Donnerstag, 23. September 2021

RBB-Intendantin verwaltet Defizit, wird aber ARD-Vorsitzende

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Gestern hat die ARD bekannt gegeben, dass die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb), Patricia Schlesinger, ab dem 1. Januar 2022 den Vorsitz in der ARD übernimmt. Die ARD kommentiert dies selbst so: „Damit übernimmt der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) zum ersten Mal in der Geschichte der ARD diese besondere Aufgabe für den öffentlich-rechtlichen Medienverbund.“

Wie es sich gehört, gratulieren wir Patricia Schlesinger erst einmal zur neuen Position. Allerdings kommen wir nicht umhin, ein paar Fragen aufzuwerfen, was ihre Qualifikation betrifft. Das ist insofern an sich unsinnig, weil es auf die Qualität bei der Besetzung der Position offenbar gar nicht ankommt. Denn beim Vorsitzend bzw. der Vorsitzenden der ARD geht es reihum. Mit den Worten der ARD: „Die rotierende Geschäftsführung basiert auf dem Vielfaltsgedanken, für den die ARD steht. Als föderale Gemeinschaft aus neun Landesrundfunkanstalten und der Deutschen Welle spiegelt die ARD die regionalen Lebenswirklichkeiten und Besonderheiten der Bundesrepublik wider. Mit der Rotation des ARD-Vorsitzes sollen wechselnde Perspektiven aus allen Teilen Deutschlands in die Gemeinschaftsaufgaben der ARD einfließen. Gleichzeitig lassen sich so immer wieder neue Impulse setzen, um die ARD und ihre Angebote für die Gesellschaft weiterzuentwickeln.“

Wir wollen trotzdem mal schauen, was gegen die ARD-Vorsitzende Schlesinger sprechen könnte. Da wäre als Erstes der Punkt mangelnder Transparenz. Wer versucht, dem Internet einen Geschäftsbericht des rbb zu entnehmen, wird nicht fündig. Das ist inakzeptabel für eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt. Das sehen die anderen acht Rundfunkanstalten der ARD offensichtlich auch so, denn deren Geschäftsberichte sind online einsehbar. Was es beim rbb gibt, sind Häppchen des Geschäftsberichts, die über einzelne Veröffentlichungen zusammengetragen werden müssen. Sinnigerweise wird die Übersicht eingangs mit dem Slogan des rbb illustriert: „Bloss nicht langweilen“. Das könnte unter Schlesinger abgewandelt zum neuen Motto der ARD werden: ‘Fakten stören bloß’.

Macht man sich die Mühe, den einzelnen Übersichten Daten zu entnehmen, ergibt sich das nächste Problem für Schlesingers Qualifikation. Denn der Sender teilt u. a. mit: „Der Rundfunkrat des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) hat am Donnerstag (27.8.2020) den Jahresabschluss 2019 des Senders festgestellt. Der Erfolgsplan weist ein Defizit von 71,4 Mio. Euro aus, das im Wesentlichen durch Rückstellungen für die Altersversorgung aufgrund der andauernden Niedrigzinsphase zustande kommt. Zudem dürfen Entnahmen aus der zwischen 2013 und 2016 gebildeten Beitragsrücklage nicht Bestandteil des Erfolgsplans sein.“

Ein Defizit als Erfolgsplan ist eine schöne Kategorie. Verluste der ARD-Sender sind zwar inzwischen Standard, aber es kommt halt auf die Relationen an. Der rbb verfügte immerhin über Einnahmen von knapp 460 Millionen Euro. Die nutzt er laut ARD, um „sechs Hörfunkwellen – rbb 88.8, Antenne Brandenburg, Fritz, Inforadio, Radioeins und rbbKultur  – sowie regelmäßige Sendungen in niedersorbischer Sprache, das rbb Fernsehen und das Online-Angebot rbb24.de“ zu betreiben. Der rbb unterhält Funkhäuser in Berlin und Potsdam und darüber hinaus Studios in Cottbus, Frankfurt (Oder) und Regionalbüros in Perleberg und Prenzlau; hinzu kommen 14 Regionalkorrespondenten in Brandenburg.

Stellt man denen etwa die Zahlen des größten ARD-Senders, des WDR, gegenüber, so zeigt sich eine gewisse Diskrepanz. Der WDR weist  für 2019 bei Erträgen von rund 1,5 Milliarden Euro einen Verlust von 91,7 Millionen Euro aus. Er beschäftigte dabei zum Jahresende 2019  4.303 fest angestellte Mitarbeiter. Der rbb beziffert die Zahl der 2020 durchschnittlich Beschäftigten mit 2.049. Dafür gönnte sich Schlesinger ein durchschnittliches monatliches Bruttogehalt von 21.750 Euro, was ausweislich der Erläuterungen des rbb aber nur die „Grundvergütung“ war. Mangels weiterer Angaben lässt sich so nicht sagen, wie hoch die Vergütung insgesamt war. Die weiteren fünf Mitglieder der Geschäftsleitung des rbb konnten über eine „Grundvergütung“ von 15.813 Euro verfügen.

Zum Abschluss erlauben wir uns einen Hinweis auf die Zusammensetzung des rbb-Programms: 61,6 Prozent sind Wiederholungen. Auch eine Form journalistischer Wertarbeit.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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