Dienstag, 23. April 2024

Cum-Ex-Verfahren: Anne Brorhilkers merkwürdiger Wechsel zur Bürgerbewegung Finanzwende

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Gestern überraschte die Bürgerbewegung Finanzwende mit der Mitteilung, die Oberstaatsanwältin und Leiterin der Cum-Ex-Abteilung der Staatsanwaltschaft Köln, Anne Brorhilker, wechsele als Geschäftsführerin zu ihr. Brorhilker werde in dieser Funktion im dann vierköpfigen Vorstand neben dem Gründer des Vereins, dem geschäftsführenden Vorstand Dr. Gerhard Schick (weitere Geschäftsführer sind Daniel Mittler und Dr. Sascha Müller), „für eine bessere Verfolgung der Finanzkriminalität in ganz Deutschland kämpfen“, wie der Verein verlautbart hat. Schick hatte sein Bundestagsmandat, das er für Bündnis 90/Die Grünen ausübte, Ende 2018 aufgegeben, um den Verein aufzubauen.

Offiziell erklärt Brorhilker ihren Abschied aus dem Staatsdienst mit der Enttäuschung, keine ausreichende politische Rückendeckung gehabt zu haben, den Komplex der Cum-Ex-Verfahren effektiv und umfassend aufklären zu können. Unterstellt, dies wäre zutreffend, stellt sich unweigerlich die Frage, wie sie glauben kann, dies als Geschäftsführerin der Finanzwende erfolgreicher bewerkstelligen zu können. Laut dem Geschäftsbericht hatte der Verein 2022 Einnahmen in Höhe von 1.403.495,20 Euro. Damit dürfte Brorhilkers Abteilung bei der Staatsanwaltschaft in Köln kaum zu finanzieren gewesen sein. Von den in gleicher Höhe angefallenen Ausgaben entfielen gerade einmal rund 622.000 Euro auf Kampagnen und Projekte.

Auch die weitere Erklärung der Finanzwende für diesen Wechsel aus dem Schoß des Landes zu ihr wirkt eigenartig. Brorhilker werde ihren „erfolgreichen Kampf gegen Steuer- und Finanzkriminalität neu ausrichten“, heißt es. Sie werde nicht mehr als Staatsanwältin und mit Ermittlungen gegen einzelne Täter agieren, sondern ihre Arbeit „als politische Auseinandersetzung für Gerechtigkeit und Rechtsstaat“ betreiben. Während Brorhilker zur Begründung für ihren Wechsel anführt, nicht erfolgreich habe kämpfen zu können, lobt Finanzwende ihren „erfolgreichen Kampf“. Und wie der doch recht überschaubare Verein mehr „Gerechtigkeit und einen besseren Rechtsstaat“ erreichen will, bleibt rätselhaft.

Alles in allem wirkt dieser Schritt so, als habe Brorhilker letztmals einen großen Auftritt haben wollen. Zukünftig werden sie und die Finanzwende naturgemäß erst einmal davon profitieren, in den Medien als die Expertin für Cum-Ex-Verfahren zu gelten, die im Interesse der Sache sogar ihre Beamtenstellung aufgab. Aber das wird zunehmend verblassen. Nicht eben wenige innerhalb des Justizapparates werden froh sein, dass sie geht. Ihre zweifellos vorhandenen Fähigkeiten scheiterten zuletzt wohl auch daran, dass sie sich verrannt hatte, auch innerhalb der Staatsanwaltschaft. Es mag frustrierend sein, hochkomplexe Verfahren, die einen hohen persönlichen Einsatz erfordern, aus Gründen der Prozessökonomie im Wege einer Verständigungslösung – gemeinhin als Deal bezeichnet – abzuschließen. Die Vorstellung, mehrere hundert, ja möglicherweise tausende Verfahren durch alle Instanzen im Sinne der Gerechtigkeit, mit persönlichen Strafen der Beteiligten, abschließen zu können, ist allerdings eine Wunschvorstellung, zumindest in einem demokratischen Rechtsstaat.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (0)

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