Dienstag, 11. Oktober 2022

Landtagswahl in Niedersachsen: Althusmann zeigt Stil, Merz duckt sich weg

Blogeintrag | Kommentare (0)

Friedrich Merz ist sich einmal mehr treu geblieben. Gibt es etwas zu gewinnen, lässt er sich gerne selbst dafür feiern. Fällt das Ergebnis dagegen unbefriedigend aus, sind fast immer die anderen schuld. So hatte sich der CDU-Vorsitzende bereits mit feinem Gespür weitgehend aus der saarländischen Landtagswahl herausgehalten, weil es dort für die CDU frühzeitig nicht nach einem Erfolg aussah. Und jetzt, nach dem schlechten Ergebnis der CDU in Schleswig-Holstein, wo Merz durchaus intensiv als Wahlkämpfer unterwegs war, kam er selbst in seiner Analyse, warum das Ergebnis für die CDU nicht besser ausgefallen ist, nicht vor. SPD-Ministerpräsident Stephan Weil, so sein Fazit gestern, habe einfach als Amtsinhaber seine Reputation optimal zur Geltung gebracht, indem er sich größtmöglich von der Berliner Ampel distanziert habe.

Weil würde zwar nicht behaupten, sich größtmöglich von der Ampel, speziell Bundeskanzler Olaf Scholz distanziert zu haben, aber das ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Tatsache ist, die CDU hat die Landtagswahl in Niedersachsen unnötig zur Abstammung über die Ampel gemacht. Diese Strategie hat der CDU-Spitzenkandidat und Landesvorsitzende Bernd Althusmann zu verantworten, woraus er persönlich Konsequenzen gezogen hat, indem er den Landesvorsitz aufgibt. Aber es war sicher nicht allein Althusmanns Idee, derart vorzugehen. Gerhard Schröder hat zwar mit exakt dieser Methode, eine Landtagswahl zu einer Abstimmung über eine ganz andere Frage zu machen, im Frühjahr 1998 das interne SPD-Duell mit Oskar Lafontaine um die Kanzlerkandidatur für sich entschieden, als er die Landtagswahl in Niedersachsen 1998 schlicht zur Entscheidung über den Kanzlerkandidaten der SPD erklärt hatte. Doch das Modell Schröder taugt halt nicht 2022 in Niedersachsen zur Wiedervorlage, auch wenn es Roland Koch für die hessische CDU bei der Landtagswahl 1999 ebenfalls erfolgreich umgesetzt hatte (mit einer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft). Merz wollte allerdings gestern vor der Presse nichts davon wissen, dass die Bundes-CDU eine solche Strategie überhaupt geplant, geschweige denn umgesetzt habe.

Ebenso gab es von ihm zunächst kein Wort dazu, ob sein unsäglicher Ausspruch von den Sozialtouristen aus der Ukraine möglicherweise die Mobilisierung der eigenen Wähler der CDU erschwert und die der AfD befördert habe (die Wahlbeteiligung lag bei beschämenden 60,3 Prozent). Auf Nachfrage ließ Merz dann wissen, nach seiner Empfindung im Wahlkampf habe dies keine Rolle gespielt. Erst Althusmann brachte danach sehr subtil auch die Verantwortung der Bundes-CDU und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ins Spiel. So stellte er fest, es dürfe keinen Zweifel an der Solidarität mit der Ukraine geben. Zudem seien ihm im Wahlkampf häufig Fragen nach den 16 Regierungsjahren Angela Merkels gestellt worden. Da fehle es nach wie vor an der Aufarbeitung durch die CDU. Ja, man habe wohl versucht, auch eine Anti-Ampel Stimmung der Bevölkerung zu nutzen, was, so offen müsse man sein, gescheitert sei. Und schließlich wollten die Menschen in der Krise auch keine gegenseitigen Beschimpfungen der Parteien, sondern Lösungen. Mancher Ton in der Debatte sei dem wohl zuletzt nicht gerecht geworden, so seine Feststellung. Wer der Adressat dieser Erläuterungen war, weiß Merz wohl selbst am besten.

Überspitzt formuliert könnte man sagen, seine beste Phase habe Althusmann gestern nach der Wahl gehabt. Das wiederum lässt sich von Christian Lindner und der FDP nicht sagen. Lindners Kleinkrieg mit Dr. Robert Habeck nutzt niemandem. Auch der Versuch, als kleinster Partner in der Ampel jetzt das meiste herausschlagen zu wollen, wird nicht funktionieren. Entweder Lindner wiederholt seine Erkenntnis nach der Bundestagswahl 2017 („Es ist besser nicht zu regieren, als schlecht zu regieren“) und verlässt die Ampel oder er rauft sich mit den Bündnis 90/Grünen und der SPD zusammen, wie eine in dieser Konstellation bestmögliche Lösung der Probleme für die Bürger aussehen soll. Sich gegenseitig permanent zu blockieren, ist jedenfalls keine Lösung. Es hilft auch nicht weiter, wenn Linder aus der zutreffenden Feststellung, SPD und FDP hätten in Niedersachsen mehr Stimmen verloren als die Grünen hinzugewonnen hätten, Honig für die weitere Regierungsarbeit im Bund ziehen will. Denn zur ganzen Wahrheit gehört ja auch, dass die FDP mit der CDU erst recht keine Mehrheit erzielt hat. Entweder räumen CDU und FDP ihre Beschlüsse ab, nicht mit der AfD koalieren zu wollen, oder die FDP arrangiert sich mit der Ampel. Grundsätzliche Verschiebungen gäbe es bei einer Neuwahl im Sinn der FDP jedenfalls nicht. Die fände sich dann aller Voraussicht nach mit der SPD in der Opposition wieder – oder flöge gleich ganz aus dem Bundestag. Dann zumindest wäre Lindner wieder beim Ziel angekommen, es sie besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren.

Zum Schluss noch ein Wort zu Bündnis 90/Die Grünen. Die feiern gerade ihr „historisch bestes Landtagswahlergebnis“. Das klingt erste einmal gut in einem Bundesland, das neben Hessen als eine historische Hochburg der Partei erklärt werden kann. Allerdings relativiert sich der Erfolg deutlich, wenn man nicht das Landtagswahlergebnis von 2017, sondern das von 2012 als Vergleich zugrunde legt. Und das ist dringend angeraten, denn 2017 wurden die Grünen für eine Überläuferin abgestraft, die die damalige Rot/Grüne-Koalition parlamentarisch ins Wanken gebracht hatte. 2013 erzielten die Grünen in Niedersachsen 13,7 Prozent. Diesmal waren es 14,5 Prozent. Stellt man die 14,5 in Relation zum Bundestagswahlergebnis von 14,8 Prozent, wird der Erfolg auch nicht gerade größer. Die Bundestagsfraktion wäre daher gut beraten, noch einmal intensiv über ihre Position in der Nutzung der Kernenergie nachzudenken. Sicher, das rüttelt an Grundüberzeugungen der Grünen. Aber wann, wenn nicht jetzt, muss darüber nachgedacht werden? Die Bevölkerung hat dies mehrheitlich bereits getan.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

Zurück zum Blog

Kommentar verfassen

Bitte beachten Sie bei Ihren Kommentaren unsere Netiquette