Mittwoch, 26. Januar 2022

Sonderopfer bei Corona-Entschädigungen: Der Staat darf nicht sparen, wo er haften muss

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In einer jüngst veröffentlichten Entscheidung vom 8. Dezember 2021 zeigte sich das Verwaltungsgericht Trier (VG) großzügig, was die Befugnis von Behörden anbelangt, gewährte Corona-Soforthilfen zurückzufordern. Unternehmen, die Corona-Soforthilfen erhalten haben oder Ansprüche auf Auszahlung solcher Hilfen geltend machen wollen, sollten sich von dieser Entscheidung nicht verunsichern lassen. Im entschiedenen Fall waren einem Getränkehandel Soforthilfen in Höhe von knapp 60.000 Euro für die Monate November und Dezember 2020 zugeflossen. Die Bewilligungsbescheide waren unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen. Einige Monate später lehnte die Behörde die Bewilligung unter Hinweis auf den Vorbehalt ab und verlangte die Rückzahlung der ausgezahlten Gelder.

Die Prüfung habe ergeben, dass die Voraussetzungen zur Gewährung der „Novemberhilfe“ und der „Dezemberhilfe“ nicht vorgelegen hätten. Das VG gab der Behörde recht und wies die Klage des Getränkehandels gegen die Ablehnung der Hilfen zurück. Der Getränkehandel sei von den Corona-Maßnahmen nicht direkt betroffen gewesen. Bei einer indirekten Betroffenheit gelte nach den Zuwendungsbestimmungen, dass es zu einer mindestens 80-prozentigen Umsatzeinbuße mit direkt betroffenen Kunden kommen müsse. Dies habe der Getränkehandel nicht ausreichend nachgewiesen. In die Berechnung dürften dabei keine Umsätze einfließen, die dem Unternehmen mit Privatpersonen entgangen waren, die wegen des Verbots von Zusammenkünften keine Getränke anlässlich von Feiern (wie etwa Abitur- und Hochzeitsfeiern) erwarben. Ausgleichspflichtig sei nur der Wegfall von Umsätzen im Zusammenhang mit kommerziellen Veranstaltungen.

Die Entscheidung zeigt die Grenzen des Systems der Corona-Soforthilfen auf. Diese wurden vom Bund als Billigkeitsentschädigungen konzipiert, was zur Folge hat, dass Betroffene keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung geltend machen, sondern nur verlangen können, im Rahmen der für die Zuwendung aufgestellten Regeln mit anderen Zahlungsempfängern gleichgestellt zu werden. Die Entscheidung über die Zuwendung selbst ist eine Ermessensentscheidung. Diese wird von den Gerichten nur eingeschränkt überprüft.

Was aber können Unternehmen tun, wenn eine bereits gewährte Corona-Soforthilfe zurückgefordert wird? Zunächst sollten sie prüfen, ob der Bewilligungsbescheid unter einem Vorbehalt stand. Falls nein, ist es nur unter engen Voraussetzungen möglich, die Zuwendung rückgängig zu machen. Das Gleiche gilt, wenn zwar ein Vorbehalt erklärt wurde, die Nachprüfung aber erst erfolgt, wenn mit einer Rückforderung nicht mehr zu rechnen ist.

Indirekt Betroffene sollten in einem zweiten Schritt die 80-Prozent-Hürde in den Blick nehmen. Liegen die Umsatzeinbußen im b2b-Bereich in den fraglichen Zeiträumen nachweislich darüber, ist die Klage gegen eine Rückforderung – bzw. auf Gewährung der Hilfen – nach dem Gleichheitsgebot aussichtsreich.

Sind die Anforderungen der Zuwendungsregeln nicht erfüllt, sollten Betroffene gedanklich auf das Prinzip der Staatshaftung umschalten. Haben Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung einen existenzgefährdenden Charakter, sind sie nämlich nach hergebrachten Grundsätzen des Staatshaftungsrechts ausgleichspflichtig. In die Berechnung gehören selbstverständlich auch Umsätze, die im b2c-Bereich verloren wurden. Lässt sich nachweisen, dass staatliche Maßnahmen für die existenzgefährdenden Umsatzeinbußen ursächlich waren, kann eine Entschädigungspflicht nach dem Grundsatz des enteignenden Eingriffs bestehen. Zwar führt das Staatshaftungsrecht – wie man auch an der Entscheidung des VG Trier sieht – in den gerichtlichen Entscheidungen zu den Auswirkungen der staatlichen Corona-Maßnahmen noch ein Schattendasein. Es liegt aber auch ein Stück weit an den betroffenen Unternehmen und ihren Prozessvertretern, diesen Zustand zu ändern. Sie sollten sich nicht, wie es die Corona-Soforthilferegeln vorsehen, ausschließlich als Bittsteller behandeln lassen, sondern auf ihrem guten Recht bestehen. Wer ein Sonderopfer erbringt, das den Rahmen des Zumutbaren übersteigt, muss nach hergebrachten Grundsätzen entschädigt werden.

Manchmal müssen die Bürger den Staat erziehen. Das Corona-Entschädigungsrecht lädt dazu ein.

Gregor Kuntze-Kaufhold ist Justiziar der markt intern-Verlag GmbH


Verfasst von: Gregor Kuntze-Kaufhold | Kommentare (0)

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