Mittwoch, 06. April 2022

Habeck bekennt sich zur Energiewende in schwieriger Zeit – Industrie sagt Unterstützung zu

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Die Stiftung KlimaWirtschaft veranstaltete gestern zusammen mit dem Umweltbundesamt eine digitale Podiumsdiskussion zur Frage „Wie gelingt die Transformation unserer Wirtschaft hin zur Klimaneutralität?“. Den hochkarätigen Teilnehmerkreis bildeten Jan-Hendrik Goldbeck, Geschäftsführender Gesellschafter der GOLDBECK GmbHOla Källenius, CEO Mercedes Benz Group und Martina Merz, CEO thyssenkrupp, Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes, sowie Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Dr. Robert Habeck. Die Thematik wäre ohne den Krieg um die Ukraine schon herausfordernd, inzwischen hat sie vor dem dramatischen Hintergrund ernorm an Brisanz gewonnen.

So wies Messner in seinem Eingangsstatement darauf hin, ohne den Krieg um die Ukraine wäre wohl darüber diskutiert worden, wie das bisher ambitionierteste Klimaprogramm einer Bundesregierung im Hinblick auf die Erfüllung der Pariser Klimaziele zu bewerten sei. Nun gehe es um die Frage, inwieweit die Kriegsfolgen die Ziele des Klimaschutzes gefährdeten. Messner sieht infolge des Krieges sowohl negative wie positive Einflüsse auf den Transformationsprozess zukommen. Zu den negativen Erscheinungen gehöre, dass wieder Stimmen lauter würden, die den Klimaschutz als solchen ablehnten, jetzt mit der Begründung, es gebe aufgrund des Krieges Wichtigeres zu tun. Noch seien diese Stimmen aber in der Minderheit. Hinzu komme die Tatsache, dass nunmehr Investitionsentscheidungen anders als vor dem Krieg getroffen würden. Er nannte als Beispiel, dass Kommunen, die vielleicht Investitionen in den Ausbau des ÖPNV hätten stecken wollten, nunmehr diese Investitionen möglicherweise zur Bewältigung des Flüchtlingsstromes tätigen müssten. Auf der Habenseite verbuchte er, dass das Thema Energiesicherheit die Erneuerbaren Energien befördere, was wiederum dem Klimaschutz zugutekomme. Zudem führe der Ruf nach Unabhängigkeit von Russland insgesamt zu tiefgreifenden Veränderungen, mit denen sich die deutsche Gesellschaft in normalen Zeiten meist sehr schwertue.

Goldbeck sieht die Bauwirtschaft in einem massiven Umbruch. Das inhabergeführtes Familienunternehmen bezeichnet sich selbst als Partner für die mittelständische Wirtschaft und Großunternehmen, Investoren, Projektentwickler sowie öffentliche Auftraggeber. Das Unternehmen realisierte im Geschäftsjahr 2020/2021 mehr als 500 Projekte bei einer Gesamtleistung von rund 4,1 Milliarden Euro. Goldbeck, der unter anderem für das Auslandsgeschäft, die Dienstleistungssparte GOLDBECK Services zuständig ist, betonte, die Bauwirtschaft befinde sich in einem massiven Umbruch. So sei beispielsweise Zement ein massiver Klimakiller. Die Branche arbeite aber intensiv an klimafreundlichen Lösungen. Insgesamt komme es darauf an, das der Branche teilweise zugeschriebene „Schmuddelimage“ loszuwerden. Es sei zwar nicht so einfach, sich als Bauunternehmen gegen das Bauen auszusprechen, aber es sei zumindest deutlich sinnvoller, bestehende Bausubstanz für neue Anforderungen umzubauen, als stereotyp auf Abriss und Neubau zu setzen. Als weiteres Beispiel nannte der die Art und Weise des Bauens. Früher sei gerne von „Massivbau“ gesprochen worden. Heute gehe es darum, nur so massiv zu bauen, wie es für die konkrete Zweckbestimmung des Gebäudes erforderlich sei. Die Branche sei bereit zur Transformation, aber er appellierte auch an die Politik, „die Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen. Unser Appell an die Politik ist, sinnvolle Rahmenbedingungen zu schaffen, die es uns Unternehmen erlauben, klimatisch sinnvoll und nachhaltig zu investieren – auch mit Blick auf das Prinzip des ökologischen Grenznutzens. Deutschland muss ein positiveres Klima für Innovationen schaffen und wir brauchen dringend mehr Geschwindigkeit bei der Realisierung von ökologischen und ökonomischen Lösungen.“ Einen Rückzug Europas aus der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dürfe es nicht geben. „Europa als Quasi-Disneyland für reiche Amerikaner und Chinese ist keine Lösung und wäre unfair gegenüber unseren Kindern.“

Källenius stellte fest, Mercedes werde die Anstrengungen zum Klimaschutz wegen des Krieges nicht reduzieren, sondern sogar beschleunigen. Das gelte sowohl für die Umstellung der Fahrzeugflotte auf Elektromobilität wie auch für die eigene Stromerzeugung. Man wolle weltweit alle Märkte mit E-Mobilität bis 2030 bedienen. Aktuell habe der Vorstand zudem beschlossen, weltweit Fotovoltaikanlagen zu installieren, wo immer das möglich sein. Zudem plane man Windparks mit Partnern zu errichten. Perspektivisch wolle man so auf einen Anteil der eigenen Stromproduktion am Gesamtbedarf des Unternehmens von 20 bis 25 Prozent kommen. Seine Parole und die des Unternehmens laute: „Wir haben keine Zeit mehr zu warten.“ Zugleich warnte er davor, die Globalisierung nun quasi vollständig zurückdrängen zu wollen. Das gehe nicht. Ein modernes Auto enthalte tausende Teile aus allen Erdteilen, aus ganz vielen Ländern. Die Lösung könne nicht sein, deren Produktion vollständig nach Europa zu holen. Man benötige den Freihandel, aber auch klare Vereinbarung mit Rohstofflieferanten, die für die Elektromobilität elementar seien, wie etwa Lithium, Nickel oder Kobalt.

Merz wie darauf hin, thyssenkrupp werde häufig auf die Geschäftsfelder Grundstoff- uns Stahlindustrie reduziert. Man sei aber auch einer der größten Anbieter für Infrastruktur. Das Kernthema hierbei ist der ‘Grüne Stahl’, Stahlproduktion unter Einsatz von Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Man habe gerade entsprechende Vereinbarungen mit Saudi-Arabien geschlossen, um dort grünen Wasserstoff zu produzieren. Um die Dimensionen des Klimaschutzes bei ThyssenKrupp zu verdeutlichen: Das Unternehmen steht allein für zwei Prozent des gesamten deutschen CO2-Ausstoßes. Es bedürfe daher eines klaren Business Cases der Politik zur Herstellung und zum Einsatz ‘Grünen Wasserstoffs’: „Wir müssen das in der Lieferkette auf die Reihe bringen. Wir müssen dafür entsprechende Verträge weltweit abschließen. Dann bauen wir die Kapazitäten auf und dann können wir das skalieren.“ Sie komme sich häufig in der öffentlichen Darstellung vor wie die größte Bittstellerin. Das sei nicht so. Allerdings sei ThyssenKrupp ein Unternehmen. Daher brauche es wirtschaftlich darstellbare Lösungen. Ohne staatliche Förderung und Vorgaben werde es die nicht geben.

Robert Habeck oblag es, die Anpassung der Klimaziele der Regierung an die gegebenen Realitäten vorzustellen und zugleich das Vertrauen an der Einhaltung der mittelfristigen Ziele der Bundesregierung zu stärken. Dies ist ihm in diesem Kreis gut gelungen. Die Eingangsfrage von Moderatorin Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft, ob die Transformation trotz der Folgen des Krieges zu schaffen sei, beantwortet er eindeutig und knapp mit Ja. Die Umbenennung des Ministeriums in Wirtschafts- und Klimaschutzministerium zeige die politische Neuorientierung. Man bündele hier die Kräfte, um gemeinsam mit den Unternehmen die auf Sicht notwendigen Maßnahmen umzusetzen.

Er habe bei seinen zahlreichen Gesprächen mit Unternehmen noch keines gefunden, dass sich gegen den Klimaschutz ausgesprochen habe. Die Unternehmen wollten das, sie wollten aber auch politische Führung in der Frage. Der Satz, Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt, habe sich erledigt. Die Unternehmen bräuchten und wollten die klaren politischen Vorgaben, was die Ziele der Transformation seien und wie sie umgesetzt werden sollen. Er habe seit vier Monaten den Geist gespürt, „es gemeinsam schaffen zu wollen“. Das gehe nicht gegen, sondern nur mit den Unternehmen. Für ihn gelte der Satz: „Wer gehört werden will, muss gut zuhören können.“ Dazu gehöre aber auch, Kompromisse zu schließen und Widerstände als zuständiger Minister aushalten zu können. Konkret bedeute dies etwas, dass die Klimabilanz sich aktuell verschlechtere, weil stärker als geplant auf Energien zurückgegriffen werden müsse, die klimaschädlich seien. Aber dies sei hinzunehmen, weil es einem wichtigen Ziel diene. Gleichzeitig werde massiv am Ausbau der erneuerbaren Energien gearbeitet, um im Zeitablauf die Ziele dennoch zu erreichen.

In diesem Zusammenhang hatte er dann auch noch ein Angebot an die ehemals bestehende deutsche Solar- und Windenergieunternehmen parat. Leider seien sowohl die Fotovoltaik wie die Windenergieanlagenproduktion weitgehend aus Deutschland verschwunden. Das sei ein Fehler gewesen. Aufgrund der neuen Ausrichtung, sich energieunabhängig von anderen zu machen, sei dies vielleicht eine Gelegenheit, Geschäftsmodelle noch einmal neu zu rechnen. Denn inzwischen gebe es bereits Kapazitätsengpässe der internationalen Hersteller, um den steigenden Bedarf abzudecken.

Habecks Appell, gemeinsam mit der Wirtschaft zu agieren, schlossen sich die Wirtschaftsvertreter erwartungsgemäß an. Insoweit teilen wir auch Nallingers Einschätzung, ihr habe die Veranstaltung Mut gemacht. Allerdings sind Ziele immer leichter formuliert als umgesetzt. Habeck weiß das selbst nur zu gut. Aber er versprüht ein ganz anderes Charisma als sein – von den meisten wahrscheinlich schon vergessener – Vorgänger Peter Altmaier. Die Zukunft wird zeigen, wie schnell sich dies möglicherweise abnutzt. Aktuell tauschen möchte mit ihm wahrscheinlich eher niemand. Insofern war es auch sehr glaubwürdig, dass Källenius sich bei ihm für die derzeitige Arbeit der Regierung ausdrücklich bedankte. Es sei gleichermaßen wichtig wie schwierig, in diesen Zeiten klar und besonnen zu handeln. Wie dies die Bundesregierung mache, nötige ihm großen Respekt ab.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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