Mittwoch, 13. Juli 2022

Nüßleins und Sauters Maskendeals nicht strafbar

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Die lukrativen Maskendeals des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein und des bayerischen Landtagsabgeordneten Alfred Sauter sind nicht strafbar. Dies hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem bisher nicht veröffentlichten Beschluss vom 5. Juli 2022 rechtskräftig entschieden, wie die Pressestelle des BGH gestern mitgeteilt hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft München hatte zuvor schon vergeblich beim Oberlandesgerichts München versucht, ihre Rechtsauffassung durchzusetzen, wonach die Maskendeals als Bestechlichkeit bzw. Bestechung von Mandatsträgern (§ 108e StGB) strafbar sei. Rechtlich begründete der Senat seine Entscheidung damit, die Tatbestände des § 108e Abs. 1 und 2 StGB setzten unter anderem „eine (erstrebte bzw. getroffene) Unrechtsvereinbarung zwischen dem Bestechenden und dem bestochenen Parlamentsmitglied mit dem Inhalt voraus, dass dieses >>bei der Wahrnehmung seines Mandates<< eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornimmt oder unterlässt“. Eine solche habe jedoch nicht vorgelegen, weil beide Beschuldigten für den Erhalt ihrer Gewinnbeteiligung nicht ihr Mandat als Mandatsträger wahrgenommen hätten. Die Übereinkunft der Beteiligten sei von vorneherein nicht auf ein derartiges Verhalten gerichtet gewesen.

Das Merkmal der Wahrnehmung des Mandats sei dahin zu verstehen, „dass die Mandatstätigkeit als solche, nämlich das Wirken im Parlament, mithin im Plenum, in den Ausschüssen oder sonstigen parlamentarischen Gremien einschließlich der Fraktionen oder in mit Abgeordneten besetzten Kommissionen, erfasst ist. Allein die Vereinbarung zwischen den Beteiligten, dass sich der Mandatsträger bei außerparlamentarischen Betätigungen auf seinen Status beruft, um im Interesse eines Privatunternehmers Behördenentscheidungen zu beeinflussen, erfüllt dieses Merkmal nicht. Ebenso wenig genügt es, wenn das Parlamentsmitglied dazu die in dieser Funktion geknüpften Beziehungen zu Entscheidungsträgern der Exekutive ausnutzen oder sich seiner Amtsausstattung bedienen soll.“

Der Gesetzgeber habe bei Abfassung des Straftatbestandes bewusst davon abgesehen, „rein außerparlamentarische Betätigungen des Mandatsträgers zu erfassen. Das Korruptionsdelikt der missbräuchlichen Einflussnahme, das in zwei von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen völkerrechtlichen Abkommen vorgesehen ist, hat er nicht in das deutsche Recht überführt.“ Entsprechend hat der BGH darauf hingewiesen, es obliege dem Gesetzgeber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich und notwendig erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen will. Falls der Gesetzgeber eine Strafbarkeitslücke erkennen sollte, sei „es seine Sache, darüber zu befinden, ob er sie bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen will“.

Man kann dem rein rechtlich wenig entgegen. Liest man jedoch den Sachverhalt, so wie er vom BGH wiedergegeben wird, dann kann man nur eindringlich an die Bundestagsabgeordneten appellieren, schnellsten eine entsprechende Strafnorm zu schaffen, die derartiges Handeln unter Strafe stellt. Der BGH beschreibt den Vorgang so: Zwei Privatunternehmer hätten Anfang März 2020 den Plan gefasst, Schutzausrüstung zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie aus Asien einzuführen, um sie gewinnbringend an Bundes- und Landesbehörden zu verkaufen. Nach gemeinsamer Absprache sei einer der beiden an die ihm persönlich bekannten Beschuldigten Nüßlein und Sauter herangetreten und habe ihnen angetragen, gegen Entgelt ihre Autorität und ihren Einfluss als Bundes- bzw. Landtagsabgeordneter einzusetzen, damit die Behörden die Ware erwerben. Nüßlein und Sauter erklärten sich mit dem geplanten Vorhaben einverstanden und traten in der Folge mit Entscheidungsträgern verschiedener Bundes- und Landesbehörden in Verbindung und wirkten auf den Abschluss von Kaufverträgen über Schutzmasken (Mund-Nase-Bedeckungen) hin.

Nüßlein vermittelte zwei Verträge einer für die Abwicklung des Vorhabens eingebundenen Firma mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, vertreten durch das Bundespolizeipräsidium Potsdam, vom 20. März 2020 (3 Millionen FFP2-Masken zum Nettokaufpreis von 11,4 Millionen Euro) sowie mit der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit, vom 27./28. März 2020 (8,5 Millionen FFP2- und FFP3-Masken zum Nettokaufpreis von 37,25 Millionen Euro). Er stellte den Kontakt zu den für die Ministerien handelnden Entscheidungsträgern und Mitarbeitern her und setzte sich sowohl bei der Anbahnung der Kaufverträge als auch bei deren Abwicklung für die beiden Unternehmer ein. Gegenüber den Behörden trat er als „MdB“ und stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktionen auf.

Sauter vermittelte den Abschluss eines Kaufvertrages über Schutzmasken zwischen der benannten Firma und dem Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, vom 20. März 2020 (3,5 Millionen FFP2- und FFP3-Masken zum Nettokaufpreis von 14,25 Millionen Euro). Er stellte den Kontakt zur zuständigen Mitarbeiterin des Ministeriums her und förderte den Vertragsschluss. Seine entsprechenden E-Mails an die Behörde versandte Sauter unter der E-Mailadresse einer seiner beiden Kanzleien, verwendete aber auch mehrfach eine Signatur mit dem Kürzel „MdL“.

Ziemlich erhellend ist auch der Weg der Zahlungen und die Höhe der Entlohnung, wie sie der BGH in dem Beschluss mitteilt: 10 Millionen Euro wurden auf ein Konto eines der beschuldigten Unternehmer bei einer Lichtensteiner Bank eingezahlt. Nüßlein stellte als Geschäftsführer einer GmbH in deren Namen zwei Rechnungen wegen „Abschlagszahlung Beratungshonorar“ über 660.000 Euro und 600.000 Euro, von denen die erste beglichen wurde. Sauter, der maßgebenden Einfluss auf eine andere GmbH hatte, veranlasste, dass diese einen Gewinnanteil von 1,243 Millionen Euro abrechnete. Der Betrag wurde dann auf deren Konto eingezahlt.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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