Warum haben wir noch eine epidemische Lage nationaler Tragweite?
In der Mittelstandsausgabe vom 17. Juli hatten wir darüber berichtet, dass zwar Victor Orbán seinerzeit den Ausnahmezustand wegen Corona in Ungarn für beendet erklärt hatte und damit nicht mehr per Verordnung regieren kann. Die Bundeskanzlerin belehrte stattdessen das Parlament, es sei jetzt „nicht die Stunde, nach einer Beendigung der epidemischen Lage zu fragen“ (vgl. Mi 15/20 ). An dieser Haltung hat sich seitens der Bundesregierung bisher nichts geändert. Dies ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Parlamentarische Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Oliver Luksic. Er wollte von ihr wissen, welche Konsequenzen sie aus der verhältnismäßig niedrigen Hospitalisierungsrate von COVID-19-Infizierten trotz steigender Infektionszahlen in Deutschland im Hinblick auf die weiterhin bestehende epidemische Lage von nationaler Tragweite ziehe. Die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Thomas Gebhart überrascht nicht wirklich. Er weist Luksic darauf hin, die Anzahl der schweren Verläufe und auch der Todesfälle hänge davon ab, „wie hoch die Fallzahlen insgesamt sind und wie viele Menschen aus Risikogruppen betroffen sind“. Die Zahl der Verstorbenen und Hospitalisierungen sei „in den vergangenen Monaten bundesweit zurückgegangen, weil die Fallzahlen insgesamt niedrig waren und weniger Menschen aus Risikogruppen betroffen waren“. Nach Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit sei dennoch „die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite weiter notwendig, um angemessen und gegebenenfalls kurzfristig auf ein wieder dynamisches Infektionsgeschehen mit den in § 5 IfSG zur Verfügung stehenden Maßnahmen reagieren zu können“.
Luksic hat dafür kein Verständnis, wie er gegenüber Mi betont: „Die Bundesregierung verharrt weiterhin im Corona-Krisenmodus, obwohl sich die Gesamtlage inzwischen verändert hat. Die zum Glück vielen leeren Intensivbetten sind meiner Meinung nach ein deutliches Signal, dass unser Land nun wieder allmählich zur Normalität zurückkehren kann. Dafür ist allerdings auch von den politischen Entscheidungsträgern mehr Zuversicht notwendig. Viele Bereiche unseres alltäglichen Lebens und der Wirtschaft leiden zunehmend unter den Folgen der Restriktionen. Unser Land braucht Achtsamkeit, aber auch Zuversicht und Optimismus statt einen permanenten Katastrophenmodus. Die FDP hatte bereits im Juni die Aufhebung der epidemischen Lage nationaler Tragweite im Bundestag gefordert. Die Groko muss dem nun endlich folgen und diese Art Notstandsgesetz aussetzen. Der Gesundheitsschutz bleibt weiterhin von zentraler Bedeutung, aber eine Aushebelung unserer Rechtsordnung darf nicht zum Dauerzustand werden.“ Höchste Zeit, dass der Deutsche Bundestag dies einmal offen parlamentarisch diskutiert. Eine Regierungstätigkeit via Verordnung darf kein Dauerzustand sein!
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