Donnerstag, 22. Juli 2021

IHK-Geschäftsführer lobt Reform des IHK-Gesetzes

Blogeintrag | Kommentare (1)

In der Ausgabe 29/2021 S. 2129 des NWB-Verlages findet sich ein Aufsatz von Prof. Dr. Ralf Jahn mit dem Titel: „Der DIHK erhält ein neues Gewand und klare inhaltliche Vorgaben“. Wie der Verlag selbst korrekt mitteilt, handelt es ich bei Jahn nicht nur um irgendeinen Professor, sondern um den Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt, der zugleich Honorarprofessor an der Universität Würzburg ist. Daher kann es nicht überraschen, dass Jahns Analyse dieses Gesetzes ganz anders ausfällt als beispielsweise die des Bundesverbands für freie Kammern (bffk), des Verbands Die Familienunternehmer oder von ‘markt intern’.

Eher amüsant ist, wie Jahn die neue Pflichtmitgliedschaft aller 79 bundesweiten IHKn in der neuen Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) kommentiert: Sie werde eingeführt, „um die Vollständigkeit der Interessenvertretung auf Bundesebene zu gewährleisten“. Konsequenz dieser Pflichtmitgliedschaft der IHKn sei, „dass Kammerzugehörige einer IHK diese nicht mehr auf Austritt aus dem Dachverband verklagen können, weil die IHK der Bundeskammer kraft Gesetzes angehören. Die Mitglieds-IHK und deren Kammerzugehörige (§ 2 Abs. 1 IHKG) haben allerdings einen gesetzlichen Unterlassungsanspruch gegenüber der Bundeskammer, wenn diese ihre Kompetenzen überschreitet. Die Bundeskammer richtet zu diesem Zweck durch Satzung ein Beschwerdeverfahren mit einem Beschwerdeausschuss ein. Über Klagen entscheidet erstinstanzlich das örtlich zuständige Verwaltungsgericht (vgl. § 11a Abs. 3 IHKG n. F.).“

Nun, wie gut diese Selbstbeschränkung bisher funktioniert hat, haben die zahlreichen erfolgreichen Klagen gegen den bisherigen Deutschen Industrie- und Handelskammertag bewiesen. Wie erfolgreich wohl ein Beschwerdeausschuss der neuen DIHK da sein wird? Und ja, nur um die Klagemöglichkeit auf Austritt der eigenen Kammer aus dem bisherigen DIHK abzuschaffen, wurde das Gesetz überhaupt novelliert. Das klingt schon anders als die Feststellung einer „Vollständigkeit der Interessenvertretung“.

Weiter erläutert Jahn: „Die regional definierten Aufgaben der IHK soll die Deutsche Industrie- und Handelskammer auf Bundes-, europäischer und internationaler Ebene als Bundeskammer entsprechend erfüllen und als Ansprechpartnerin für die gesamte gewerbliche Wirtschaft auf Bundesebene zur Verfügung stehen.“ Aufgabe der Vollversammlung der DIHK sei „insbesondere die Ermittlung des Gesamtinteresses in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die gewerbliche Wirtschaft“. Kein Wort von ihm dazu, dass schon die Existenz eines solchen Gesamtinteresses von den Kritikern der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern bestritten wird. Jahn fällt zum Gegenstand des Gesamtinteresses der Wirtschaft nur Folgendes ein:

„Hierzu zählen nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/30440 S. 14) Themen wie bspw. Grenzschließungen, da sie u. a. Auswirkungen auf die Lieferketten und die Mobilität und damit Verfügbarkeit der Fachkräfte haben können. Ebenso berührt die Frage der Gewinnung und Sicherung von Fachkräften die unterschiedlichsten Themengebiete, die damit alle einen Bezug zur gewerblichen Wirtschaft haben. So ist z. B. das Thema der Ganztagsbetreuung in Kindertagesstätten und Schulen nicht nur eine Frage der Bildung, sondern in gleicher Weise auch eine Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit eine Frage der Fachkräftesicherung. Darüber hinaus sind auch Themen wie Testen und Impfen während der aktuellen Corona-Pandemie für die Wirtschaft von Relevanz. Auch die Themen ‘Nachhaltigkeit’ und ‘Corporate Social Responsibility (CSR)’ sind zulässige Gegenstände der Wahrnehmung wirtschaftlicher Interessen durch die IHK.“

Beurteilen Sie selbst, inwieweit diese Bereiche eine gesetzliche Neuordnung der Rechtsnatur und der Mitgliederstruktur der deutschen Kammerlandschaft rechtfertigen. Dass ein hoch bezahlter Hauptgeschäftsführer einer deutschen IHK nicht am System der Pflichtmitgliedschaft rütteln möchte, ist nachvollziehbar. Aber warum lässt ihn der NWB-Verlag die gesetzliche Neuregelung kommentieren und verzichtet dabei auch noch auf jedwede Darstellung kritischer Stimmen?

So vermag am Ende auch nicht mehr zu überraschen, dass Jahn als Fazit der Neuregelung zieht: „Das ist ein gutes Signal nicht nur für den DIHK und das dort engagierte unternehmerische Ehrenamt für rechtssicheres Handeln, sondern auch für die Mitgliedskammern, deren wirtschaftspolitische Stimme damit auch künftig auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene wirksam zur Geltung kommt. Schließlich profitieren davon auch Bundesministerien, Bundesverwaltung und Bundestag, weil sie auch in Zukunft auf die wirtschaftspolitische Expertise und den Rat des größten deutschen wirtschaftlichen Dachverbands setzen können.“ Welches Interesse die zahlenden Pflichtmitglieder der IHKn an der Änderung haben könnten, taucht hier gar nicht erst auf. Noch deutlicher kann man als Funktionär gar nicht machen, wie egal einem die Pflichtmitglieder in der eigenen IHK sind.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (1)

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#1 Leserkommentar
von Joker, 27.07.2021 13:26

<p>Liebe Leute ... dass der Gesetzgeber sich für diese Nummer der Existenzsicherung des DIHK hergegeben hat .. ist schon bizarr. Zeigt, was gutes Networking alles leisten kann.<br /> Als ehemaliger IHK-Mitarbeiter freue ich mich jeden Tag, dass ich im heutigen Job etwas wirklich Sinnvolles machen kann. Permanente Selbstbeschäftigung in den Kammern und die Potemkinschen Dörfer, die man dem engagierten Ehrenamt als Erfolge und Nachweise der eigenen Kompetenz und Leistungsfähigkeit als undurchdringbare Nebelwand präsentiert. Wer bei Kammers als Führungskraft arbeitet, hat es eben woanders nicht geschafft. Und bekommt dafür Gehälter als HGF wie z.B. der Chef einer Krankenkasse oder noch mehr. Kanzler-Niveau halt, im Finanziellen zumindest. Und viel gereist wird auch.... Abschaffen sollte man den ganzen Klüngel...</p>

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