verbot des Betriebs von Verbrennungsmotoren mit fossilen Brennstoffen. Aber der ist in der Realität geringer als Söder suggeriert.

In demselben Streitgespräch berichtet Söder genüsslich, beim gemeinsamen Essen des Landeskabinetts esse außer Hubert Aiwanger kaum noch ein Kabinettsmitglied Blutwurst. In Passau wurde daraus gestern „als offizielle Botschaft der bayerischen Staatsregierung und der CSU“: „Wir essen lieber Schweinsbraten als Insekten oder Madenmüsli. Und wenn ihr das wollt, liebe Grüne, dann könnt ihr das Zeug selbst fressen. Wir machen das nicht, niemals.“

Warum also damals Schmusekurs und jetzt klare Kante bis hin zur Diffamierung? Weil Söder immer rein machtpolitisch und wahltaktisch denkt. 2021 ging er beim Streitgespräch noch davon aus, die Grünen und die Union würden um den ersten Platz in einer Koalition beider Partner kämpfen. Da wäre es ziemlich kontraproduktiv gewesen, die Grünen, die sich im Aufwind befanden, scharf zu kritisieren. Aktuell weht den Grünen der politische Gegenwind nicht nur aus der Bevölkerung, sondern selbst aus den eigenen Reihen mächtig ins Gesicht. Deshalb sieht es derzeit so aus, als könne Söder mit dem neuen klaren Kurs gegen die Grünen ein besseres Ergebnis bei der Landtagswahl einfahren als mit einem freundlichen Verhalten.

Niemand sollte sich allerdings täuschen, dass Söder jederzeit bereit wäre, auch diesen politischen Ansatz noch in diesem Jahr wieder ins Gegenteil umzukehren, sollte dies mehr Erfolg versprechen. Man stelle sich nur einmal vor, der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine werde im Frühsommer in Friedensverhandlungen übergehen, zu denen Deutschland einen nicht unerheblichen Beitrag geleistet hätte. Wie würde sich das wohl auf das Ergebnis bei der Sonntagsfrage auswirken? Und man stelle sich zusätzlich vor, gleichzeitig würden auch noch die Energiepreise sinken. Was würde wohl Söder machen, sollten dann in Bayern die Umfragewerte für die CSU bröckeln?


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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