Bleiben oder gehen? Wie zwei Augenoptiker den Flutsommer 2021 gemeistert haben

„Wir hatten wirklich großes Glück im Unglück“, sagt Michael Osthoff von Optik Stockhausen/Stolberg heute, neun Monate nach der Katastrophe. „Für uns bot sich die Chance zum Neuanfang, und die haben wir genutzt.“ Nach der Zerstörung seines Geschäfts durch die Jahrhundertflut ist der Augenoptikermeister mit dem gesamten Team umgezogen – in ein neues Domizil außerhalb der Altstadt, wo man vor dem Wasser sicher ist. Der Abschied fiel ihm nicht leicht. In dem Altbau in der Rathausstraße 19 wurden seit 150 Jahren Brillen angepasst und verkauft. 2003 übernahm Osthoff zusammen mit einem Kompagnon das Geschäft, in dessen Nähe der idyllische Vichtbach fließt. Kein Stolberger konnte sich vorstellen, dass sich das unscheinbare Gewässer einmal in einen Tsunami verwandeln würde, der den ganzen Ort ins Unglück stürzt.

Als wir Osthoff in seinem neuen Geschäft erreichen, verabschiedet er gerade mehrere Kunden. „Wie Sie sehen, habe ich gut zu tun. Die alten Stammkunden sind wieder da. Und weil das neue Geschäft gleich vier Parkplätze hat, konnte ich auch einige neue hinzugewinnen.“ Osthoff blickt wieder optimistisch in die Zukunft. Vor einem Dreivierteljahr hätte er am liebsten alles hingeworfen. Als er am Morgen des 15. Juli sein Geschäft betrat, bot sich ihm ein Bild der Verwüstung. Wie alle Läden in der Rathausstraße hatte die Flutwelle auch Optik Stockhausen über Nacht in ein Trümmerfeld verwandelt. „Das Schaufenster war zerdrückt, der schwere Kassentresen einfach weggespült.“ Einen Meter hoch hatte das Wasser im Geschäft gestanden und alles mit einer dicken Schlammkruste überzogen. „Es war surreal“, erinnert sich Osthoff. „Als wir eintrafen, war ja alles vorbei. Ein herrlicher Sommertag. Und dann diese Zerstörung wie nach einem Krieg.“

Auch Oliver und Andrea Hahn von Optik Hahn/Schleiden-Gemünd werden den Flutsommer 2021 nicht vergessen. Das Augenoptiker-Paar stand am 15. Juli vor den Trümmern seiner Existenz. Nicht nur das Geschäft war zerstört, der Keller ihrer Wohnung stand unter Wasser. Dass Optik Hahn am tiefsten Punkt der Gemünder Fußgängerzone liegt, unweit der Mündung der Olef in die Urft, wurde ihm zum Verhängnis. Dadurch stieg das Wasser besonders hoch, „bis sechs Zentimeter unter die Decke“, wie Oliver Hahn betont. Von der Einrichtung war nichts mehr zu gebrauchen. Immerhin: Dank einer zweiten Filiale im zwölf Kilometer entfernten Hellenthal musste er die Stammkunden nicht wegschicken. Als gut angelegtes Geld erwies sich auch eine Sach- und Inhaltsversicherung, die dafür sorgte, dass er auf einem Großteil des Schadens von mehreren 100.000 € nicht sitzen blieb. Auch eine Betriebsunterbrechungsversicherung hatte Hahn in weiser Voraussicht abgeschlossen. „Gerade war ein Mann von der Versicherung da. Der wollte sehen, ob ich mir von dem Schadensersatz keinen Porsche gekauft habe“, witzelt der Augenoptiker, der seinen Humor nicht verloren hat.

Michael Osthoff hatte keine Versicherung gegen Elementarschäden abgeschlossen. Vom Staat gab's 5.000 € Soforthilfe, das war's. Eine Woche dauerten die Aufräumarbeiten. In dieser Zeit ging Osthoff vieles durch den Kopf. „Mein Gottvertrauen hat mir geholfen, die Zeit zu überstehen“, sagt er. Und die Unterstützung, die er von vielen Seiten erfuhr. Neben den eigenen Mitarbeitern packten auch deren Angehörige mit an. Kollegen meldeten sich und sagten ihre Hilfe zu. Auch die Landesinnung legte sich für ihn ins Zeug. Wie sich herausstellte, hatte ein Großteil der Einrichtung das Hochwasser mit leichten Blessuren überstanden. Und vor allem: Das technische Gerät, darunter ein DNEye Scanner im Wert von mehreren 10.000 €, war unversehrt. „Unsere Instrumente stehen wie bei allen Augenoptikern auf Tischen. Das hat sie gerettet.“ Selbst die meisten Brillen waren nach einem gründlichen Ultraschallbad wieder einsatzbereit.

Letztlich hielt sich der finanzielle Schaden in Grenzen. Dennoch reifte in Osthoff der Entschluss, mit seinem Geschäft umzuziehen. „Aus Schaden wird man klug“, meint er. Als ihm ein Freund von einem frei werdenden Ladenlokal außerhalb des Zentrums erzählte, waren die Würfel gefallen. „Wir konnten mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: mehr Platz für weniger Miete, eine bessere Verkehrsanbindung und das Wichtigste: kein Hochwasserrisiko.“ Zudem entpuppte sich der neue Standort als kleines Gesundheitszentrum, mit einem Physiotherapeuten, einer Logopädin und einer Yoga-Schule in unmittelbarer Nachbarschaft. „Das zieht zusätzliche Kunden an.“ Schon vier Wochen nach der Flut öffnete Optik Stockhausen am neuen Standort seine Tore. Die Einrichtung für das neue Geschäft hatte sich Osthoff via eBay besorgt: bei einem Augenoptiker aus Münster, der in den Ruhestand ging.

Anders als Michael Osthoff blieben die Hahns ihrem Standort treu. „Das war ein Jahrhundertereignis, das kommt so schnell nicht wieder“, ist Oliver Hahn überzeugt. Es würden Vorkehrungen getroffen, dass das Wasser bei Starkregen schneller abfließen könne. Außerdem gebe es zum jetzigen Standort in Gemünd keine Alternative. Am 1. März 2022 feierte Optik Hahn Wiedereröffnung. Wer das schmucke, frisch renovierte Geschäft in der Dreiborner Straße betritt, traut seinen Augen nicht. Dabei hatte Oliver Hahn fast schon der Mut verlassen, wie er zugibt. „Ohne die Hilfe der vielen Freunde und Kunden, die mich anspornten, weiterzumachen, hätte ich vermutlich aufgegeben. Das war ein einmaliges Erlebnis, das ich nie vergessen werde.“

'mi'-Fazit: 'In der Gefahr wächst das Rettende auch', sagt der Dichter. Not macht erfinderisch, weiß der Volksmund. Michael Osthoff und Oliver Hahn sind dafür der 'lebende' Beweis Ihre Geschichte lehrt auch, dass Freunde, auch gute Geschäftsfreunde, in Krisensituationen die besseren Nothelfer sind als der Staat Gegen die Naturgewalten ist kein Kraut gewachsen. Mit einer Gebäudeversicherung/Hausratversicherung kann man den finanziellen Schaden jedoch in Grenzen halten Achten Sie darauf, dass der Versicherungsschutz 'weitere Naturgefahren' umfasst (Elementarschadenversicherung) und dass entstehender Schaden zum Neuwert ersetzt wird. Passen Sie die Verträge regelmäßig an Mit der Zunahme von Extremwetter im Zuge des Klimawandels nehmen die Gefahren zu Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)/Berlin bietet einen kostenlosen 'Naturgefahren-Check' und einen 'Hochwasser-Check'.