Flutkatastrophe — wie geht es betroffenen Parfümerien und Kosmetiksalons ein Jahr danach?

Zwangsschließungen von Fachgeschäften und Kosmetikinstituten, verändertes Kundenverhalten, steigende Energiepreise, dieses und noch mehr Negatives haben Familienbetriebe mitgemacht bzw. erleben es aktuell. Diejenigen, die am 14. Juli 2021 vor den Trümmern ihrer Existenz standen, werden in diesen Tagen auch durch mediale Aufmerksamkeit an die schlimmsten Stunden ihres Lebens erinnert. Im Rahmen unserer Serie begleiten wir Betroffene auf ihrem Weg zur Wiedereröffnung. Wie geht es ihnen? Was erleben sie aktuell? Werden sie unterstützt?

Ursula und Birgitta Göbbel betreiben ihr Institut bzw. ihre Parfümerie Kosmetiksalon und Parfümerie Göbbel/Bad Neuenahr mitten in der Kurstadt. Ursula Göbbel startete dort 1963 ihr eigenes Geschäft. In der Flutnacht wurden ihre Geschäftsräume komplett zerstört. Birgitta Göbbel: „Was die Flut zerstörte, kann in einem Jahr nicht wieder aufgebaut werden. Ich erinnere mich an das Originalzitat meiner Mutter, die nach dem Anblick der Verwüstungen sagte: »Es zerreißt mir das Herz.« Das ist jetzt ein Jahr her. Seit einem Jahr ist unser Geschäft geschlossen. Wenn ich durch unsere Stadt laufe, so freue ich mich, dass es langsam weitergeht. Jede Scheibe, jede Wand, jeder Boden bzw. alles, was neu eingesetzt wird, stimmt uns hoffnungsvoll. Das gilt zudem für jede Eröffnung.“

Bereits im Frühjahr plante der Familienbetrieb eine Wiedereröffnung am gleichen Standort Kreuzstraße 8. Wie laufen die Vorbereitungen für den Neustart? Birgitta Göbbel:

„Wir planen unsere Eröffnung für September. Aktuell stockt es bei den Handwerksarbeiten. Es fehlt die Fensterfront. Noch eine Reihe von Arbeiten müssen erledigt werden. Ich denke, dass die fehlenden Materialien, auf die die Handwerker warten, eine Ursache für die Verzögerungen sind. Anderen Betroffenen, wie Juwelier und Schmuck Vögele oder Schuhhaus Rollmann, die vorübergehend in der Pop-Up-Mall verkaufen, geht es ähnlich. Handwerker sind überall Mangelware. Telefonanschluss und Internet wurden bereits gelegt. Auch die Energieversorgung ist bei uns gesichert.“

In Bad Neuenahr gehören aus unserer Branche zudem das Kosmetikinstitut Christiane Sonntag und eine Douglas-Filiale zu den Geschädigten. Douglas verkaufte zunächst, wie über 30 Gewerbetreibende auch bzw. aktuell immer noch, in der Pop-Up-Mall-Bad Neuenahr. Wir hören, dass Douglas seit dem 30. Juni 2022 nicht mehr in der Pop-Up-Mall vertreten ist. Douglas ist wieder an seinen alten Standort in Bad Neuenahr, in die Poststraße, umgezogen. Seit unserem letzten persönlichen Besuch von Fachhändlern der Stadt an der Ahr im Februar ist viel passiert. In der Poststraße eröffnen nach und nach weitere Händler.

Das Ahrtal, der Kreis Euskirchen und weitere Flutgebiete in Nordrhein-Westfalen erlebten in den Tagen und Wochen nach den Überschwemmungen eine große Solidarität. Wir sieht die Hilfe aktuell aus? Werden Familienbetriebe unterstützt? Birgitta Göbbel: Wir für Sie meldet sich regelmäßig bei uns. Wir erfahren Mitgefühl und Hilfe. Das Gleiche gilt auch für unsere Lieferanten, die seit Jahren unsere Partner sind. Mit Payot haben wir Kontakt aufgenommen. Da gefällt uns besonders das Kabinenkonzept. Gut tun uns zudem die Anfragen aus unserer Kundschaft. «Wann macht ihr wieder auf?» Das ist die häufigste Frage, die uns zudem Mut macht. Wir freuen uns auf unsere Eröffnung. Am meisten freuen wir uns auf unser Jubiläum im kommenden Jahr. Dann feiern wir 60 Jahre Kosmetikinstitut Göbbel.“

Ca. 75 Kilometer von Bad Neuenahr liegt der Ort Schleiden-Gemünd. Hier ist aus unserer Branche z. B. Nadine Sperling, Goldmaries, von der Flutkatastrophe betroffen. U. a. über ihren Online-Shop hält sie den Kontakt zu ihren Kunden aufrecht. Nicht weit weg von ihrem Standort Am Markt kämpfte in der Flutnacht Helmut Peters, Inhaber von Sportteam Peters, in seinem Fachgeschäft um sein Leben. Er wurde in seinem Geschäft abends von der Flut eingeschlossen. Auf dem obersten Regal harrte er stundenlang aus. Die Wassermassen stiegen bedrohlich an. Um fünf Uhr morgens stieg das Wasser nicht mehr. Helmut Peters: „Ich bin froh, dass ich überlebt habe. Meine Kunden haben mir Mut gemacht, wieder zu öffnen. Ich freue mich darüber, dass ich eine treue Kundschaft habe. Die Resonanz seit meiner Neueröffnung ist sehr gut.“ Helmut Peters feierte im April seine Neueröffnung eine Hausnummer neben seinem früheren Standort – in jetzt eigenen Räumlichkeiten.

Schlimmes erlebt haben zudem Familienbetriebe in Prüm. Glück gehabt hat die ES Parfümerie Elke Schäfer. Ihr Fachgeschäft blieb von den Wassermassen der Prüm bzw. der Nims verschont. Hart getroffen hat es allerdings den Familienbetrieb Ganzheitliche Kosmetik und Wellness Arnoldi. Das Geschäft von Marion Arnoldi wurde wie die Ladenlokale/Häuser weiterer Fachhändler bzw. Anwohner in der Prümtalstraße komplett zerstört. Auch Marion Arnoldi bereitet sich auf einen Neustart vor.

'mi'-Fazit: Dass Kosmetikinstitute und Parfümerien nach der Zerstörung ihrer Ladenlokale/Institute einen Neustart planen, ist großartig. Alle, die nach dem Erlebten ihr Ladenlokal bzw. ihr Kosmetikinstitut wieder öffnen werden, verdienen eine besondere Würdigung. Die wollen wir ihnen im Rahmen unserer Serie zukommen lassen. Wir begleiten sie auf dem Weg zu ihrer Wiedereröffnung, egal, ob am gleichen Standort wie vor dem 14. Juli 2021 oder an einem neuen Ort.

Was die Betroffenen in einem Jahr geleistet haben, macht Mut. Sie geben sich nicht auf und freuen sich, demnächst wieder ihre Kundschaft begrüßen zu dürfen. Die positiven Signale von Familienbetrieben aus den Flutgebieten sollten zudem alle Markenlieferanten und Dienstleister zum Anlass nehmen, den Kontakt zu Betroffenen aufrechtzuerhalten. Die Zeit nach dem Medienecho-Jahresgedächtnis wird für diejenigen, die noch Monate auf Umsatz warten müssen, hart bleiben.

Deshalb lautet unsere Bitte an alle Kosmetik- und Parfümerie-Hersteller: Gerne stellen wir heraus, was Sie für Betroffene aktuell und auch in Zukunft leisten. Teilen Sie uns mit, wie Sie denjenigen, die Schlimmes erlebt haben, jetzt und in Zukunft unter die Arme greifen. Wenn es uns gelingt, durch Veröffentlichung des solidarischen und partnerschaftlichen Miteinanders Betroffene in den Flutgebieten dabei zu unterstützen, dass sie bis zu ihrem Neuanfang die Hilfe bekommen, die sie erwarten, ist unser Ziel erreicht.