Zukunftskongress öffentliche Apotheke 2024 — No 16
Sechs muntere Stunden Programm: Eine Begrüßung, ein gesundheitspolitischer Lagebericht und ein Vortrag, die es in sich hatten. Das wäre die Kurzfassung für den diesjährigen Zukunftskongress öffentliche Apotheke, der dem Format der Veranstaltung des Apothekerverbands Nordrhein wirklich nicht gerecht würde. Mehr als 300 Teilnehmer folgten dem Programm, das von Ralph Erdenberger moderiert wurde. Im Bonner Wasserwerk, dem ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages, waren definitiv nicht nur Verbands- und Kammerleute (so eine manchmal gehörte Anmerkung) zusammengekommen. Der Startzeitpunkt um 11 Uhr ermunterte viele Inhaber einer Offizin sowie PTA und PKA zur Teilnahme. Die vorausschauend reichlich bemessenen Pausen wurden für rege Diskussionen, den Austausch unter Kollegen genutzt.
In seiner Begrüßungsrede ging Thomas Preis, der Vorsitzende des Apothekerverbandes Nordrhein, auf die wirtschaftliche Situation der Apotheken vor Ort ein: Mittlerweile würden die Kosten der Apotheken bei zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherungen abgegebenen Packungen nicht mehr gedeckt. Ein Drittel der Apothekeninhaber verdiene weniger als ein angestellter Apotheker, 10 % würden sogar rote Zahlen schreiben. Die Entwicklung in der Region Nordrhein kommentierte Preis: „Schon die Schließungszahlen der ersten sechs Wochen dieses Jahres in unserem Verbandsgebiet liegen noch einmal um einiges über den schon schlimmen Zahlen des letzten Jahres, die zu einem historischen Tiefstand bei den öffentlichen Apotheken in Nordrhein mit nur noch etwa 2.000 geführt haben.“ Noch nie habe es weniger Apotheken gegeben. Vor diesem Hintergrund forderte Preis einen sofortigen Rettungsschirm von der Politik: Dazu gehöre, den Apothekenrabatt sofort wieder zu senken, die Arzneimittelpreisverordnung anzuheben und zu dynamisieren. Zusätzlich müsse das unsägliche Skonti-Urteil durch die Politik so korrigiert werden, dass Skonti, die Krankenkassen gar nicht belasteten, rechtssicher weiter möglich seien.
Aktuell stünden die Apotheken in der praktischen Arbeit vor vielen Herausforderungen. So sei die Einführung des E-Rezepts ein großer Kraftakt, der inzwischen positive Ergebnisse zeige. Allerdings sind die stundenlangen Ausfälle der zentralen Server der gematik nicht erklärbar, die Praxisverwaltungssysteme der Ärzte produzierten massenweise unzulässige Verordnungen. Zudem sei es den Kassenärztlichen Vereinigungen bisher nicht gelungen, ihre Mitglieder von der sinnlosen Stapelsignatur abzubringen.
Eine große Lanze brach NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann für die Apotheken in der bestehenden Form. Er ist bekanntlich großer Anhänger der freiberuflichen Tätigkeit wie der selbstständigen Unternehmer und mittelständischen Strukturen. Nicht zuletzt gewährten diese auch die gesellschaftliche Stabilität. Vor dem Hintergrund dieser Grundüberzeugungen erteilte Laumann dem Vorhaben von Bundesgesundheitsminister Lauterbach, Apotheken ohne Apotheker zu etablieren, eine klare Absage. Allerdings koste Sicherheit Geld, das sei bei der Rüstung, bei Nahrungsmitteln/der Landwirtschaft und bei der Arzneimittelversorgung nun einmal der Fall. Laumann ist ein Polit-Profi. Er führt seine eigenen Leistungen bei der hausärztlichen Versorgung, der Einführung einer Landarztquote und der Krankenhausreform seit 2017 an. Diese seien nicht von oben diktiert, sondern auf Landesebene mit allen Beteiligten gemeinsam entwickelt worden. Und natürlich holt er das Plenum mit Thesen ab, wie „wir haben in Deutschland etwas andere Probleme, als über Cannabis zu reden“. Oder: „Ein finanzieller Nachholbedarf für die Apotheken besteht, denn viele Jahre ist nichts passiert. Zwölf Euro entsprechen 3 Mrd. € oder 0,17 % mehr Beitrag in der GKV.“ Das ist doch geradezu nichts? Laumann schließt mit Harmonietönen: „Bürokratieabbau ist ein Mega-Thema. Wir müssen überall Misstrauen abbauen, warum stehen immer alle unter Generalverdacht?“
„Das Leitbild des Apothekers in seiner Apotheke muss erhalten bleiben.“
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann
Gerne hätten wir von einer regen politischen Diskussion berichtet. Jeweils ein Gesundheitspolitischer Sprecher auf Landesebene der Ampelparteien war dabei, dazu Kathrin Vogler, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion DIE LINKE und Obfrau im Gesundheitsausschuss im Bundestag. Vielleicht hatte der Moderator bei diesem Punkt nicht seinen besten Tag, jedenfalls ging die Diskussion in Selbstdarstellung und Parteien-Scharmützel über. Die anschließend befragten Kongressteilnehmer wussten wenig bis nichts mit den 'Inhalten' dieser Podiumsdiskussion anzufangen.
Dafür gab es einen sehr erfreulichen Abschluss mit dem Fachvortrag von Prof. Dr. Stephan Martin. Den Chefarzt der Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums kennen viele Apotheker durch seine Veröffentlichungen. Bei seinem Vortrag zu 'Semaglutid und Co.' ging Martin nicht nur auf die Wirkweisen und Effekte der 'neuen Abnehmmittel' ein. Die Faktoren zu einem nachhaltigen Abnehmen begleitete er mit einigen Seitenhieben, wie Sinn und Unsinn des Nutriscore, der Empfehlung von fünf kleinen Mahlzeiten täglich mit Obst und den Auswirkungen von Cola, Hafermilch oder Kartoffelpüree auf die Insulinausschüttung. Ein kurzweiliger Vortrag, in dem eine Menge Fakten rübergebracht wurden. Zum Ende lautete die Empfehlung: Besser Pommes als Püree, denn da ist Fett dabei!
Sebastian Berges, stv. Vorsitzender des AVNR, zog das Schlussfazit der Veranstaltung. Unser Fazit, nach Abgleich mit vielen Teilnehmern, lautet: Die branchenpolitischen Ausführungen von Thomas Preis waren mit den aktuellsten Facetten auf den Punkt gebracht. Karl-Josef Laumann trug zukunftsfähige Strategien für die Sozialsysteme vor – die er als Bundesgesundheitsminister umsetzen könnte. Der Fachvortrag war exzellent – die Landespolitiker wissen in der Sache nicht zu diskutieren. Insgesamt war die Veranstaltung ein Erfolg, denn neben den guten Programmpunkten funktionierten das Networking und der Austausch mit den Kollegen super! Dann also bis Februar 2025 – Zukunftskongress No 17!
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